Kapitel 8

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In den darauffolgenden Tagen war die Verbindung zwischen Sami und Nathan eine dünne, zerbrechliche Brücke. Sie überquerten sie gemeinsam, Schritt für Schritt. Sami spürte die ungewohnte Nähe wie eine warme Hülle. Doch, Zweifel nagten an ihm. Sie drängten ihn an den Rand seiner neu gewonnenen Sicherheit. Er wollte sich Nathan hingeben, ihm vertrauen. Doch, bei jedem Näherkommen, flackerte die alte Angst in ihm auf.

Nathan selbst wirkte distanziert, als trüge auch er eine Last, die er kaum ausdrücken konnte. Sami bemerkte, dass Nathans Blick abwesend war. Ein Hauch von Unsicherheit schimmerte immer wieder durch. Er fragte sich oft, ob Nathan bereit war, jemanden zu lieben. Konnte er Sami die Liebe erwidern, die er sich so sehr wünschte?

Eines Abends, als sie bei Nathan zum Kochen waren, bemerkte Sami, dass sein Telefon mehrmals vibrierte. Bei jeder neuen Nachricht huschte ein Schatten über Nathans Gesicht. Sami verspürte ein Ziehen in seiner Brust. Es war eine Eifersucht, die er kaum eingestehen wollte. Schließlich nahm Nathan das Handy, schrieb eine kurze Antwort und seufzte dann, als er es beiseitelegte. Doch das leise Flüstern der Eifersucht verstummte nicht.

„Wer schreibt dir eigentlich die ganze Zeit?" fragte Sami schließlich, etwas schärfer, als er wollte.

Nathan zögerte, die Stirn leicht gerunzelt, bevor er antwortete. „Nur ein Kollege, der etwas zum neuen Buch wissen wollte."

„Ein Kollege?" Sami verschränkte die Arme, eine leichte Kälte in seiner Stimme. „Du wirkst sehr... abwesend, wenn er dir schreibt."

Nathan sah ihn überrascht an, und ein Hauch von Abwehr spiegelte sich in seinem Blick. „Was soll das heißen? Es ist nur Arbeit, Sami."

„Es ist nicht nur das", entgegnete Sami. Die Worte brachen fast unkontrolliert aus ihm heraus. „Seit Tagen bist du anders... ich weiß nicht, distanziert. Als ob du gar nicht hier wärst."

Nathan seufzte, rieb sich die Schläfen und schüttelte den Kopf. „Vielleicht, weil es nicht immer leicht ist, Sami. Vielleicht, weil ich mir selbst nicht sicher bin, wie ich das hier alles angehen soll."

„Was meinst du damit?" Samis Herz pochte schneller. Die Angst, die tief in ihm nagte, kehrte zurück. Er fürchtete, dass Nathan irgendwann aufgeben würde, wie alle anderen zuvor.

Nathan sah ihn lange an, und schließlich brach er das Schweigen. „Ich... ich weiß nicht, wie ich jemanden wirklich lieben soll, Sami. „Das ist etwas, was ich nie wirklich... gelernt habe." Seine Stimme war leise, fast schuldbewusst. „Jedes Mal, wenn ich jemanden an mich herangelassen habe, war es... oberflächlich, fast wie eine Abmachung." Ich habe nie zugelassen, dass jemand in mein Leben eindringt. Dass jemand so nahekommt."

Sami spürte einen Schmerz. Er verwandelte seine Eifersucht in eine Mischung aus Unsicherheit und Enttäuschung. „Also, was bin ich dann für dich, Nathan? Eine weitere Abmachung? Etwas, das du ausprobieren willst, weil du es sonst nicht kennst?"

„Das habe ich nicht gesagt." Nathan klang gereizt. Seine Geduld hing an einem seidenen Faden. „Warum tust du das immer, Sami? Warum zweifelst du ständig? Warum gehst du immer davon aus, dass ich dich nur verletzen will?"

„Weil ich dir nicht vertraue, Nathan!" Sami war für einen Moment selbst erschrocken. Die Worte waren so scharf, so ungefiltert. „Ich weiß nicht, ob du mir dasselbe gibst, was ich dir gebe. Du bist so schwer zu greifen, so... distanziert. Und ich kann das nicht noch einmal durchmachen. Ich kann nicht schon wieder hoffen und dann enttäuscht werden."

Nathan stand nun auf, die Hände in die Hüften gestemmt, und seine Augen blitzten vor Frustration. „Und glaubst du, für mich ist das hier einfach? Glaubst du, ich kann einfach von heute auf morgen wissen, wie das funktioniert? Ich versuche, Sami. Ich versuche, dir das zu geben, was du brauchst, aber du lässt mir nicht einmal die Chance!"

Die Worte hallten wie ein Echo durch den Raum. Sami spürte, wie die Kluft zwischen ihnen immer tiefer wurde. Die Eifersucht, die Angst, die Zweifel. Alles in ihm kochte. Es überwältigte ihn und die Verzweiflung stieg in ihm auf.

„Vielleicht" begann er zögernd. Die Worte kamen kaum über die Lippen. „Vielleicht wollen wir etwas, das wir beide nicht geben können." "Vielleicht bist du nicht der Mensch, den ich brauche. Und vielleicht bin ich der, der dir zu viel abverlangt."

Nathan senkte den Kopf, und für einen Moment dachte Sami, er würde einfach gehen. Doch dann hob Nathan den Blick. In seinen Augen lag etwas Verletzliches, das Sami noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte.

„Ich will es nicht verlieren, Sami", sagte Nathan leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Ich weiß, ich bin nicht perfekt. Ich weiß, dass ich dich verletze, weil ich selbst so unsicher bin. Aber ich will es versuchen... ich will versuchen, zu lieben. Und ich weiß nicht, ob es mir gelingt, aber ich will es für dich versuchen."

Sami spürte, wie ein leises Beben durch seinen Körper ging. Die Worte, die Nathan gesagt hatte, erweichten ihn. Eine Hoffnung, die er fast aufgegeben hatte, keimte. Doch die Angst war immer noch da, wie ein Schatten, der drohte, jede Chance auf Glück zu verschlingen.

„Ich habe auch Angst", gab Sami schließlich zu, seine Stimme zitterte leicht. „Ich weiß nicht, wie man so jemandem wie dir vertrauen soll. Jemandem, der nicht einmal weiß, was er will."

Nathan nickte langsam, und ein leises, trauriges Lächeln spielte um seine Lippen. „Vielleicht... vielleicht müssen wir das einfach herausfinden. Vielleicht ist es das Einzige, was wir tun können."

Sami sah ihn lange an. Schließlich spürte er, wie der Druck in seiner Brust nachließ. Eine leise, vorsichtige Zuversicht stieg in ihm auf. Beide waren fehlerhaft, ängstlich und unsicher. Doch, vielleicht, gab es einen Weg, den sie gemeinsam finden konnten.

„Also... was jetzt?" fragte Sami schließlich, und ein schwaches Lächeln spielte um seine Lippen.

Nathan zuckte die Schultern. Auf seinem Gesicht waren Erschöpfung und Erleichterung. „Wir versuchen es einfach. Wir lassen es auf uns zukommen und nehmen es Tag für Tag."

Sami nickte langsam. Als Nathan vorsichtig eine Hand nach ihm ausstreckte, zögerte er nicht länger und nahm sie.

Whisper of the ScarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt