In a room full of art, I'd still stare at you.
~Irgendwo einmal gelesen.~
Ich rollte mich aus dem Bett, bloß um unsanft auf dem Boden zu landen und wieder die Motivation aufkratzen zu müssen, endlich aufzustehen. Schlussendlich bekam ich es, nach einigem Blinzeln in das zu grelle Licht, das durch meine provisorisch errichteten Rollläden schien, hin mich aufzusetzen. Ich überlegte mir, ob ich Cherry anrufen und fragen wollte, wie das Treffen mit Nate gelaufen war, aber wenn es gut gelaufen war, schlief er noch und wenn es schlecht gelaufen war, lag er besoffen in irgendeiner Straße und in beiden Fällen würde es sich als sinnlos erweisen ihn anzurufen, von dem her konnte ich es gleich lassen. Ich biss etwas genervt meine Zähne zusammen, stand endlich auf und ärgerte mich darüber, dass ich mir überhaupt Gedanken über ihn machte. Er war ein guter Freund, aber sehr einfühlsam konnte man ihn jetzt wirklich nicht nennen. Ich sah auf den Bildschirm meines Handys, als ich nach meinem Buch griff. Es blinkte. Sechs Anrufe in Abwesenheit. Fünf davon waren von Hektor. Ich seufzte, zog meine Jeans über die Boxershorts und tapste in die Küche. Mein Handy legte ich neben den Herd, während ich Milch aufsetzte und mir Gedanken darüber machte. Der letzte Anruf war von einer Nummer, die ich nicht kannte. Mein Finger schwebte über der Zurückrufen Taste, als es in meiner Hand vibrierte. Eingehender Anruf. Hektor. Ich seufzte und fragte mich, ob es etwas Wichtiges war, wenn er mir noch vor neun Uhr sechs Mal anrief. Aber statt dranzugehen, fischte ich die Cornflakes von dem obersten Regalbrett und ignorierte geflissentlich mein Herz, das mir bis in den Hals herauf schlug, seit ich seinen Namen auf dem Display gesehen hatte. Nach zwölf maligem Klingeln, stellte sich knackend und rauschend die Mailbox ein. Ich hörte sein Seufzen verzerrt durch die Leitung hindurch. „Geh endlich an dein Handy. Du weißt wie sehr ich diese Mailboxteile hasse." Ja, das wusste ich. Er hatte sich schon oft genug darüber ausgelassen, wenn jemand aus der WG nicht ans Handy ging. Ich wusste nicht, wieso ich nicht einfach abgehoben hatte, aber irgendwie hatte mir mein Bauch gesagt, dass ich es nicht sollte. „Naja... Also..." Er holte wieder tief Luft, als müsse er sich überwinden in sein Handy zu sprechen. „Ich wollte dir etwas zeigen. Wenn du das hier hören solltest, komm einfach vorbei... Ich bin da." Ich konnte den Hauch von Wärme, die in seiner Stimme lag hören und ein Ziehen in meiner Brust verriet mir den Anflug eines schlechten Gewissens, dass ich nicht einfach abgehoben hatte. Das Knacken und die darauf folgende Stille verrieten mir, dass er aufgelegt hatte. Er hatte es noch nie mit Floskeln, um sich zu verabschieden oder jemanden zu begrüßen gehabt und ich bemerkte erst jetzt, dass ich mit den Cornflakes in meinen Händen dastand und das Handy angestarrt hatte. Ich strich mir mit einer Hand durch die Haare und schloss einen Moment die Augen. Wieso raste mein Herz wieder so, als wären wir gerade einmal eine Woche zusammen? Wieso war ich immer noch so dermaßen von ihm angetan? Ich schüttete die Cornflakes in eine Schale und rettete die Milch vom Herd, bevor sie überkochen konnte. In meinem Kopf debattierten die zwei Seiten, ob ich tatsächlich zu ihm fahren sollte, doch ich befürchtete, dass mein Herz sich schon längst entschieden hatte. Ich ließ mich auf den Sessel fallen, mit der Schüssel in meinen Händen und aß schnell. Ich fragte mich schon, ob ich mit der Bahn oder dem Fahrrad fahren sollte und wo ich meinen Verbundspass hingelegt hatte. Sollte ich davor noch duschen? Mir wurde heiß und das Müsli schmeckte nach Pappe. Ich verstand nicht, wie ich immer noch so verrückt nach diesem Jungen sein konnte, der mir gestern noch eine gescheuert hatte. Wenn Cherry das erfahren würde, würde er mir wahrscheinlich bloß wieder sagen, dass ich ein Paradebeispiel dafür war, dass Liebe blind machte. Und dennoch konnte ich mich nicht der Schmetterlinge in meinem Bauch erwehren, geschweige denn dem Herzklopfen in meiner Brust. Ich stellte die Schüssel in die Spüle, nachdem ich die schnell geleert hatte und mich nicht einmal mehr daran erinnern konnte auch bloß einmal den Löffel zu meinen Lippen geführt zu haben. ich schnappte mir meine Jacke, schlug die Türe hinter mir zu und schloss das Fahrrad auf. Die Kopfhörer hatte ich drinnen liegen lassen, aber es war mir egal. Es fühlte sich merkwürdig an zu wissen, dass ich alles stehen und liegen ließ, bloß weil er sagte, er wolle mir etwas zeigen und beinahe schämte ich mich dafür, doch ich schob es einfach beiseite und konzentrierte mich darauf keine Fußgänger über den Haufen zu fahren, was ich auch ganz gut hinbekam. Ich wusste nicht, weshalb ich ihn so dringend sehen wollte. Auch nicht, ob es daran lag, dass ich das Gefühl hatte, gestern sei misslungen gewesen. Ich brauchte kürzer für den Weg als sonst, machte mir nicht die Mühe zu klingeln, nachdem ich mein Fahrrad abgestellt hatte und schob einfach mit meiner Schulter die angelehnte Türe auf. Außer nachts war die Türe meistens unabgeschlossen, da immer einer von ihnen unterwegs war und mit neunzig prozentiger Wahrscheinlichkeit den Schlüssel vergessen hatte. Ich ging durch den weißen Flur und, von oben hörte man Angelo Branduardi und ich fragte mich, wer so einen guten und doch außergewöhnlichen Musikgeschmack haben könnte, es würde fast zu allen mit ihren kleinen Abartigkeiten passen, ging schnurstracks ins Wohnzimmer, wo Derrick am Esstisch saß, mit Kopfhörern auf den Ohren, die ich mir nicht einmal leisten konnte, wenn ich zwei Jahre lang hungerte und Hektor in einem schlichten, grauen T-Shirt, einer abgetragenen Jeans und einem wenig männlich aussehenden Turban auf dem Kopf auf dem Sofa saß und einen Film auf Französisch ansah, der verdächtig nach seinem Lieblingsregisseur aussah, jedoch so viel Unruhe und Energie abstrahlte, dass ich bezweifelte, dass er tatsächlich die Handlung verfolgte, zudem er sie sowieso schon mehr als auswendig wusste. „Störe ich?" Derrick beachtete mich nicht, wenn er mich über seinem wichtig aussehenden Schreibkram überhaupt bemerkt hatte und Hektor wandte mir so schnell den Kopf zu, dass ich mich fragte, ob man sich nicht den Kopf ausrenken konnte. Sein angespanntes Gesicht wich einem Strahlen. Seine Beine, die zuvor rumgezappelt hatten, hielten still und der Fernseher verstummte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er sich jemals so gefreut hatte mich zu sehen. Er stand auf und mehr denn je wirkte er wie ein zu groß geratener Junge. „Ich hab dich angerufen, aber du warst nicht da...", erklärte er. Ich entgegnete nichts, sondern ging auf ihn zu, ich war so angespannt, dass ich mich nicht einmal traute zu lächeln, das ich Angst hatte, es könne sich in ein albernes, nervöses Lachen verwandeln, stellte mich vor ihm auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Seine Lippen schmeckten so süß wie lange nicht mehr und der Duft seines Aftershaves mischte sich mit dem beißenden Geruch seiner Haarfarbe. Ich entdeckte den Rand sogar in seinen Augenbrauen, sparte mir jedoch ihm vorzuhalten er sei eitel. Mein Herz schlug so sehr gegen meinen Brustkorb und in meinen Ohren, dass ich mir sicher war, alle im Haus könnten es hören. Wir stürzten, wie ausversehen der Länge nach auf das Sofa und er landete zwischen meinen Beinen. Ich war mir zu deutlich Derrick bewusst, der immer noch im Raum war und Hektors Herzschlag, den ich im Schritt spürte. Er machte mich nervös und ich legte ihm eine Hand auf die Brust, um ihn wegzuschieben. In dem Moment trat Cedric ein und ich zuckte zurück als hätte ich mich an seinen Lippen verbrannt. „Fickt nicht auf der Couch. Den benutzen alle." Hektor setzte sich auf, der Begrüßungskuss hatte vollkommen die anfängliche Stimmung verloren, seufzte und verdrehte die Augen. „Und wer hat ihn bezahlt?" Ein wenig Arroganz klang in seiner Stimme mit. „Die Kosten für die Couch kriegst du mit deiner überteuerten Miete locker wieder rein." Hektor sah ihn mit dunklen Augen an, öffnete den Mund, als wolle er etwas entgegnen, schloss ihn aber bloß wieder und stand auf. Er verschwand im Flur und meine Ohren glühten immer noch. Zwar hatte Hektor mir gesagt, man solle sich gar keinen Kopf machen, was Cedric dachte, aber ich bekam es dennoch nicht hin, obwohl mir sonst die Meinungen anderer nicht allzu wichtig war. Doch Cedric hatte es zu gut drauf einem das Gefühl zu geben verachtenswert zu sein. „Ich dachte, du wolltest mit dem Sex warten?", fragte er kühl und seine Augen musterten mein Gesicht auf jede Regung. Mir stieg noch mehr Blut in den Kopf und ich musste mittlerweile mit meinem glühenden Kopf den ganzen Raum erhellen können. „Will ich auch.", antwortete ich und klang wie ein Schuljunge, der den Kopf zwischen die Schultern zog, da er Angst vor dem Lehrer hatte und seine Antwort falsch sein könnte. Ich kannte so viele Menschen, die einen sozialen Defekt hatten und kam gut mit ihnen klar, also weshalb musste ich ausgerechnet bei Cedric so nervös werden? „Aha." Mehr Verachtung und Ungläubigkeit konnte man in diese drei Buchstaben und zwei Silben nicht legen. „Das sah anders aus." Bevor ich noch irgendetwas sagen konnte, um seinen Eindruck etwas zu ändern, hielt er raschelnd eine Tüte hoch. „Willst du auch Brötchen?" Ich schüttelte verschämt den Kopf und kam mir schlecht vor. Ich bleib einfach auf dem Sofa sitzen und lauschte den Geräuschen, die durch das Haus geweht wurden. Die verrauchte Stimme von Angelo Branduardi mischte sich mit Wasserrauschen, dem unregelmäßigen Tippen von Derrick auf der Tastatur seines MacBooks und dem Rascheln von Cedric aus der Küche. Plötzlich kam mir meine kleine, bescheidene Wohnung unendlich leer und verlassen vor im Gegensatz zu diesem Haus, das vor Energie seiner Bewohner zu kochen schien. Ich seufzte und in dem Moment hörte ich die Schritte von Hektor auf den Stufen. Er trat ein, seine Haare erleuchteten in neuem Blutrot, lächelte mich an und forderte mich mit einem Kopfnicken auf mitzukommen, während er sich seine Lederjacke über seine Schultern zog. Seine Schuhe waren schon an seinen Füßen und er schnappte sich ohne eine Begrüßung an Cedric die Autoschlüssel. Ich rief ein zärtliches „Tschüss" auf das ich keine Antwort bekam, bevor die Türe ins Schloss fiel. Hektor ließ sich auf den Fahrersitz fallen, ich stieg auf der Beifahrerseite ein und erinnerte mich wieder daran, wieso ich es nicht mochte mit seinem Auto zu fahren. Es ächzte, quietschte und wackelte an allen Enden und Ecken und bei seinem Fahrstil bekam man ja auch schon Todesängste, in einem Auto, das nicht nach Benzin roch und aussah, als würde es schon auseinander fallen, wenn man bloß nieste. Er lächelte versonnen, schnallte sich an und steckte den Zündschlüssel ins Schloss. Ich machte mir nicht die Mühe mich nach dem Anschnallgurt zu verrenken. Wenn wir einen Unfall in diesem Schrotthaufen bauen sollte, würde ich auch mit dem Gurt sterben, der mir die Luft abschnürte. „Wohin fahren wir?", fragte ich als er das Auto startete und es herum wackelte. „Lass dich überraschen.", sagte er bloß mit einem geheimnisvollem Lächeln auf den Lippen, von dem ich nicht wusste, ob ich es süß oder beunruhigend finden sollte. Ich grummelte etwas von „Du weißt, dass ich keine Überraschungen mag." und stützte mein Kinn auf meine Hand, während ich aus dem Fenster sah. Hektor hatte mehr als genug Geld, um sich ein anständiges Auto leisten zu können mit so viel PS, dass mancher Porsche nur davon träumen konnte, aber er musste in dieser Schrottlaube herumkurven. „Wieso hängst du so an diesem Auto?", fragte ich und erst als er antwortete, bemerkte ich, dass ich die Frage laut ausgesprochen haben musste. „Beleidige nicht Balthazar." Er sagte es mit so viel Ernst, dass man nicht einmal auf die Idee käme ihn auszulachen, weil er seinem Auto einen Namen gegeben hatte. „Wieso Balthazar." „Die Band.", lautete seine knappe Begründung und ich sah wieder aus dem Fenster.
DU LIEST GERADE
2 refracted Boys.
RomanceOctavian & Keys. »Ich kann auch ohne dich unglücklich sein.« Octavian steckt in einer Beziehung, von der er nicht weiß, wie es weitergehen soll und ob er damit noch glücklich ist. Keys ist unglücklich verliebt und hat sich geschworen seine alte Lieb...