1. In dem ich den Mond bevorzuge

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„Morgen McFlurry. Du siehst heute mal wieder scheiße aus!" Genervt schnellte mein Kopf zur Seite und ich zeigte dem liebsten der allerliebsten Nachbarn genüsslich meinen Stinkefinger. „Nicht so scheiße, wie dein Leben! Schade, dass deine Mutter als sie schwanger war dich beim Kacken in die Toilette geschossen hat!"

Nun zeigte er mir ebenfalls den Mittelfinder. Schneid ihm den Finger ab und lass ihn vor seinen Augen in einen Hexler fallen! Oder lieber ein anderes Körperteil von ihm! Riet mir meine dezent sadistische innere Stimme wohlwollend. Mit funkelnden Augen betrachtete ich ihn. In meinem Kopf ertönte eine Vielzahl an sehr detaillierten Bildern, die mir meine innere Stimme in den Kopf gepflanzt hatte.

„Babe, können wir los?" Wie aus dem Nichts kam eine vollkommen überschminkte Brünette aus dem Haus stolziert. Verstört sah ich zu, wie sie ihm einen viel zu intensiven Kuss gab. Die unangenehmen Geräusche, die diese Prozedur mit sich zog, klangen sogar bis hier rüber. Angeekelt sah ich die beiden an. Sanft drückte er sie weg, womit er den Kuss einfach abbrach, als ob sie nicht gerade dabei gewesen wären sich gegenseitig aufzufressen. „Sorry war gestern nicht so gut, vielleicht solltest du eine deiner Freundinnen anrufen, die dich abholt!" Mit offenem Mund starrten sowohl die Brünette als auch ich ihn an. Das hatte er nicht gerade ernsthaft abgezogen. „Arschloch!", kreischte sie und klatschte ihm eine. Ich war definitiv dabei ihn auszulachen. Er hatte das mehr verdient als alles andere. Mitleidig sah ich der aufgebrachten Brünetten hinterher, während sie davonrauschte. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf ihre Augen, die sich schon mit Tränen füllten. „Keine Angst du schaffst es auch noch auf diese Seite des Zauns!", rief er mir zu. Arschloch!

Genervt davon, wie mein Morgen jetzt schon wieder begonnen hat, stopfte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und stampfte zur Bushaltestelle. „Wir sehen uns in der Schule McFlurry!", hörte ich ihn mir noch hinterher brüllen, doch ich ignorierte ihn. Gott, wie ich ihn hasste. Wenn jemand nach stereotypischer ekelhafter Maskulinität suchen sollte, kann die Person umgehend bei Xander Lockwood vorbeischauen und ihm dabei gerne in die Eier treten. Seine Art, die ich leider viel zu oft miterleben durfte, war einfach das Letzte.

Ich war nur froh, dass er anders als ich wenigstens schon ein Auto besaß und ich nicht auch noch Bus mit ihm fahren musste. Quietschend kam der Bus vor mir zum Stehen, weshalb ich kurz mein Spiegelbild in der gläsernen Bustür betrachtete. Meine Haut war bleich, meine braunen Haare zu einem unordentlichen Knoten hochgebunden und ich trug meine Baggy Hose, mit einem engen schwarzen Top und einem ebenso Baggy Hemd drüber.

Ich war mir unsicher, ob ich mich selbst jetzt hübsch fand, oder nicht. Das kommt meistens auf meine Laune und meinen Hautzustand an.

Entspannt stieg ich in den Bus, der mich zur Schule brachte, einfach nur froh, dass ich der ekelhaft grinsenden Visage meines werten Nachbarn so schnell entfliehen konnte. Noch während der Fahrt fing es an, wie aus Kübeln zu gießen, weshalb es kaum verwunderlich war, dass der Pausenhof wie leergefegt war. Meine Mitschüler, die mit mir gefahren waren, stürmten überstürzt zum Schulgebäude, um dem Regen zu entkommen. Ich dagegen zog mir entspannt meine Cap auf und schlenderte ihnen hinterher. In den Schulgängen dagegen tummelten sich die Schüler in Massen. Mühevoll kämpfte ich mich zu meinem Spind, wobei ich sicherlich mehr als einem auf den Fuß latschte.

