Der nächste Morgen bricht mit einem Hauch von Frische an. Der Herbst zeigt sich von seiner schönsten Seite – die Bäume auf dem Campus haben ihre Blätter in leuchtendes Rot, Orange und Gelb getaucht, und eine leichte Brise weht durch die Luft, die die Blätter wie Konfetti über die Gehwege tanzen lässt. Es ist einer dieser Tage, an denen man sich einfach nur wohlfühlen will, eingehüllt in einen warmen Pullover und mit einer heißen Tasse Tee in der Hand.Ich wache früh auf, noch bevor der Wecker klingelt, und nutze die zusätzliche Zeit, um meine Gedanken zu ordnen. Die Begegnung mit Ryan am Abend zuvor hat in mir gemischte Gefühle hinterlassen. Einerseits war es eine Erleichterung, endlich Klartext zu reden und die Last der Vergangenheit zumindest ein wenig von meinen Schultern zu nehmen. Andererseits hat es mir gezeigt, wie tief die alten Wunden tatsächlich noch sind.
Mia ist schon weg, als ich das Wohnheim verlasse. Sie hatte mir am Vorabend eine Nachricht geschickt, dass sie früh zu einem Seminar muss. Das gibt mir die Möglichkeit, den Morgen alleine zu verbringen, was mir gerade recht ist. Ich beschließe, mich ein wenig auf dem Campus umzusehen und die ruhige Atmosphäre zu genießen, bevor die Hektik des Tages beginnt.
Der Campus ist um diese Uhrzeit fast menschenleer, und ich schlendere ohne Ziel durch die Gänge, meine Gedanken noch bei den Ereignissen des gestrigen Abends. Es fühlt sich gut an, allein zu sein und die Stille in sich aufzunehmen. Doch nach einer Weile merke ich, dass meine Füße mich wie von selbst in Richtung des kleinen Parks am Rand des Campus führen.
Dort angekommen, finde ich eine Bank unter einem großen Ahornbaum, der sich bereits in seinem leuchtendsten Rot zeigt. Ich setze mich, ziehe meinen Mantel enger um mich und lasse meinen Blick über die Szenerie schweifen. Die Ruhe des Parks wirkt beruhigend, und ich kann für einen Moment die inneren Kämpfe vergessen, die in mir toben.
Während ich dort sitze, zieht mein Handy in meiner Tasche meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich hole es heraus und sehe, dass ich eine Nachricht von Ryan habe. Ein kurzer Moment des Zögerns – dann öffne ich die Nachricht.
„Hey Emma, ich wollte mich nochmal für gestern Abend bedanken. Es hat mir viel bedeutet, dass wir endlich darüber gesprochen haben. Ich weiß, dass es noch ein weiter Weg ist, aber ich hoffe, dass wir es irgendwie schaffen werden.“
Seine Worte sind einfach, aber sie tragen eine Ehrlichkeit in sich, die mich berührt. Ich tippe eine kurze Antwort: „Danke, Ryan. Es hat mir auch geholfen. Lass uns sehen, wohin es führt.“
Ich schicke die Nachricht ab und stecke mein Handy zurück in die Tasche. Ein leichter Druck liegt noch auf meiner Brust, aber gleichzeitig fühle ich eine Art von Frieden, den ich schon lange nicht mehr gespürt habe. Vielleicht ist es wirklich der Beginn eines neuen Kapitels, eines, in dem wir beide auf irgendeine Weise wieder zusammenfinden können – oder auch nicht. Aber es ist ein Kapitel, das ich nicht mehr fürchte.
Ich bleibe noch eine Weile auf der Bank sitzen, bis ich merke, dass die Zeit schneller vergangen ist, als ich dachte. Der Campus ist nun deutlich belebter, und die Stille, die ich so genossen habe, weicht dem aufgeregten Stimmengewirr der anderen Studenten, die auf dem Weg zu ihren Vorlesungen und Seminaren sind.
Ich beschließe, in die Bibliothek zu gehen, um dort ein wenig zu arbeiten. Die Luft ist kühl, als ich aufstehe und mich auf den Weg mache. Es fühlt sich an, als würde die Stadt langsam zum Leben erwachen, genauso wie ich selbst nach den langen Jahren der Unsicherheit.
In der Bibliothek angekommen, suche ich mir einen Platz in der hintersten Ecke, weit weg von den anderen Studenten. Die Bibliothek ist riesig, mit hohen Decken und endlosen Regalen, die mit Büchern gefüllt sind. Hier und da stehen vereinzelt Studenten an den Tischen, einige vertieft in ihre Bücher, andere in ihre Laptops.

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second chance
RomanceEmma und Ryan waren einst unzertrennlich, bis ein schmerzhaftes Missverständnis ihre junge Liebe zerstörte. Drei Jahre später treffen sie sich unerwartet an der Universität wieder. Alte Wunden und Gefühle brechen auf, während sie versuchen, ihre Ver...