Prolog

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Harry Potter senkte langsam seinen Zauberstab. Es war vorbei, es war wirklich vorbei. Voldemort war tot. Seit er 11 war, hatte er beinahe jährlich gegen ihn ankämpfen müssen. Er hatte ihm seine Kindheit genommen, seine Eltern, Freunde und sein Leben zur Hölle gemacht. Und jetzt war er tot, einfach weg. Aufgelöst in Asche, vom Wind verstreut. Das wars. All das Leid, all die Toten, zwei Kriege nur wegen ihm und seinen schrecklichen Idealen und jetzt löste er sich einfach in Asche auf und ließ all dieses Chaos zurück, diese Trauer, dieses Trauma und die Unsicherheit. Die Leute, besonders die Kinder wären für immer traumatisiert, viele hatten ihre Eltern oder Freunde verloren, genau wie er.

Harry merkte wie langsam seine Schultern absackten als sich seine Anspannung zum ersten Mal seit gefühlten Monaten löste, er hatte das Gefühl zum ersten Mal wieder einen vollen Atemzug zu nehmen ohne das seine Kehle dabei zugeschnürt war, doch gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass diese Anspannung das einzige gewesen war, dass ihn zusammengehalten hatte und ihn vor dem Zusammenbrechen schützte. Jetzt könnte er zusammenbrechen, hier war niemand mehr, der ihn um jeden Preis tot sehen wollte und der hinter der nächsten Ecke nur auf seine große Chance, diesen Wunsch wahrzumachen, wartete.

Trotzdem fühlte er sich nicht so, als hätte er es verdient loszulassen und einfach zusammenzubrechen. Denn alle hier hatten jemanden verloren, sie alle wussten jetzt, wie es ist so zu leiden und er war an ihrem Leid nicht ganz unbeteiligt. Es wäre selbstsüchtig und egozentrisch sich hier vor allen auf die Knie sinken zu lassen und zu heulen. Auch wenn es sehr verlockend war. Er war so wütend und traurig, es war nicht in Worte zu fassen und er würde am liebsten laut schreien und dabei aufschluchzen und den Tränen freien Lauf lassen.

Doch er musste jetzt stark bleiben. Für die Weasleys, für Hermine, für Neville, Luna und all die anderen. Sie waren alle immer für ihn da gewesen, egal was passiert war. Als Sirius gestorben war, Dumbledore, am Todestag seiner Eltern und nun hatten sie Verlust erfahren. Es war nur fair, das er jetzt für sie da war.

Also richtete er sich langsam gerade auf und drehte sich um. Jetzt blickte er direkt in die Menschenmenge hinter ihm, die er bis jetzt ignoriert hatte, suchend nach seinen Freunden.

In der Menge entdeckte er so viele bekannte Gesichter, ganz vorne McGonagall, die Weasleys, Kingsley, Neville, Dennis Creevey, Luna, Dean, Seamus und noch so viele mehr, die er aber ausblendete. Gleich würde es mit Sicherheit losgehen. Die Beschuldigungen, sie würden ihn ausbuhen, verantwortlich machen, auf ihn losgehen, so wie er es verdiente.

Aber stattdessen hörte er ein Klatschen. McGonagall. Sie begann langsam zu klatschen und auf einmal stiegen immer mehr mit ein, bis es zu einem tosenden Applaus wurde. Die Leute klatschten, pfiffen, jubelten ihm zu. Da löste sich eine junge Frau aus der Menge. Ginny. Sie rannte auf ihn zu. Ihren Gesichtsausdruck konnte er unter den wehenden, langen roten Haaren nicht erkennen. Ob sie wütend war? Ihn anschreien würde? Nein. Sie warf sich ihm in die Arme und drückte ihn so fest sie konnte an sich.

Einen Moment bewegte Harry sich nicht. Er hatte Angst, würde er es tun, würde sie ihn loslassen oder einfach verschwinden. Vielleicht war das nur ein Traum. Doch selbst wenn das ein Traum wäre, hatte er jetzt die Chance, sie in den Armen zu halten, wenn auch nur im Traum oder nur eine Millisekunde. Diese Chance musste er nutzen.

Er schlang seine Arme um sie und zog sie, auch wenn es kaum möglich war, noch ein bisschen näher an sich. Sein einer Arm um ihre Taille, die andere in ihren Haaren vergraben, hielt er sie an sich. Er drückte seine Lippen auf ihren Scheitel, dabei atmete er ihren vertrauten Duft ein, sie roch nach ihrem Blumenshampoo und Vanille und schloss die Augen. Ein kleines Schluchzen entfuhr ihm, teilweise wegen allem anderen, was gerade echt scheiße war und teilweise wegen seiner Erleichterung, dass es ihr gut ging, endlich mal ein gutes Gefühl.

Ihre Arme lagen um seinen Nacken und sie verteilte ein paar zarte, liebevolle Küsse über seinen Hals und seine Wange. Währenddessen fuhr sie mit der Hand durch seine Haare. Ihre Küsse vermischten sich mit ein paar Tränen, die ihr die Wange runterliefen.

Egal wie lange es war, ein paar Sekunden, Minuten oder Stunden, er konnte es nicht einschätzen, die sie so nah bei ihm war, waren viel zu schnell vorbei, als sie sich vorsichtig etwas von ihm löste um ihn anzusehen. Seiner Meinung nach hätte er sich Tage oder Monate, möglicherweise auch Jahre so in seinen Armen halten können, um alles zu vergessen. Das ihnen hunderte Leute zusahen, war ihm mehr als egal.

Er sah in ihr Gesicht. Sie sah anders aus als vor einem dreiviertel Jahr, aber trotzdem genau gleich.

Ihr Gesicht war schmaler geworden, die kindlichen Gesichtszüge, waren definierten erwachsenen gewichen. Sie hatte allgemein etwas abgenommen. Ihre Haut war blasser und das Strahlen, das sie früher stets umgeben hatte, war einer zwar starken und erwachsenen Ausstrahlung gewichen, allerdings damit auch ihr fröhliches Grinsen, einem leichte Lächeln mit Tränenspuren und dunklen Ringen unter ihren großen, hellbraunen Rehaugen.

Sie gab ein kaum hörbares „Hi“ von sich. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war das Schönste, dass er dieses Jahr gesehen hatte.  „Hey“, krächzte er genauso leise zurück und ein kleines Lächeln schlich sich trotz allem auf seine Lippen.

„Ich hab dich vermisst“, erwiderte sie mit Tränen in den Augen, aber das Lächeln behielt sie bei.

„Ich dich auch. Du glaubst nicht wie sehr“, antwortete er. Harry wollte für immer in diesem Moment bleiben, keinen anderen mehr ansehen müssen, außer Ginny. Alle anderen ausblenden. Doch genau in dieser Sekunde erreichten ihn auch andere. Ron klopfte ihm auf den Rücken, Hermine legte ihm stolz die Hand auf die Schulter. Und hinter ihnen kamen noch all die anderen. Auch wenn Harry es nicht wollte, wurde es Ginny zu viel. Sie löste sich von ihm und schenkte ihm ein letztes Lächeln bevor sie in der Menge verschwand. Harry wollte hinterher, doch alle gratulierten ihm, schlossen ihn in die Arme und hielten in dadurch von Ginny weg. Über die Köpfe der anderen, konnte er nur noch sehen, wie sie durch die Flügeltür schlüpfte und damit verschwand.

Als er sich endlich von den anderen gelöst hatte, war sie weg.

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