„McKenzie!" freudig hüpfend kam meine beste Freundin auf mich zu und wir umarmten uns stürmisch. Ihre Haare peitschten mir ins Gesicht und ihr süßlicher Duft stieg mir in die Nase. Sie war mein ein und alles. Ihre warmen Schokoladenaugen starrten mich zufrieden an. „Morgen Ruth", grinste ich sie an.
Fast sofort kamen auch unsere anderen Freundinnen zu uns. Lia viel mir auch gleich um den Hals. Sie war unsere Partygängerin und schon fast berühmt-berüchtigt für ihren freizügigen Kleidungsstil. Was sollte man sagen? Sie fühlte sich wohl in ihrem Körper und hatte auch allen Grund dazu. Lia war groß, schlank und sah mit ihren blauen Augen und langen dunkelblonden Haaren einfach umwerfend aus. Aniston dagegen war eher schüchtern und zog sich meistens eher süß an. Sie begrüßte mich auch kurz, doch entgingen mir die Blicke nicht, die sie immer wieder Lia zuwarf.

„Leute, wir müssen am Samstag unbedingt auf die Party von Johnson. Die soll richtig fett werden!", rief Lia aufgeregt und lächelte uns strahlend an. Wir reagierten alle unterschiedlich. Aniston verzog das Gesicht, ich nickte und Ruth begann zu lachen. „Ein Traum. Aniston verzieht sich dann auf die Toilette, ich breche mir beim Tanzen den Hals, McKenzie wird von Xander belästigt und nur du hast deinen Spaß!" Lia fing breit an zu grinsen. „Du hast es erfasst liebe Ruth!", lachte sie.

Meine Stimmung hatte sich dagegen augenblicklich verdüstert. „Xander Lockwood kann mir gestohlen bleiben. Der soll ruhig mal jemand anderen nerven!", rief ich erzürnt. „Er hats halt nie verkraftet, dass du ihm vor der ganzen Schule damals zur Schnecke gemacht hast!", grinste Ruth. An den Gedanken daran kam schlagartig auch mein Grinsen zurück. „Aber nur weil er dir und Lia das Herz gebrochen hat. Ich habe das nur für dich und alle Mädchen, die er verarscht hat, gemacht!", verteidigte ich mich.

„Wenn er nur nicht so heiß wäre!", schmollte Lia. Aniston sah bedrückt weg. Sie sah immer bedrückt weg, wenn Lia sowas sagte. Ruth und ich wussten wieso, jeder der Augen im Kopf hat wusste wieso, alle außer Lia.

„Er kann so heiß sein, wie er mag, er ist trotzdem ein Arschloch", sagte ich verbittert. Ich hatte schon früh ein Xander Lockwood förmiges Loch in meinem Hinterkopf erschaffen, in das ich regelmäßig alle meine bösen Gedanken hineinstopfe. „Hat mich da gerade jemand als heiß betitelt?", fragte eine tiefe Stimme hinter mir. Wenn man vom Teufel spricht.

Ruths Blick verriet mir sofort wer da hinter mir stand, auch wenn ich ihn eigentlich schon an seiner tiefen und übertrieben selbstgefälligen Stimme erkannt habe. „Wenn du am Samstag zur Party kommst, kann ich dir gerne zeigen, wie heiß ich bin, McFlurry!" Ich rollte genervt mit den Augen und drehte mich um. Lockwood alias Xander grinste schelmisch zu mir runter, wobei er seine geraden weißen Zähne mit einem minimal schiefen Grinsen entblößte. Seine Augen funkelten in einem warmen Goldton und die kleinen Sommersprossen auf seiner Nase rundeten alles noch zusätzlich ab. Lia hatte recht. Er war heiß, leider war er ein Vollidiot.

„Nenn mich nicht McFlurry, Lockwood!" Ich nannte ihn immer beim Nachnahmen, weil die Vornamen-Base definitiv zu viel des Guten wäre. „Wenn du die Nerdkleidung ausziehst und ein bisschen mehr rumläufst wie Lia, kannst du dich gleich an meinen Nachnamen gewöhnen!" „Wenn das heißt ihn auf deinen Grabstein zu meißeln, gewöhne ich mich gerne daran!" Er lachte und fuhr sich dabei elegant durch seine verstrubbelten schwarzen Haare. Sein lächeln, seine fließenden Bewegungen, die Art wie seine goldenen Augen funkelten, brachte die Frauenwelt regelmäßig zum Seufzen. Ich dagegen verdrängte die Tatsache, dass er gut aussah, geflissentlich und starrte ihn definitiv nicht seufzend in Grund und Boden.

„Solange du dich dann auf der anderen Seite der Welt begräbst, ist mir alles recht!", sagte er provozierend. „Das ist mir zu nah, da bevorzuge ich den Mond!" Ohne Umschweife ging ich an ihm vorbei und rempelte ihn dabei möglichst fest an der Schulter an.

Die Frau, die ihn mal heiratet, tut mir leid!

HeartbreakerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt