Mies gelaunt verschanzte ich mich in meinem Zimmer. Da dieses Familienproblem zu groß war, um totgeschwiegen zu werden, hatte meine Mum meinen Dad angerufen. Ich vermisse die Zeit, wo ich die Existenz diverser Familienmitglieder problemlos leugnen konnte.Die dreißig Minuten, die mein Vater bislang hier war, verschwendete er bereits wertvollen Sauerstoff mithilfe seiner bloßen Anwesenheit. Leise öffnete ich die Tür. Hoffentlich waren sie nicht in der Küche. Ich hatte nämlich fett Hunger und alles andere als Lust, ihm versehentlich über den Weg zu laufen.
Wie Kim Possible schlich ich mich in Richtung Küche. Erleichtert aufseufzend stellte ich fest, dass ihre Stimme aus dem Wohnzimmer und somit außer Reichweite kamen. „Ernsthaft? Du willst ihn treffen?", fragte mein Vater aufgebracht. Augenblicklich blieb ich stehen. Er meinte doch nicht...?
„Er ist kein Teil unserer Familie mehr! Schon allein was er dieser Familie angetan hat!" Ich konnte hören, wie meine Mutter wütend schnaubte. Sie war außer sich. „Das sagt der Richtige. Wir haben diese Familie schon lange vor ihm zerstört. Er wurde nicht so geboren!" Sie war eindeutig am Weinen. Sie gab sich die Schuld an allem. Am liebsten wäre ich dort reingerannt und hätte sie in den Arm genommen, doch dann wüssten sie, dass ich gelauscht hatte.
„Ich werde alles dafür tun, um McKenzie aus dieser Sache rauszuhalten! Aber ich werde ihn nicht verstoßen. Ich habe ihn schon einmal im Stich gelassen. Er ist mein Sohn und ich will ihm helfen, das Richtige zu tun." Mein Vater seufzte. „Du hast ja recht. Aber glaubst du nicht, dass es dafür schon zu spät ist?"
Zorn durchflutete mich. Typisch. Mando Keene war ja auch der Experte dafür, seine Familie einfach im Stich zu lassen, sodass es ja nicht zu kompliziert wird. Jetzt reichts. Lauschen hin oder her. Mit Schwung trat ich ins Wohnzimmer. Mein Vater, ein hagerer Riese, blickte mich erstaunt an. Seit ich ihn das letzte Mal vor Jahren gesehen hatte, waren seine Haare schon schütterer geworden. Auch hatte er mehr Lachfältchen bekommen und er war insgesamt einfach älter. Die stechend grünen Augen waren jedoch dieselben geblieben.
„Wenn du dir sicher bist, dann will ich, dass du das machst, Mum." Meinen Vater beachtete ich dabei nicht. Er konnte mir gestohlen bleiben. Die Tatsache, dass er erst angefangen hatte sich bei mir zu melden, geschweige denn sich überhaupt für mich zu interessieren, nachdem die Gewalttaten meines werten Bruders rauskamen, zeigte doch nur, was für ein Feigling er war. Davor hatte es ihn nur gekümmert, dass wir ihm nicht auf die Nerven gingen. Aber sobald wir interessant genug wurden, um seiner Aufmerksamkeit würdig zu ein, ja dann kam er angekrochen. Er war zu Feige gewesen einem normalen Alltag in dieser Familie entgegenzusehen.
Dafür hatte er ja seine neue Frau Hayley und seine Zwillingsöhne. Sie waren acht und ich hatte sie bis lang noch nie kennengelernt. Auch wenn ich wusste, dass sie nichts dafürkonnten, hatte ich Angst davor, weitere Brüder von mir kennenzulernen. Eine Chance hatten sie trotzdem verdient.
„Das muss dann aber irgendwo geschehen, wo er nicht an dich herankommt!" Der Blick des Mannes, der mir so fremd war, ließ keinen Wiederspruch zu. Nickend stimmte ich ihm zu, wobei er seine dürren, angespannten Schultern fallen ließ. Vermutlich hatte er erwartet, dass ich am Ende noch mitkommen möchte, um Cedric zu treffen. Doch sowas würde ich vermutlich niemals machen können.
Ohne noch ein weiteres Wort ließ ich sie zurück und verschwand diesmal endgültig in der Küche, um mir ein Sandwich zu machen. Mein Magen knurrte immer noch lauthals.Eine der alten Holzdielen knarrte, sobald mein Vater eintrat. Er bückte sich leicht, um seinen Kopf vor einem unschönen Zusammentreffen mit dem quer hängendem Holzbalken zu bewahren. „McKenzie?", fragte er unsicher. Vermutlich wollte er damit verhindern, dass ich gleich aus dem Fenster sprang.
Stumm sah ich ihn an, ohne mich nur ein Stück zu bewegen. Das nahm er offenbar als okay zum weiterreden war. „Ich wollte dir sagen, wie leid mir das alles tut", fing er an, doch ich unterbrach ihn. „Das tat es dir auch schon vor zehn Jahren." Diese schnippische Antwort ließ ihn verstummen. Bedrückt sah er mich an. Sein Blick war mir unangenehm. „Wie geht es Cole und Quentin?", fragte ich, um die unangenehme Stille zu unterbrechen.
Alles, was ich von meinen kleinen Zwillingbrüdern wusste, war, dass sie acht waren, wir denselben Nachnahmen teilten und ihre Namen. Die Mundwinkel meines Vaters zogen sich leicht in die Höhe und seine Augen begannen zu glitzern. „Unruhestifter beschreibt sie nicht mal annähernd." Ein leichtes Lachen konnte ich mir nicht verkneifen. Wir waren wohl ohne Zweifel miteinander verwandt. „Hast du ein Foto von ihnen?"
Lächelnd nickte er und drückte auf seinem Handy herum. Verblüfft starrte ich darauf. „Die kann man ja nicht auseinanderhalten!" Auf dem Foto waren zwei kleine Jungs abgebildet. „Die haben ja sogar die gleiche Zahnlücke!" Mein Vater lachte laut auf. „Da waren sie sechs. Als Quen sein Zahn ausgefallen ist, waren sie total traurig, dass sie sich nicht mehr füreinander ausgeben konnten. Also haben sie Coles Zahn an eine Schnur gebunden und das andere Ende an eine Tür. Zum Glück war er bereits locker!" Mit aufgerissenen Augen starrte ich sie an.
Mit der gleichen Zahnlücke grinsten sie fröhlich in die Kamera. Ihre Haare waren kohlrabenschwarz und ihre Augen leuchtend grün. Eine faszinierende Mischung. Und ihr Grinsen war einnehmend. Mich würde es nicht wundern, wenn sie jede Omi in ihrer Nähe verzauberten.
„Letztens haben sie eine Band gegründet. Cole spielt E-Gitarre und Quentin spielt Schlagzeug. Der Lärm ist grauenvoll!" Diesmal stimmte ich in sein Lachen mit ein. Mit warmen Blick sah er mich an. Auch wenn es komisch war, fühlte es sich irgendwie schön an, so mit ihm zu reden. „Sie würden ihre große Schwester bestimmt gerne mal kennenlernen", sagte er fröhlich. „Genau wie ich", fügte er noch etwas leiser hinzu.
Und dann tat ich etwas, was ich nicht erwartet hätte. Ich nickte.
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Heartbreaker
RomanceHeartbreaker. Einen Namen, den Xander Lockwood sich mehr als verdient hat. Die halbe weibliche Schulbevölkerung hat er bereits mit seinem Charme um den Finger gewickelt. Einzig und allein seine Nachbarin McKenzie, die angepisst ist, dass er die Herz...