Octavian #3

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Hektor riss die Beifahrertüre seines Wagens auf, schubste mich auf den Sitz und schlug die Türe wieder mit solcher Wucht zu, dass der ganze Wagen wackelte. Mir war schlecht. Er hatte mich geschlagen. Das hatte er noch nie getan. Er hatte mir paranoide Märchen, die er in seinem kranken Gehirn zusammengesponnen hatte unterstellt, hatte mich über seine Schulter geworfen und mich weggetragen, hatte herumgeschrien und Sachen zerbrochen, aber er war noch nie handgreiflich geworden. Er ließ sich hinter das Steuer gleiten und beugte sich über meinen Schoß. Er kramte im Handschuhfach nach einer CD. Als er sie fand, ließ er die andere heraus und legte die neue ein. Die Hülle samt der anderen CD schmetterte er achtlos in den Fußraum. Dann drehte er das Radio bis zum Anschlag auf und bretterte viel zu schnell die Straße entlang. Er hatte in der Fußgängerzone geparkt?! The Used lief. Kein gutes Zeichen. Erst recht nicht dieses Album. Und nicht dieses Lied. Und die Geschwindigkeit erst recht nicht. Er machte mir Angst. Seine Augen waren auf die Fahrbahn gerichtet. Er fuhr auf die Autobahn. Wahrscheinlich musste er seine Wut herausfahren. Er blieb permanent mit über 150 Sachen auf der Überholspur und selbst wenn mir etwas eingefallen wäre, das ich hätte sagen können, wäre es in der Musik untergegangen. Man hörte sein eigenes Wort nicht mehr. Ein Autofahrer schimpfte uns hinterher. Man sah es an seinen Lippen. Genau wie man seine Lichthupe sah. Hektor zeigte ihm durch den Spalt, den das aufschiebbare Dach offen war den Mittelfinger. Ich hatte Angst, dass das Auto auseinander fallen würde. Es war weder das Jüngste noch das Stabilste.  Die Schrottkarre quietschte und ächzte an allen Ecken und Enden. Genau in dem Moment, in dem ich davon ausging, dass gleich ein Rad abfiel, drosselte er das Tempo und fuhr von der Autobahn in die Richtung der WG, in der er lebte. Er drehte die Musik herunter. Wenigstens wusste er noch, dass ich es nicht mochte so laut Musik zu hören, dass man das Gefühl hatte, seine eigenen Gedanken nicht mehr zu verstehen. Ich war sauer auf ihn. Stink sauer. So sauer, dass mein ganzer Kopf leergefegt war und ich bloß den harten, brennend heißen Punkt in meiner Brust spürte, der mir die Tränen in die Augen trieb, die ich versuchte wegzublinzeln. Aber zum anderen war ich auch sauer auf mich. Hatte ich es nicht auch darauf ankommen lassen? Ich wusste doch, wie eifersüchtig er war... Ich zuckte zusammen, als er die Fahrertüre zuschlug. Immer noch zu heftig. Er machte meine Türe auf, warf sich mich über die Schulter, als sei ich nicht schwerer als ein Federnsack und schlug sie wieder zu. Aus seiner Baggytasche zog er einen klimpernden Schlüsselbund. Die Haustüre schwang geräuschlos auf als er aufgeschlossen hatte und er ignorierte alle, die ihn grüßten. Ich winkte ihnen hinter seinem Rücken ein wenig hilflos zu. Sie sahen uns verständnislos hinterher. Er warf mich auf sein Bett und schloss die Türe hinter sich. Ich hatte Glück, dass sein Bett eine fantastische Federung hatte. Seine Jacke schmiss er auf den Schreibtischstuhl. Ich hatte mich mittlerweile auf meine Ellenbogen gestützt und folgte ihm bei jeder Bewegung mit den Augen. Er legte eine Schallplatte auf. Graham Nash. Er hatte sich wieder im Griff. Aber das musste noch nicht sehr viel heißen. Er kniete sich über mich, kniete sich über mich und seine Hand wanderte unter mein T-Shirt zu meiner Brust. Sein Atem kitzelte mich in meinem Ohr. Ich bekam Gänsehaut und obwohl ich so wütend war, erregte er mich, was mich ärgerte. Er hauchte mir etwas ins Ohr. „Du gehörst mir."

2 refracted Boys.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt