Der Nachmittag war zu einem goldenen Abend geworden, und ich schlenderte allein durch den Campus, um den Kopf freizubekommen. Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen und tauchte alles in ein warmes, sanftes Licht. Die Gedanken an Ryan schwebten weiterhin in meinem Kopf, aber ich versuchte, sie zu verdrängen und den Tag zu genießen.
Als ich die Bibliothek passierte, fiel mein Blick auf ein Plakat, das für eine „Open Mic Night“ am Freitagabend in der studentischen Lounge warb. Das klang nach einer guten Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen und eine Abwechslung vom Alltagsstress zu bekommen. Vielleicht würde es mir helfen, die Gedanken an Ryan zu vertreiben, auch wenn nur für ein paar Stunden.
Gerade als ich an der Bibliothek vorbeiging, hörte ich ein lautes Lachen und Stimmen, die mir vertraut vorkamen. Ich drehte mich zur Seite und sah Ryan zusammen mit ein paar Kommilitonen vor einem Café stehen. Sie schienen eine gute Zeit zu haben, und Ryan lächelte mehr als ich ihn seit unserer ersten Begegnung hier gesehen hatte. Irgendetwas an diesem Bild brachte mein Herz zum Rasen.
In dem Moment, als Ryan mich bemerkte, hielt er abrupt inne. Seine Augen weiteten sich leicht, und sein Lächeln verblasste. Die anderen, die ihn umstanden, bemerkten den plötzlichen Stopp und folgten seinem Blick. Ich wollte mich abwenden und unauffällig weitergehen, aber ein unkontrollierbarer Drang ließ mich stehen bleiben.
„Emma,“ rief Ryan plötzlich, und sein Ton war überraschend energisch. „Warte!“
Die anderen schauten zwischen uns hin und her, während ich mich langsam umdrehte. „Hi,“ sagte ich, bemüht, meine Stimme neutral zu halten. „Was gibt es?“
Ryan trat einige Schritte auf mich zu, und die anderen schienen sich zurückzuhalten, als ob sie nicht ganz sicher waren, wie sie sich verhalten sollten. „Ich wollte dich nicht einfach so stehen lassen. Ich dachte, vielleicht könnten wir ein bisschen reden.“
Ich war mir unsicher, wie ich reagieren sollte. Der Gedanke, mit Ryan zu sprechen, brachte eine Mischung aus Nervosität und Zorn in mir hervor. „Jetzt?“ fragte ich und sah mich kurz um, als ob ich nach einem Grund suchte, um zu fliehen.
„Ja, wenn du Zeit hast,“ antwortete er und schien sich wirklich um eine Lösung bemühen zu wollen. „Vielleicht könnten wir uns irgendwo setzen und in Ruhe sprechen.“
In diesem Moment entdeckte ich Mia in der Nähe, die mit einigen anderen Kommilitonen redete. Ein Gedanke kam mir: Wenn Mia mir zur Seite stand, könnte ich mich vielleicht sicherer fühlen, wenn ich mich auf Ryan einließ. Ich hob die Hand und winkte Mia herüber.
Mia bemerkte mich und kam schnell herüber. „Alles in Ordnung?“ fragte sie besorgt, als sie die angespannte Situation sah.
„Nicht ganz,“ sagte ich und wandte mich an Ryan. „Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann lass uns das schnell klären.“
Ryan nickte und seine Augen suchten die meinen. „Wie wäre es mit dem Café hier drüben? Es ist ruhig, und wir könnten ungestört reden.“
„Gut,“ stimmte ich widerwillig zu, und wir machten uns auf den Weg zum kleinen Café. Mia folgte uns auf Schritt und Tritt, und ich konnte den überraschten Blicken der anderen hinter uns entkommen.
Im Café setzten wir uns an einen ruhigen Tisch in der Ecke. Der Raum war gemütlich, mit sanfter Musik im Hintergrund und dem Duft von frisch gebackenem Gebäck in der Luft. Als wir uns gesetzt hatten, nahm ich einen tiefen Atemzug und versuchte, meine Gedanken zu sammeln.
„Also, was willst du mir sagen?“ fragte ich direkt und sah Ryan fest an.
Ryan setzte sich gegenüber von mir und schien über seine Worte nachzudenken. „Ich wollte dir einfach noch einmal erklären, was damals passiert ist. Vielleicht gibt es Dinge, die du nicht weißt oder falsch verstanden hast.“
„Fang einfach an,“ sagte ich und ließ meine Gedanken zur Ruhe kommen, obwohl ein Teil von mir ungeduldig war.
Ryan nickte langsam. „Als das Gerücht aufkam, dass ich mit dem Mädchen... du weißt schon, was passiert ist – es war nicht so, wie es aussah. Das Mädchen und ich hatten uns vorher nie so gut gekannt. Es war ein Missverständnis, und die ganze Geschichte hat sich nur noch weiter aufgebauscht.“
Ich schnaubte skeptisch. „Das hast du mir doch schon gesagt. Was ist jetzt neu?“
„Ich wollte dir einfach sagen, dass ich damals versucht habe, dich zu schützen,“ erklärte Ryan und seine Stimme wurde leiser. „Es war nie meine Absicht, dich zu verletzen. Aber als das Gerücht aufkam, habe ich versucht, das Ganze zu klären, und es ging einfach schief. Ich habe nicht rechtzeitig mit dir gesprochen, und das war mein Fehler.“
Mia, die neben mir saß, sah zwischen uns hin und her, als ob sie die Situation besser verstehen wollte. Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug und meine Gedanken chaotisch wurden. „Also, du meinst, du hast versucht, die Sache zu klären, aber es ist dir nicht gelungen?“ fragte ich, der Unglaube in meiner Stimme unüberhörbar.
„Ja,“ bestätigte Ryan und ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen. „Es tut mir leid, dass es so gelaufen ist. Aber ich wollte dir auch sagen, dass ich die ganze Zeit über an dich gedacht habe. Und ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihen kannst.“
„Es ist nicht nur das,“ sagte ich und kämpfte damit, meine Stimme ruhig zu halten. „Es ist auch das, was du gesagt hast. Dass du mich vermisst hast...“
Ryan sah mich an, und ich konnte die Verzweiflung in seinen Augen sehen. „Es ist wahr. Ich habe dich wirklich vermisst. Es war schwer, dich so plötzlich aus meinem Leben verschwinden zu sehen, ohne eine Chance zu haben, es richtigzustellen.“
Ich war mir nicht sicher, wie ich auf diese Offenbarung reagieren sollte. Ein Teil von mir wollte ihm glauben, aber der andere Teil war immer noch verletzt und misstrauisch. „Was soll ich jetzt tun? Glauben, dass alles gut wird?“
„Ich weiß, dass es schwer ist,“ sagte Ryan, seine Stimme klang gebrochen. „Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich bereit bin, alles zu tun, um das wieder gutzumachen. Egal, wie lange es dauert oder was es kostet.“
Ich sah ihn an und versuchte, die richtigen Worte zu finden. Der Knoten in meinem Bauch wurde immer fester, und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Schließlich drehte ich mich zu Mia um, die mich verständnisvoll ansah.
„Mia, was denkst du?“, fragte ich, und die Frage schien mehr an sie gerichtet zu sein als an Ryan.
Mia nahm einen tiefen Atemzug und schaute zu Ryan. „Ich denke, dass es wichtig ist, dass du dir Zeit nimmst, Emma. Aber ich denke auch, dass du offen für Gespräche sein solltest, um herauszufinden, was für dich das Beste ist.“
Ich nickte langsam und wandte mich wieder an Ryan. „Gut, dann sollten wir das Ganze nicht überstürzen. Ich brauche Zeit, um das alles zu verarbeiten.“
Ryan nickte, und ich konnte sehen, dass er erleichtert war, zumindest einen Schritt in die richtige Richtung gemacht zu haben. „Das verstehe ich,“ sagte er. „Und ich werde dir die Zeit geben, die du brauchst.“
Das Gespräch verlief ruhiger, und wir beendeten unsere Getränke. Während ich den Raum verließ, fühlte ich mich erschöpft, aber auch ein wenig erleichtert. Es war ein Anfang, auch wenn der Weg noch lang war.
Mia und ich verließen das Café und machten uns auf den Weg zurück zum Wohnheim. Die Gespräche zwischen uns waren jetzt leichter, und ich konnte fühlen, dass ein bisschen von der Last von meinen Schultern genommen wurde. Doch der Weg war noch lange nicht zu Ende, und ich wusste, dass ich noch viele schwierige Entscheidungen treffen musste.
Als wir am Wohnheim angekommen waren, umarmte ich Mia zum Abschied. „Danke, dass du bei mir warst,“ sagte ich aufrichtig.
„Immer,“ antwortete sie lächelnd. „Du schaffst das schon, Emma.“
Mit diesen Worten ging ich in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Die Gedanken wirbelten immer noch in meinem Kopf, doch ich wusste, dass ich heute einen kleinen, aber wichtigen Schritt gemacht hatte. Die nächste Zeit würde mir zeigen, wie es weitergeht.

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second chance
RomantikEmma und Ryan waren einst unzertrennlich, bis ein schmerzhaftes Missverständnis ihre junge Liebe zerstörte. Drei Jahre später treffen sie sich unerwartet an der Universität wieder. Alte Wunden und Gefühle brechen auf, während sie versuchen, ihre Ver...