Kapitel 20

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Sami genoss die wohlige Wärme von Nathans Umarmung, doch als er sich ein wenig zurücklehnte, bemerkte er etwas in Nathans Blick – ein Schatten, der kurz aufflackerte, bevor er ihn schnell überspielte. Sami spürte, wie eine leise Unruhe in ihm aufstieg. Doch bevor er fragen konnte, was los war, schüttelte Nathan den Kopf und lächelte schwach.

„Lass uns reingehen," sagte er nur.

In der Wohnung breitete sich Stille aus, doch Sami konnte das subtile Knistern in der Luft nicht ignorieren. Etwas schien Nathan zu beschäftigen, etwas, das er nicht aussprechen wollte. Die Tage nach der Veröffentlichung hatten sie beide erfüllt, aber nun spürte Sami, dass Nathan sich wieder ein Stück zurückzog.

Sami versuchte, die Spannung zu übergehen, doch am nächsten Tag zeigte sich ein weiteres Anzeichen: Nathan hatte auf sein Handy geschaut und seine Miene war plötzlich verschlossen gewesen. Als Sami vorsichtig fragte, was los sei, antwortete Nathan nur ausweichend: „Nichts Wichtiges." Doch Sami konnte das mulmige Gefühl nicht abschütteln.

An diesem Abend beschlossen sie, mit Freunden essen zu gehen, um Nathans Erfolg zu feiern. Es war ein lebendiger Abend, und der Raum war erfüllt von Gelächter und Gesprächen. Doch als sie sich setzten und Getränke bestellten, bemerkte Sami eine Frau, die in ihrer Nähe stand und Nathan direkt ansah. Sie war elegant, mit dunklen Haaren und einer intensiven Ausstrahlung – eine Art, die Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie winkte leicht und Nathan nickte ihr kaum merklich zu.

Sami spürte einen leichten Stich der Eifersucht, verdrängte ihn jedoch und versuchte, sich auf das Gespräch am Tisch zu konzentrieren. Doch die Spannung ließ ihn nicht los. Als die Frau schließlich zu ihrem Tisch kam und Nathan kurz zur Seite bat, schob Sami das Essen auf seinem Teller unruhig hin und her. Er hörte nur Fetzen von dem Gespräch, das die beiden leise führten, aber das vertraute Lächeln, das Nathan der Frau schenkte, ließ seine Unsicherheit wachsen.

Nathan kehrte an den Tisch zurück und setzte sich neben Sami, als sei nichts passiert. Doch Sami konnte nicht länger an sich halten. Er legte seine Hand auf Nathans Unterarm und fragte leise, damit nur er es hörte: „Wer war das?"

Nathan wirkte einen Moment lang überrascht, dann zuckte er mit den Schultern. „Eine alte Bekannte. Sie hat das Buch gelesen und wollte mir gratulieren."

Sami nickte langsam, aber das ungute Gefühl blieb. Die Aufmerksamkeit, die Nathan der Frau gegeben hatte, war ihm nicht entgangen, und er konnte die Eifersucht, die ihn packte, kaum verbergen. Doch er wusste auch, dass er nicht derjenige sein wollte, der die Harmonie ihrer Beziehung durch unnötige Zweifel gefährdete. Also schwieg er, versuchte sich zu entspannen und den Rest des Abends zu genießen.

Später, als sie nach Hause gingen, fühlte sich die Stille zwischen ihnen schwer an. Nathan wirkte gedankenverloren, und Sami konnte sich nicht länger zurückhalten.

„Nathan, ist alles in Ordnung?" Seine Stimme klang sanfter, als er erwartet hatte.

Nathan sah ihn kurz an, bevor er seinen Blick abwandte. „Ja, warum fragst du?"

„Weil du... distanziert wirkst. Seit Tagen schon." Sami sah ihn aufmerksam an, die Worte nun schneller, fast drängend. „Und diese Frau heute... Es wirkte, als hätte sie eine besondere Bedeutung."

Nathan blieb stehen und starrte einen Moment auf den Boden. Schließlich seufzte er und drehte sich zu Sami. „Es tut mir leid, wenn ich distanziert war. Es gibt Dinge aus meiner Vergangenheit, die ich noch loslassen muss. Menschen, die immer wieder auftauchen, wie sie heute." Er zögerte, bevor er fortfuhr. „Aber sie bedeuten mir nichts. Du bist mir wichtig, Sami. Nur du."

Sami nickte, spürte jedoch, wie die Worte nur teilweise seine Zweifel beruhigten. Er zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Ich will dir vertrauen, Nathan. Aber du musst mir auch zeigen, dass ich keinen Grund zur Sorge habe."

Nathan schien für einen Moment mit sich selbst zu ringen. Dann trat er näher und legte seine Hände auf Samis Schultern. „Ich verspreche dir, dass ich nichts vor dir verberge. Sie ist Teil meiner Vergangenheit, das ist alles. Das hier, das mit uns – das ist das, was zählt."

Sami spürte, wie der Druck auf seiner Brust sich allmählich löste, und er erwiderte Nathans Blick. „Gut", sagte er schließlich, seine Stimme ruhig, aber fest. „Ich will, dass wir das schaffen. Aber ich brauche deine Ehrlichkeit, Nathan. Ohne sie funktioniert das hier nicht."

Nathan nickte ernst und zog ihn in eine feste Umarmung. „Das wirst du bekommen, Sami. Von jetzt an gibt es keine Geheimnisse mehr."

Die nächsten Wochen vergingen ruhiger, und Sami spürte, dass Nathans Worte tatsächlich eine Veränderung brachten. Sie gingen bewusster miteinander um, sprachen über das, was ihnen wichtig war, und versuchten, die Unsicherheiten, die immer mal wieder aufkamen, offen anzugehen.

Doch eines Abends, als sie gemeinsam im Wohnzimmer saßen, klingelte Nathans Handy, und als er den Namen auf dem Display sah, zuckte er leicht zusammen. Sami bemerkte es sofort und sah ihn fragend an.

Nathan zögerte einen Moment, nahm den Anruf aber schließlich an und stand auf, um in den Flur zu gehen. Sami blieb allein im Wohnzimmer zurück, seine Gedanken überschlagen sich. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn – ein Gefühl, dass sich etwas anbahnte, das alles verändern könnte.

Als Nathan schließlich zurückkam, war sein Gesichtsausdruck ernst, und Sami konnte die Spannung in seiner Stimme hören, als er sich neben ihn setzte. „Sami... wir müssen reden."

Ein leises, bedrohliches Gefühl breitete sich in Samis Magen aus. „Was ist passiert?"

Nathan atmete tief durch. „Die Frau von neulich – sie hat mich heute wieder angerufen. Sie... möchte sich mit mir treffen, um über etwas zu sprechen, das uns beide betrifft."

Sami spürte, wie sich ein kalter Schauer über seinen Rücken zog. „Und du willst dorthin?" Seine Stimme war angespannt, und er konnte die aufkeimende Eifersucht kaum zurückhalten.

Nathan nickte zögernd. „Ich denke, es ist besser, wenn ich ihr gegenübertrete, um die Vergangenheit endgültig abzuschließen. Ich will dir zeigen, dass ich das ernst meine."

Sami schwieg, kämpfte mit den widersprüchlichen Gefühlen in sich. Einerseits wollte er Nathan vertrauen und ihm den Raum geben, den er brauchte, um Dinge zu klären. Andererseits nagte die Unsicherheit an ihm, und er fragte sich, ob dieser Schritt wirklich nötig war.

Schließlich nickte er langsam. „Okay. Wenn das das ist, was du tun musst, dann geh. Aber ich hoffe, dass es danach keine Geheimnisse mehr zwischen uns gibt."

Nathan legte eine Hand auf Samis Wange und sah ihm in die Augen. „Das wird es nicht. Ich verspreche es dir."

Am nächsten Tag, als Nathan zur Verabredung aufbrach, spürte Sami ein seltsames Vakuum in seiner Brust, eine Mischung aus Unsicherheit und leiser Angst. Er wusste, dass es eine Prüfung für ihre Beziehung war, ein Moment, der entscheiden würde, ob sie wirklich zusammengehören – oder ob die Schatten der Vergangenheit sie doch noch einholen würden.

Whisper of the ScarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt