Kapitel 25

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Sami saß auf der Couch in Nathans Wohnung, die Beine angezogen, und sah Nathan zu, der in der Küche stand. Die Stille zwischen ihnen war nicht unangenehm, aber geladen – wie eine gespannte Saite, bereit, jeden Moment zu reißen. Nathan hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete Sami mit einem Blick, der zugleich sanft und durchdringend war.

„Du siehst aus, als würdest du gleich weglaufen", sagte Nathan schließlich, die Stimme ruhig, aber mit einem Hauch von Provokation.

Sami schnaubte leise, wandte den Blick ab und versuchte, die Hitze zu ignorieren, die sich in seinem Gesicht ausbreitete. „Vielleicht habe ich das auch vor."

Nathan lachte leise, ein tiefes, raues Geräusch, das Sami durch Mark und Bein ging. „Ach ja? Und wohin willst du? Zurück in deine stille kleine Welt, in der dir niemand zu nahekommt?"

Sami blickte auf. Da war etwas in Nathans Tonfall – herausfordernd, fast spielerisch –, das ihn dazu brachte, seinen Rückzug zu überdenken. „Und was ist, wenn ich das tue?" fragte er und versuchte, eine gewisse Schärfe in seine Stimme zu legen. „Vielleicht ist das die einzige Welt, die ich kenne."

Nathan trat näher, langsam, fast wie ein Raubtier, das seine Beute umkreist. „Oder vielleicht", sagte er, „suchst du nur jemanden, der dich herausfordert. Jemanden, der dich zwingt, stehenzubleiben, anstatt immer davonzulaufen."

Sami spürte, wie sich sein Atem beschleunigte. Er wollte etwas erwidern, aber Nathan stand plötzlich vor ihm, groß und unübersehbar. Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte Nathan sich neben ihn gesetzt, die Knie leicht in seine Richtung gedreht.

„Was willst du, Sami?" fragte Nathan leise, und die Frage war so direkt, so ungeschönt, dass Sami für einen Moment die Sprache verschlug.

Er senkte den Blick, starrte auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen. „Ich weiß es nicht", murmelte er schließlich.

Nathan lehnte sich zurück, ein leichtes, provokantes Lächeln umspielte seine Lippen. „Weißt du nicht? Oder traust du dich nur nicht, es auszusprechen?"

Sami hob den Kopf, seine Augen funkelten vor Ärger. „Was soll das heißen?" fragte er, seine Stimme lauter, als er wollte.

Nathan zuckte mit den Schultern, aber in seinen Augen lag ein Funken, der Sami herausforderte. „Es heißt, dass du ständig von deiner Angst redest, aber nie davon, was du wirklich willst. Vielleicht wird es Zeit, dass du dich entscheidest."

Die Worte hingen schwer im Raum, und Sami spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Er wollte Nathans Blick ausweichen, aber etwas an der Intensität, mit der Nathan ihn ansah, hielt ihn fest. Es war kein Vorwurf in diesen Augen, keine Ungeduld – nur eine Entschlossenheit, die Sami gleichzeitig verunsicherte und anzog.

„Ich..." begann er, dann verstummte er wieder. Die Worte kamen nicht. Oder vielleicht wollte er sie einfach nicht aussprechen.

Nathan ließ sich nicht beirren. Er lehnte sich vor, und die Bewegung war so fließend, dass Sami sie kaum registrierte, bis Nathan so nah war, dass er seinen Atem auf der Haut spürte. „Sag es, Sami", forderte Nathan, seine Stimme nur ein Flüstern. „Was willst du?"

Sami schluckte schwer. Sein Verstand schrie ihn an, sich zurückzuziehen, die Mauern wieder hochzuziehen, aber sein Körper hatte andere Pläne. Ohne weiter darüber nachzudenken, griff er nach Nathans Hemd, seine Finger verkrampft um den Stoff, und zog ihn näher.

„Ich will dich", flüsterte er, und die Worte fühlten sich an wie ein Sprung ins kalte Wasser. Bevor er es sich anders überlegen konnte, legte er seine Lippen auf Nathans.

Nathan erstarrte nur einen Moment, bevor er den Kuss erwiderte, intensiv, fordernd, mit einer Leidenschaft, die Sami den Boden unter den Füßen wegzog. Es war keine vorsichtige Geste, keine zaghafte Annäherung – es war roh und ehrlich, ein Bekenntnis, das keine Worte brauchte.

Als sie sich schließlich voneinander lösten, sah Nathan ihn an, sein Atem schwer, seine Augen dunkel vor Verlangen. „Das ist ein Anfang", sagte er leise, ein kleines, triumphierendes Lächeln auf seinen Lippen.

Sami starrte ihn an, seine Brust hob und senkte sich heftig. Er wollte etwas sagen, wollte diesen Moment festhalten, aber Nathan legte ihm einen Finger auf die Lippen.

„Keine Zweifel, kein Zurück, Sami", murmelte er, und seine Stimme war eine Mischung aus Sanftheit und Entschlossenheit. „Wir machen das hier – zusammen."

Für einen Moment war Sami sprachlos, dann nickte er langsam. Und zum ersten Mal fühlte er, dass er nicht mehr laufen wollte.

Whisper of the ScarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt