22* Der Wolf in mir

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Ich verstand nicht warum sie darum so einen großen Aufstand machten.Ich schloss auf und plötzlich wurde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich flog hinab, schreiend, bis ich im Arm von Mikhail lag. Er grinste mich an und gab mir einen Kuss auf den Mund.

Ich wehrte mich nicht gegen ihn, ich fand es toll. Und den Schreck von vorhin hatte ich auch ganz vergessen. Dann ließ er mich auf dei Füße sinken und ging auf die andere Seite des Raumes.

"Wie gehts dir heute, Cherie? Du warst so schnell weg heute.", sagte Mikhail während ich mich im Raum umsah. Er war riesig, dunkel und so leer. Auf der Seite wo Mikhail stand, lag jemand am Boden. Und da wurde mir klar, dass Vanica nicht gelogen hatte. Es bestand die Möglichkeit, dass ich jemanden umbringen könnte. Schon wieder.

Meine Hände wurden kalt. Ich wurde blässer.

Muss das sein? "Ich hatte noch etwas zu tun. Außerdem kann ich mich nicht erinnern mit dir ins Bett gegangen zu sein.", sagte ich und versuchte meine Stimme nicht zittrig klingen zu lassen. Mikhail fasste sich an die Krawatte und drehte sich zu mir um.

"Du wolltest doch nicht auf der Couch schlafen, Darling. Außerdem sind wir zusammen, oder?", als er das sagte, sah er mir tief in die Augen. Sie waren so schön. "Ja sind wir... wir sind zusammen. Danke, dass du daran gedacht hast. Ich brauche den Schönheitsschlaf. Nur auf dieser Matratze kann ich schlafen.", plauderte ich wie ausgewechselt.

"Genau... du bist die Schönste.", sagte Mikhail und berührte meine Hand. "Nun komm, der Vollmond steht gleich am höchsten Punkt. Nimm meine Hand und denk daran, dass ich die ganze Zeit bei dir bin... aber dich nicht aufhalten werde."

"Das weiß ich doch." Ich war überzeugt davon, mein Monster zurückzudrängen und damit Mikhail stolz zu machen. "Ich spüre es...", sagte ich aufgeregt.

"Gut, lasse es zu. Verwandle dich.", sagte er. Ich spürte den Vollmond, als ob er direkt über meinem Kopf schweben würde. Mir wurde übel. Als ich wieder an meine schaute, sah ich einen Wolf, statt Mikhail. Nur noch seine Augen erinnerten mich an ihn. Er war ein Wolf, ganz und gar nicht blutrünstig. Der Wolf legte seine Schnauze auf meine Hand und setzte sich dann an den Rand des Raumes.

Nun musste ich alleine damit fertig werden. Und ich wusste wenn das vorbei war, würde mich Mikhail in die Arme nehmen und mich küssen. Bei diesem Gedanken fing mein Herz an zu hüpfen. In seiner Nähe konnte ich ihm nicht wiederstehen. Wie schon bei der 1. Verwandlung fing mein Körper an höllisch weh zu tun. Nur dieses Mal waren die Schmerzen noch mehr.

Meine Füße schmerzten , als ob jemand sie abtrennen würde und ich fiel zu Boden auf meine Knie. Ich schrie und schrie. 

Lass es zu! ,schallte es in meinem Kopf. Mikhail versuchte mich aufzubauen, aber die Schmerzen waren stärker, sodass ich die Stimme verdrängte. Der Schmerz breitete sich weiter aus, bis zu den Knien, eine Weile später bis zum Bauch. In mir brodelte ein Feuer und ich konnte nichts dagegen tun. Mit Tränen im Gesicht ließ ich mich vollständig zu Boden gleiten und krümmte mich. Jede Sekunde wurde zur Qual. Jede Sekunde wurde der Schmerz mehr. Es breitete sich bis zu meinem Hals aus, sodass ich fast keine Luft mehr bekam. Ich konnte nicht mehr, doch dann wurde es noch schlimmer. Ich hörte meine Knochen brechen, und sich neu zusammenfügen.

Ich schrie bei jedem Knacken, fühlte mich so schrecklich wie nie zuvor und entwickelte mich immer weiter zum Wolf. Jedes einzelne Haar, dass dazu kam stach wie tausend kleine Nadelstiche. Es dauerte Stunden. Stunden musste ich die Qualen erleiden bis es plötzlich stoppte und ich heiser und erschöpft zu Boden sank. 

Der Schmerz war so schnell weg wie er gekommen war und ich war unheimlich erleichtert. Ich keuchte und versuchte wieder aufzustehen. Dieses Mal mit allen vier Pfoten. 

"Gut, Chérie. Bleib ruhig. Ich bin bei dir. Lass dich nicht von deinem Monster besiegen..." Mikhail hatte ich total vergessen, doch seine Stimme ließ mich wieder erinnern. Ich machte meine Wolfsaugen auf und sah hervorragend. Meine Umgebung war so messerscharf, dass ich gar nicht glaubte was meine Augen da vollbrachten. Ich sah Mikhail noch genau da sitzen wo er vorher auch gesessen hatte. Als ich meinen Blick weiter schweifen ließ, sah ich den Menschen, der bewusstlos auf dem Boden lag. Ich sog die Luft um mich herum ein und konnte dem Duft einfach nicht wiederstehen. Das Monster in mir versuchte sich einen Weg an die Oberfläche zu bahnen. Es war stark und so verführerisch. Es flüsterte mir schöne Worte zu und es kam immer näher. Ich durfte die Kontrolle über mich nicht verlieren, es war mein Körper. Der ganze Raum roch so gut nach Menschenfleisch und Blut und als ich die Augen schloss, übernahm mich die Bestie und ich wurde wütend.

Ich sah nur noch rot und wollte fressen. Mein Monster steuerte mich näher an den Menschen. Es gab kein Halten mehr. Ich wollte töten. Jetzt und hier. Bis eine Stimme erklang. Wieder die von Mikhail. 

"Seleen, ich glaube an dich. Du darfst dich nicht einnehmen lassen. Wenn du das Monster jetzt zulässt, wird es dich für immer kontrollieren. Seleen, das bist du nicht. Kämpfe dich frei. Schließe das Böse in dir hinter Gitter!"

Irgendetwas in dieser Stimme ließ mich aufhorchen, doch ich wusste nicht wie ich mich kontrollieren konnte. Ich kam dem Menschen näher. Strengte mich an wieder meinen Willen zu bekommen. Ich führte einen Kampf in meinem Kopf, den nur einer gewinnen konnte und das wollte ich sein. Ich dachte so stark daran, dass ich, ich selbst bleiben sollte. Immer mehr strengte ich mich an und das Monster wurde schwächer. Ein kleines bisschen, doch es war noch zu wenig. 

"Seleen, du schaffst es. Ich liebe dich." Diese Worte gaben mir Kraft. Noch nie hatte mir jemand gesagt, dass er mich liebte. Es löste in mir ein Glücksgefühl aus, dass ich nicht beschreiben konnte. Das Monster in mir zog sich vor Grauen zurück und wurde plötzlich still.

Ich drängte es in ein Gefängnis in meinem Bewusstsein und schaute völlig neutral in die Augen eines kleinen Mädchens, dass vor Angst wimmerte. Es hatte vor mir Angst und es tat mir plötzlich so unheimlich leid, dass ich der Grund dafür war. Wie hätte ich dieses arme Ding umbringen können? Ich musste mich sammeln und verspürte keine Lust mehr sie zu fressen. Dann atmete ich langsam aus und ging davon.

Mondlicht SchimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt