Kapitel 14

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Sami lehnte sich gegen Nathans Schulter, fühlte die Wärme, die Ruhe, die in dieser Umarmung lag. Es war, als würde die Welt um sie herum für einen Augenblick stillstehen. Er wollte für einen Moment das Gewicht, das ihn belastet hatte, ablegen. Er wusste, dass er noch weit von seinen Ängsten entfernt war. Aber in diesem Moment, in Nathans Armen, fühlte er sich so sicher wie nie zuvor.

Sie standen eine Weile schweigend da, keiner wollte die Stille durchbrechen. Schließlich löste sich Nathan sanft aus der Umarmung. Er legte eine Hand auf Samis Schulter und sah ihm tief in die Augen. „Komm", sagte er leise. „Es ist kalt, und ich glaube, wir müssen reden."

Sami nickte stumm, ließ sich von Nathan führen, während sie zusammen zu seinem Apartment gingen. Die Stille zwischen ihnen war jetzt nicht mehr unangenehm, sondern voller unausgesprochener Worte. Sami spürte, wie sich seine Anspannung löste, als sie das warme Zimmer betraten. Nathan schenkte ihm ein warmes Lächeln. Er war endlich bereit, sich zu öffnen.

Nathan stellte zwei Tassen Tee auf den kleinen Couchtisch und setzte sich ihm gegenüber. Sein Blick war fest. Doch, ein Hauch von Unsicherheit lag darin, den Sami nicht deuten konnte.

„Sami", begann Nathan schließlich, seine Stimme klang leise und ernst. „Es gibt etwas, das ich dir sagen muss." Er hielt kurz inne, als ob er seine Worte sorgfältig wählte. „Ich wollte dir das schon früher sagen, aber ich wusste nie genau, wie... oder ob es überhaupt der richtige Zeitpunkt war."

Samis Herz begann schneller zu schlagen. Er spürte, dass etwas Bedeutendes in der Luft lag, etwas, das alles verändern könnte. Er nickte langsam, traute sich kaum zu atmen. „Was ist es, Nathan? Du kannst mir alles sagen."

Nathan zögerte. Seine Hände umklammerten die Tasse fester. Sami sah das Zittern seiner Finger. „Ich habe dir nicht die ganze Wahrheit über mich erzählt", sagte er schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Es gibt... Dinge aus meiner Vergangenheit, die ich dir nicht gesagt habe. Dinge, die ich selbst lange verdrängt habe und die für mich nicht einfach sind."

Sami sah ihn verwirrt an. „Was meinst du? „Was hast du mir nicht erzählt?" Ein Unbehagen breitete sich in ihm aus. Doch, er schob es beiseite und wollte Nathan die Chance, zu erklären.

Nathan atmete tief durch, bevor er fortfuhr. „Vor einigen Jahren war ich in eine Beziehung verwickelt, die... kompliziert war. Es ging über Liebe hinaus, und es gab Abhängigkeit, Schmerz und... Dinge, die ich damals nicht begriffen habe. Diese Beziehung endete in einem Bruch, der mich tief getroffen hat. "Danach habe ich vieles in meinem Leben in Frage gestellt. Das Schreiben half mir, all das zu verarbeiten."

Sami nickte langsam. Er versuchte, das Gehörte zu verstehen. Doch, er fühlte, dass Nathan ihm noch nicht alles gesagt hatte. „Und was hat das mit uns zu tun, Nathan?"

Nathan hob den Blick, und Sami konnte die tiefe Reue in seinen Augen sehen. „Sami, ich weiß, dass ich dir gesagt habe, dass ich keine Geheimnisse vor dir habe. Aber das stimmt nicht. Nach dieser Beziehung habe ich versucht, den Schmerz zu betäuben. Ich habe Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin. Diese andere Person... hat mich nicht losgelassen. "Sie hat Dinge aus meinem Leben veröffentlicht. Ich wurde bloßgestellt."

Sami fühlte, wie sich ein kalter Kloß in seinem Magen bildete. „Du meinst, jemand... hat dein Vertrauen ausgenutzt?"

Nathan nickte. „Ja. Und seitdem lebe ich in der Angst, dass es wieder passiert. Dass ich jemandem vertrauen könnte, der mich am Ende genauso verletzt. Deshalb habe ich mich oft zurückgezogen und dir gegenüber verschlossen verhalten. Es war nicht, weil ich nicht an uns geglaubt habe, sondern weil ich Angst hatte."

Sami schluckte schwer, die Worte hallten in ihm wider. Er verstand jetzt, warum Nathan so oft zögerte, warum er manchmal abwesend wirkte. Aber, es schien noch etwas zwischen ihnen zu stehen. Nathan hatte es noch nicht ausgesprochen.

„Nathan... was hat das mit uns jetzt zu tun?", fragte Sami schließlich. Seine Unsicherheit war unüberhörbar.

Nathan nahm einen weiteren tiefen Atemzug, als müsste er sich selbst Mut zusprechen. „Diese Person, von der ich dir erzählt habe – sie hat sich nie aus meinem Leben entfernt. Ihre Drohungen und Manipulationen kontrollierten mich so, dass ich... fast das Gefühl hatte, sie besäße einen Teil von mir. Und kürzlich habe ich eine Nachricht von ihr erhalten."

Samis Herz setzte einen Schlag aus. „Eine Nachricht? Was stand darin?"

„Sie will mich zurück. Sie sagt, dass ich ihr gehöre, dass all das hier, was ich mit dir habe, bedeutungslos ist. Und sie... sie hat mir gedroht, dass sie nicht aufgeben wird, bis ich zu ihr zurückkomme."

Die Worte trafen Sami wie ein Schlag in die Magengrube. Plötzlich ergab alles Sinn. Die distanzierten Momente. Die Zeiten, in denen Nathan ihn wie aus weiter Ferne angesehen hatte. Nathan war von dieser dunklen Vergangenheit gezeichnet. Diese Person hatte noch immer Macht über ihn. Diese Macht drohte, alles zu zerstören, was sie sich mühsam aufgebaut hatten.

Sami spürte, wie die Unsicherheit, die Angst in ihm hochstieg. „Nathan... was bedeutet das? Heißt das, dass du..., dass du zu ihr zurückgehst? Dass all das hier nur ein... eine Flucht für dich war?"

Nathan sah ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an, und in seinen Augen lag tiefe Reue. „Nein, Sami, das bedeutet es nicht. Ich liebe dich. Ich will bei dir sein. Aber ich weiß nicht, wie ich das hinter mir lassen kann. Sie hat so viel Macht über mein Leben gewonnen, dass ich fast nicht weiß, wie ich mich davon befreien kann. Ich wollte dich nicht belügen, aber ich wusste nicht, wie ich dir das alles sagen soll."

Sami saß reglos da. Er spürte den Schmerz und die Enttäuschung in ihm. Aber auch das Mitgefühl für Nathan, der gefangen war. „Nathan... du hättest es mir sagen müssen. Wir hätten einen Weg finden können, das gemeinsam zu lösen."

Nathan nickte langsam, seine Augen glänzten vor unterdrückten Tränen. „Ich weiß, und ich bereue es, dass ich so lange gewartet habe. Ich wollte nicht, dass diese Vergangenheit zwischen uns steht. Aber sie ist immer da, wie ein Schatten, der mich verfolgt."

Sami schluckte schwer. Die Wahrheit hatte ihn getroffen, und er wusste, dass nichts mehr so sein würde wie zuvor. Aber er wusste auch, dass er Nathan nicht aufgeben konnte – dass er trotz allem an ihn glauben wollte.

„Nathan, ich will nicht, dass diese Vergangenheit uns zerstört", flüsterte er. „Ich weiß nicht, wie wir das schaffen sollen, aber... ich bin bereit, es zu versuchen. Wir können diese Schatten überwinden. Aber du musst ehrlich zu mir sein. Ab jetzt, Nathan. Kein Zurückhalten mehr."

Nathan sah ihn lange an, seine Augen voller Dankbarkeit und Zuneigung. Er griff nach Samis Hand, drückte sie fest und murmelte: „Ich verspreche es dir, Sami. Ich werde ehrlich sein. Ich werde gegen diesen Schatten kämpfen – und ich hoffe, dass du dabei an meiner Seite bleibst."

Sami lächelte schwach. Die Tränen standen ihm in den Augen. Doch er fühlte eine tiefe Entschlossenheit in sich aufsteigen. Die drohende Dunkelheit, die Nathans Vergangenheit in die Gegenwart gebracht hatte, erfüllte sie mit Angst. Doch war er bereit, diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Whisper of the ScarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt