28. In dem Jace nicht gut genug ist

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Kleine Stromschläge blitzten durch meinen Körper. Jeder einzelne von ihnen entstammte aus unseren verschränkten Händen. Aus seinen langen Fingern, die sich mit meinen eigenen verschlungen hatten. Eine leichte Hitzewelle, die bis lang tief in meinem inneren gewesen war, bahnte sich urplötzlich ihren Weg bis hin zu meiner obersten Hautschicht. Ich fing an zu glühen. Erleichtert atmete ich auf, als uns die frische Luft entgegenströmte. Nach dem stickigen Haus war es, als würde sie unsere Lungen fluten. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie schlecht ich innen wirklich atmen konnte.

Als ich mich wieder zu Lockwood umdrehte, zog ich seufzend ein Taschentuch aus meiner Tasche. Unsicher ging ich auf ihn zu und hob langsam das Taschentuch. Ich gab ihm Zeit, meine Hand aufzuhalten, doch das tat er nicht. Also hielt ich es vorsichtig gegen seine Nase und ließ es das hervorquellende Blut aufsaugen. „Wieso?", fragte ich vorsichtig. Wieso sollte man sich freiwillig schlagen lassen wollen?

Sein Blick verschmolz mit meinem, als er mir tief in die Augen sah. So golden. Hin und wieder sahen seine Augen aus wie dunkler Honig, manchmal wie flüssiges Karamell und dann wieder wie dunkles Gold. Sie konnten so warm und gleichzeitig so kalt sein. Und egal was sie gerade waren, sie brachten meine Haut immer wieder aufs Neue zum Kribbeln. „Du weist wieso!", entgegnete er. Seine Stimme hatte definitiv einen aufgebrachten Unterton. Außerdem war sie rauer als sonst. Ich schüttelte den Kopf. Wenn ich wüsste, was in seinem Kopf abgeht, würde ich doch auch nicht so dumm fragen.

Mit festem Griff umfasste er mein Handgelenk und ließ es sinken. Eindringlich sah er mich an. „Jace ist nicht gut genug für dich!", sagte er aufgebracht. Verdutzt starrte ich ihn an. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. „Und wieso das jetzt genau?", fragte ich teils verwirrt teils angepisst. Erst küsst er mich, korbt mich anschließen und jetzt will er mir sagen, wer gut genug für mich ist? Das soll doch wohl ein schlechter Witz sein.

„Weil er ein Arschloch ist!", seine Stimme wurde lauter und der Griff um mein Handgelenk verfestigte sich noch weiter. Es ging sogar schon so weit, dass es zu schmerzen begann. Energisch riss ich mich von seinem Griff los. „Und deswegen lässt du dich von irgendeinem dahergelaufenem Typen schlagen?", fragte ich entgeistert. Er hatte wirklich nicht mehr alle Teebeutel im Teeschrank. „Ich habe mich schlagen lassen, weil du verdammt nochmal nicht aus meinem Kopf gehst! Du bist einfach überall! Wenn ich aufwache, wenn ich einschlafen will, wenn ich im Unterricht nicht aufpasse. Und dann muss ich sehen, wie du dich auf so ein Arschloch einlässt. Du bist viel zu gut, für ihn, verdammte scheiße!"

Mit geweiteten Augen sah ich ihn an. Und es traf mich wie ein Schlag. Aniston hatte recht. Lockwood mochte mich. Das Gefühl, das sich in mir breit machte, konnte ich beim besten Willen nicht einordnen. Verwirrung, Erleichterung, Zorn. Keine Ahnung. Meine Gefühle waren wie ein Orkan, der einen sanften Seegang in einen Wirbelsturm verwandelte. Unberechenbar und nicht zu besänftigen. Es war nicht nur eine einzige Emotion, die meinen Atem verschnellerte. Es waren hunderte. Irgendwie fühle ich mich von allen Liebesromanen, die ich jahrelang verschlungen habe, betrogen. Man hat nicht nur Gefühle leichter Verwirrung und großer Freude. Es war so viel mehr. Und es war auch nicht alles positiv. Einiges war auch düster und versetzte mir einen Stich. Die Erinnerungen versetzten mir Stiche, während die Gegenwart versuchte die Stiche zu verhindern. Es war ein Spiel und es gab keinen Gewinner.

Vor mir stand ja nicht irgendwer. Vor mir stand Lockwood. Vor mir stand der Heartbreaker. Er hatte vielen schon einiges weiß gemacht. Ich will jedoch keine von ihnen sein! „Aber wieso hast du nach unserem Kuss so reagiert? Du hast mir das Gefühl gegeben, dass ich irgendwas falsch gemacht habe, oder dass du es sogar nicht gemocht hast! Wieso hast du mir damals das Wasser über den Kopf gekippt und wieso verdammte Scheiße hast du dann ausgerechnet an meinem Spind mit einer anderen geknutscht? Wie soll ich denn da wissen, ob du es ehrlich meinst, oder ob ich nur eine von vielen bin?"

Lockwood sah betreten weg. Ja, es verletzte ihn, doch wenn das was werden sollte, dann musste er mir das beantworten. Die Liste seiner gebrochenen Herzen war zu lange, um auf Risiko zu gehen. „Ich weiß es nicht. Ich verstehe mich ja selbst nicht mal!"

Enttäuscht sah ich weg. Er weiß es selbst nicht. Mir wurde schlagartig klar, dass ich auf mehr gehofft hatte. Doch er kannte die Antwort selbst nicht. „Dann solltest du das rausfinden", sagte ich daher und ließ ihn draußen stehen.

HeartbreakerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt