Kapitel 18

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Als Sami die Augen öffnete, füllte weiches Morgenlicht das Wohnzimmer und hüllte alles in einen ruhigen, warmen Schimmer. Er spürte Nathans Arm um seine Schulter und lächelte schwach. Die Nacht hatte ihm eine Art von Frieden gebracht, wie er ihn selten kannte, und für einen Moment ließ er sich einfach davontragen.

Nathan bewegte sich neben ihm, öffnete die Augen und sah ihn mit einem sanften Lächeln an. „Guten Morgen", murmelte er und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Seine Berührung war sanft und vertraut, und Sami spürte, wie etwas wie Glück in ihm aufstieg.

„Guten Morgen", erwiderte er leise. Sie schwiegen einen Moment, ließen den stillen Frieden nachklingen, der den Raum füllte.

Doch in Samis Kopf begann langsam eine Entscheidung zu reifen. Er wollte nicht länger in Unsicherheit und Angst leben. Diese Nacht hatte ihm gezeigt, wie viel ihm Nathan bedeutete, und dass es Zeit war, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen.

Er setzte sich auf und sah Nathan fest in die Augen. „Ich möchte etwas unternehmen, Nathan", begann er ernst. „Etwas, das uns beiden hilft, mit der Vergangenheit abzuschließen."

Nathan hob fragend eine Augenbraue. „Was hast du im Sinn?"

Sami spürte, wie sein Herz schneller schlug, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben. „Ich möchte, dass wir uns den Dingen stellen, die uns zurückhalten. Wir haben lange genug vor uns selbst weggelaufen. Ich will, dass wir uns alles anschauen, was uns daran hindert, glücklich zu sein."

Nathan schwieg einen Moment, und Sami konnte sehen, wie die Worte in ihm nachhallten. Dann nickte er langsam, ein Ausdruck von Entschlossenheit in seinen Augen. „Du hast recht. Wir haben zu lange gewartet. Wenn wir eine Zukunft wollen, dann müssen wir die Dinge klären, die uns immer wieder einholen."

Sami spürte eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude. „Lass uns einen Plan machen", schlug er vor. „Wir gehen es an, Schritt für Schritt, und setzen uns den Dingen, die uns am meisten Angst machen. Vielleicht wird es nicht einfach, aber es wird uns helfen, das loszulassen, was uns gefangen hält."

Nathan nickte wieder, und eine neue Energie schien ihn zu durchströmen. „Ich bin bei dir, Sami. Was auch kommt – wir schaffen es zusammen."

Sie sprachen noch eine Weile darüber, wie sie vorgehen wollten, und Sami fühlte sich mit jedem Wort ruhiger und entschlossener. Es war, als hätte das erste Licht des Morgens einen klaren Weg in sein Leben gebracht, einen Weg, den er nicht länger vermeiden konnte.

Einige Tage später fand sich Sami in einem Café wieder, das einen weiten Blick über die Stadt bot. Neben ihm saß Nathan, und sie sahen gemeinsam aus dem Fenster, den Moment genießend. Sie hatten beschlossen, einige alte Wunden zu heilen und waren den ersten Schritt gegangen: Sie hatten sich an Orten getroffen, die Erinnerungen weckten, und sprachen über Dinge, die sie lange Zeit verschwiegen hatten.

Nathan legte eine Hand auf Samis Arm und sah ihn an. „Weißt du, das hier ist... anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Aber ich spüre, dass wir in die richtige Richtung gehen. Es tut gut, sich den Dingen zu stellen."

Sami nickte und erwiderte den Blick. „Ich fühle dasselbe. Und es hilft, dich an meiner Seite zu haben." Ein kleiner Moment verstrich, und in Samis Augen blitzte etwas wie Zuversicht auf. „Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg."

Sie schwiegen, ließen den Kaffee auf dem Tisch zwischen ihnen abkühlen und genossen die Aussicht. Die Stadt lag ruhig vor ihnen, und es war, als hätte sich das Leben um sie herum für diesen einen Augenblick verlangsamt.

Doch tief in Samis Innerem regte sich ein neuer Entschluss. Er wollte mehr als nur Vergangenes verarbeiten – er wollte eine Zukunft aufbauen, die frei war von den Ketten, die sie beide lange gefangen gehalten hatten. „Nathan", sagte er schließlich und spürte, wie seine Stimme fester wurde, „ich habe das Gefühl, dass wir wirklich loslassen können. Wir haben so viel durchgestanden, und vielleicht ist es endlich an der Zeit, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen."

Nathan sah ihn nachdenklich an, und in seinen Augen lag eine stille Anerkennung. „Du hast recht", sagte er schließlich, und seine Stimme klang sanft, aber bestimmt. „Wir haben die Vergangenheit lange genug mit uns herumgetragen. Es ist Zeit, dass wir für uns selbst neu anfangen."

Sami spürte ein Prickeln in seinem Inneren, eine Vorfreude, die er kaum in Worte fassen konnte. „Dann lassen wir es uns versprechen", schlug er vor und streckte Nathan die Hand hin. „Ein Neubeginn, ohne die Schatten der Vergangenheit. Von jetzt an gehören unsere Entscheidungen uns – und niemand anderem."

Nathan nahm seine Hand, und für einen Moment schien die ganze Welt in diesem Handschlag eingefangen zu sein. „Abgemacht", sagte er leise, und ein aufrichtiges Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.

Die nächsten Wochen fühlten sich an wie ein Neubeginn. Sie verbrachten die Tage damit, eine Routine aufzubauen, die ihnen beiden guttat. Gemeinsame Spaziergänge, lange Gespräche und die schlichte Freude, Zeit miteinander zu verbringen, ließen die alten Wunden langsam verheilen.

Doch eines Abends, als sie zusammen kochten, sagte Nathan plötzlich: „Sami, es gibt da etwas, das ich mir immer gewünscht habe, was ich mir aber nie getraut habe zu verwirklichen."

Sami legte den Kochlöffel zur Seite und sah ihn aufmerksam an. „Was ist es?"

Nathan atmete tief durch, und in seinem Blick lag ein Hauch von Unsicherheit, aber auch Entschlossenheit. „Ich wollte immer schreiben. Nicht nur für mich, sondern... ich wollte meine Geschichten teilen, die Erlebnisse, die Erfahrungen. Aber ich habe es nie geschafft, wirklich anzufangen. Es war immer zu beängstigend."

Sami lächelte aufmunternd. „Dann ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, oder? Wir haben beschlossen, neu anzufangen. Warum also nicht? Du hast Talent, Nathan, das weiß ich. Und vielleicht ist das Schreiben genau das, was dir hilft, alles zu verarbeiten."

Nathan sah ihn an, und für einen Moment war pure Dankbarkeit in seinen Augen zu sehen. „Danke, Sami. Danke, dass du mich immer wieder daran erinnerst, dass ich mehr kann, als ich mir selbst zutraue."

Sami legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Dafür bin ich hier", sagte er leise. „Ich glaube an dich, und ich möchte, dass du dein Leben so lebst, wie du es dir wünschst."

Die Spannung in der Luft wich einem warmen Gefühl von Zusammenhalt. Sie wussten beide, dass das Leben sie vielleicht noch vor Herausforderungen stellen würde, doch sie waren bereit, sich diesen gemeinsam zu stellen.

Nathan begann zu schreiben, und mit jedem Wort, das er auf das Papier brachte, schien ein weiterer Schatten zu verschwinden. Es war, als würde er seine Geschichte neu schreiben, frei von den Altlasten, die ihn einst niederdrückten.

Und Sami war an seiner Seite – ruhig, unterstützend und entschlossen, ihm zu zeigen, dass er nicht allein war.

In dieser Stille, im hellen Licht eines neuen Tages, fühlten sie beide, dass sie endlich angekommen waren.

Whisper of the ScarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt