Kapitel 36.

398 25 0
                                    

Ich zuckte zusammen. Nein! Hatte ich geschossen? Niemand hatte es verdient erschossen zu werden. Sowas würde ich nicht machen. Hatte ich es gerade doch getan? Es war doch nur gedacht gewesen, dass ich mich in 'Sicherheit' bringen konnte. Und nun? Hatte ich jemanden umgebracht? Initiiert sah ich mich um. Erst als ich ein stöhnen hörte konnte ich die Situation einigermaßen realisieren. Chris war getroffen. Er ließ ich langsam und gequält auf den Boden fallen. Zuckend schnappte er nach Luft. Erschrocken ließ ich die Waffe fallen. Meine Hand wanderte zu meinem Mund. Geschockt hielt ich mir die Hand vor den Mund.

Nein! Ich hatte ihn umgebracht. Er hatte mir doch geholfen. Was hatte ich getan. Fassungslos und panisch blickte ich mich um. Kyle hatte sich über den Boden gerobbt und die Pistole nun erneut in der Hand. Er lag zwar noch auf dem Boden doch mit der Waffe bedrohte er mich und versuchte dabei irgendwie auf die Beine zu kommen. Schaffte er aber nicht.
Mein Blick wand sich zu Jack und Leo. Leo sah geschockt zu seinem Bruder. Ihm liefen vereinzelt die Tränen über die Wange. Dies nutze Jack aus um ihn zu packen und zu Boden schleuderte. Schnell und gekonnt griff er Leo's Handgelenk und drehte seinen Arm auf den Rücken. Leo brüllte. Zappelte und tat sonst alles um aus dieser Situation zu entkommen. Doch vergebens. Jack hatte ihn voll und ganz im Griff.

Das alles passiert nicht mal in einer Minute. Bis mir eine weitere Gestalt im Wald auffiel. Sie war groß, breitgebaut und angsteinflössend. Ich erschauderte. WILL! Es war zwar nur so ein Gefühl, doch ich konnte es mir denken. Wenn dann mal alles schief läuft. Würde ich mal so sagen.

Kyle stand wieder auf seinen Beinen und kam näher. Auch die Gestalt, Will, näherte sich. Nun sitzt du in der Klemme.

Ich blickte nach hinten. Würde ich weg rennen, würden sie mich erschießen. Würde ich stehen bleiben, würde sonst was passieren. Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen. Mein Atem ging schnell. Entschieden riss ich die Augen auf, drehte mich um und rannte los. Einfach weg. Wenn ich hier sterben würde. Dann hätte ich es wenigstens versucht zu entkommen.

Es knallte.

Erschrocken zuckte ich zusammen. Aber ich war nicht getroffen.

"Bleib steh'n!", schrie Will. Doch ich dachte nicht daran. Rannte um mein Leben. Rannt wie ich es noch nie zu vor getan hatte. Rannte in der Hoffnung auf Freiheit.

Es knallte erneut.

Ein Stechen breitete sich in meiner Wade aus. Ich fiel zu Boden überschlug mich selbst und blieb liegen. Meine Wade. Sie stach und brannte. Will oder Kyle hatte mir in die Wade geschossen!

Ich schrie.

Laute, schwere Schritte näherten sich. Jemand packte meinen Arm. Zog mich zur Hälfte hoch und zog mich dann hinter sich her. Weinend versuchte ich mich aus dem Griff zu befreien. Aber vergebens.

Ab und zu blieb ich an einem Stock oder einem Stein hängen. Doch alles was ich an Schmerz spürte, befand sich in meiner Wade. Sie brannte, stach, pochte. Heißes Blut blutete meine Hose voll.
Mein Herz ging schneller. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich solch einen Schmerz gespürt. Nein, da log ich. Natürlich hatte ich schon einmal solch einen gigantischen Schmerz gespürt. Es war vor nicht mal ein paar Tagen. Aber es gab einen kleinen Unterschied. Damals waren es innere Verletzungen gewesen. Sie konnte ich nicht halten um den Schmerz zu lindern. Ich war immer noch nicht ganz geheilt. Aber mir ging es besser, was das betraf.

Nach einer Weile wurde auch mein anderer Arm gepackt und so wurde ich durch die Gegend schliffen. Wie ein nasser Sack voll Kartoffeln. Die Stimmen waren verdumpft und die Tränen machten meine Sicht unklar. Ich hatte in letzter Zeit viel zu häufig geweint. Viel zu oft Angst und Panik gehabt. Kraftlos sah ich zu wie unter mir der Boden langsam vorbeizog.

Nach einer gefühlten Ewigkeit in der ich nur durch Dreck, Erde, Blättern und ab und zu Steinen gezogen wurde stoppten die zwei. Ich sah nicht auf. Mit Sicherheit sah ich schlecht aus. Wie ein Häufchen Elend. Ich machte mir nicht die Mühe aufzusehen, denn bald würde ich eh erfahren, was passiert. Es machte mich kirre, nicht zu wissen, was als nächstes passieren würde. Mittlerweile hatte ich das warten satt. Wollte nicht ständig dieses hin und her zwischen Freiheitsgefühl und Gefangenschaft. Mir war schlecht. Mein Körper wehrte sich gegen jegliche Reflexe und kümmerte sich um den brennenden Schmerz in meiner Wade.

Man zog mich ein Stück weiter. In ein Haus. Und ließ mich dann fallen. Es gab ein dumpfe Geräusch, als ich auf dem Boden aufkam. Kurz blieb mir die Luft weg. Dann kehrte der Schmerz in der Wade zurück und übertönte alles.

"Das Handy hat eine Nachricht empfangen."

"Das Handy, das du nicht weggeschmissen hattest?",fragte Kyle skeptisch.

"Eine Nachricht von den Dresch's",meinte Jack und nun war ich für einige Sekunden von dem Schmerz in meiner Wade abgelenkt. Angespannt hörte ich zu.

"Es ist alles meine Schuld. Lass sie meine Schwester gehen! Nehmen Sie mich. Erschießen sie mich. Aber lassen Sie meine Schwester gehen. Sie kann nichts dafür. Ich verstehe Ihre Logik nicht. Warum lassen Sie ihre Wut an jemand Unschuldigem aus? Und nicht an jemanden, der es verdient hätte und damit wenigstens zu tun hat.

Ich bezweifle ja, dass sie diese Nachricht lesen. Aber hören Sie...sie haben ihr Ziel erreicht! Wir sind am Ende. Mein Bruder ist wegen Ihnen gestorben. Meine Eltern werden sich trennen! Wegen Ihnen. Unser Haus ist zerstört! Wissen nicht was wir tun sollen. Wie unsere Zukunft aussieht. Aber ich flehe Sie an, lassen Sie Sky gehen! Sie kann nichts dafür.
Morgen um 12 Uhr werde ich am Unfallort von damals sein. Nehmen Sie mich. Lassen Sky gehen!"

Ich schluckte. Was ich da hörte, wollte ich nicht wahr haben. Finn, hatte das geschrieben, da war ich mir sicher. Unsere Eltern wollten sich trennen. Sie hatten alles zerstört!

"Und was machen wir jetzt?",fragte Jack nichtsahnend.

"Wie er will. Dann wird er und seine Schwester morgen gemeinsam sterben. Einen Tag wird sie noch aushalten!"

War der irgendwie dumm? Eine andere Frage viel mir nicht ein. Nur noch lauter Schimpfwörter. Doch keines davon verließ meinen Mund. Ich wusste nicht was das für Auswirkungen haben würde. Außerdem fehlte mir die Kraft dazu.

Finn sollte nicht kommen!

Diese Sorge bereitete mir mehr Schmerzen als meine Wade.

Finn sollte nicht sterben!

Das würde ich nicht zu lassen.

Vierlinge alive (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt