Ich schob ihn von mir, auch wenn es mir schwer fiel und stand auf. Er setzte sich in den Schneidersitz und beobachtete mich. Bloß weil er sich einigermaßen wieder eingekriegt hatte, hieß das nicht, dass er nicht immer noch jeden Moment explodieren konnte. Er senkte seinen Blick auf die Bettdecke und ließ sie durch zwei Finger gleiten. „Es tut mir Leid..." Er sagte es so leise, dass ich die Worte fast bloß erahnen konnte. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er sich entschuldigen konnte. „Ich bin kein Gegenstand, der dir gehört!", hörte ich mich sagen und wunderte mich darüber, woher die Worte kamen. Vielleicht waren sie schon lange in meinem Kopf gewesen... „Und den du gegen die Wand werfen kannst, wenn er nicht funktioniert, wie du es gerne hättest. Oder bei dem du andere zusammen scheißen kannst, sobald sie ihn ohne deiner Erlaubnis benutzen. Ich bin nicht dein Eigentum! Ich kann selbstständig denken und tun und lassen, was ich will. Ich bin nicht zu Hause ausgezogen, um mich jetzt von dir in die Schranken weisen zu lassen, zudem ich nichts verbrochen habe. Er ist kein Fremdgehen, wenn man sich mit einem anderen Jungen unterhält. Aber wenn du jemanden willst, der nach deiner Pfeife tanzt, suche dir keinen Freund, sondern einen Hund." Er stand auf und nahm mein Gesicht in seine Hände, sobald meine letzten Worte, über meine Lippen gekommen waren. Ich bereitete mich innerlich darauf vor, meinen Kopf wegzuziehen, wenn er mich küssen wollte. Doch das tat er nicht. Er drehte sich mein Gesicht zu und sah mir in die Augen. „Es tut mir leid." Ich erwiderte bloß seinen Blick in dem etwas mitschwang, das ich nicht deuten konnte. „Ich meine das ernst. Niemand darf so ausrasten. Verzeih mir. Ich habe einen Fehler gemacht." Seit wann drückte er sich so gewählt aus? Und seit wann entschuldigte er sich? Auch noch zwei Mal! Ich war verblüfft, aber dennoch sauer. Ich zog meinen Kopf zurück. Seine Hände an meinem Gesicht und das Kribbeln, das von ihnen ausging ließen mich nicht klar denken. Dann verschwand ich wortlos aus der Türe und ließ ihn in seinem Zimmer stehen. Die Stufen der Treppe ächzten leise unter meinen Sohlen. Cedric saß am Tisch und hatte eine Tasse Tee vor sich stehen. Er sah von seiner Zeitschrift auf, als ich herein kam. „Was war vorher los?", fragte er mit einem so ausdruckslosen Gesicht wie immer. Ich schüttelte den Kopf und öffnete den Kühlschrank. Es ging ihn nichts auf. „Hattet ihr Streit? Und seit wann trägst du Rouge?" Ich runzelte die Stirn und warf ihm einen Blick zu. „Wieso sollte ich Rouge tragen?" Er strich über seine Wange. „Aber deine eine..." Er hielt inne, starrte mich einen Moment an und seine Lippen formten ein stummes Oh. Damit senkte er den Blick. Ich hatte keine Lust ihm irgendetwas zu erklären, aber wollte auch nichts von seiner Vermutung hören, zudem die wahrscheinlich stimmte. „Wer ist alles da?", fragte ich etwas Normales. „Nur Graham, ich und Hektor." Mir fiel auf, dass er sich vor Hektor nannte. Hektor behauptete immer, dass er sich vor Hektor genannt hatte. Hektor behauptete immer, dass er Cedric mochte und Cedric ihn, aber beide nicht gut darin es einander zu zeigen. So oft und lautstark, wie sie sich ständig stritten, war ich mir nie sicher, ob das wirklich stimmte. „Dann koche ich uns etwas." Er nickte und nippte an seinem Tee. Ich holte zwei Zucchini aus dem Kühlschrank und nahm einen Hokkaido von der Fensterbank. Das Wasser, mit dem ich sie wusch lief kalt über meine Finger und am liebsten hätte ich es mir ins Gesicht gespritzt. Ich legte sie auf die Arbeitsfläche, dann begann ich den Hokkaido vier zu teilen. „Habt ihr Inger?" Ich hörte ein Seufzen. Genauso wenig wie ich die Beziehung zwischen Hektor und ihm einschätzen konnte, wusste ich, was er von mir hielt. „Neben der Kaffeemaschine." Ich nickte, erhitzte Öl in einer Pfanne und ließ den klein geschnittenen Hokkaido reingleiten, bevor ich die erste Zucchini schnitt. Ich hörte tapsige Schritte auf dem Küchenboden und verspannte mich als sich zwei kräftige Arme von hinten um mich schlangen. Hektor drückte mir einen Kuss in den Nacken und ein Kribbeln lief meine Wirbelsäule herunter, wegen seines Atems und seiner Bartstoppeln. Er drehte mein Gesicht ein wenig zu sich, als ich meinen Kopf hob und küsste meine Wange. Er wollte mir einen Kuss geben, aber ich drehte mein Gesicht weg. „Lass das..." „Wieso?" Ich schwieg. Verstand er nicht, dass ich noch sauer war? Aber ich wollte nicht vor Cedric mit ihm streiten und schnitt weiter die Zucchini. Er drehte mich mit seinen Händen an meinen Hüften einmal um meine halbe Achse, sodass wir uns gegenüber standen und klemmte mich zwischen seinen Armen ein, mit denen er sich an der Arbeitsfläche abstützte. „Bist du etwas immer noch sauer?" Ich fasste diese Frage nicht. „Natürlich!" Er war größer als ich und es ärgerte mich, dass ich zu ihm aufsehen musste. „Du willst dich also wirklich streiten?" Seine Augen funkelten aufgebracht zu mir herunter. Meine sahen wahrscheinlich mindestens genauso wütend aus. „Ich? Wer hat hier angefangen mit seinen scheiß Eifersuchtsattacken?" „Denk mal darüber nach, wieso Menschen eifersüchtig sind!", entgegnete er gereizt. Am liebsten wäre ich ihm nicht so nah gewesen. Sollte das ein Rätselraten sein? „Du meinst, da gibt es noch andere Gründe, außer dass sie scheiß Kontrollfreaks sind?" Hektor richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf, verschränkte seine Arme vor der Brust und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Jetzt rastet er aus. Ich wollte mich auf der Stelle in Luft auflösen. „Was ist los?", hörte ich Graham fragen, der jetzt auch in der Küche hinter Cedric stand. Cedric widmete sich wieder seiner Zeitschrift. „Ehestreit.", antwortete er knapp. Hektor wirbelte zu ihm herum. „Halt dein loses Maul." Cedric sah ihn mit einem spöttischen Lächeln um die Lippen an. Dann drehte er sich erneut zu mir herum. „Du bist nicht der einzige Mensch, der darunter leiden." Ich wusste, dass er seine Eifersucht meinte und es beeindruckte mich, dass er darüber sprach, es wahrnahm, aber trotzdem nichts daran änderte. Er sah mir noch einmal in die Augen. Dann drehte er sich um und ging ein schlechtes Gewissen nagte an mir. Ich schnitt die Zucchini und versuchte mich abzulenken. Ich hatte nichts falsch gemacht und bloß die Wahrheit gesagt. Schritte erklangen hinter mir und danach spürte ich eine Hand auf der Schulter. „Er kriegt sich wieder ein." Das wusste ich, aber jeder Streit veränderte ein klein wenig die Beziehung zwischen uns. Die Hand verschwand wieder und Graham setzte Wasser aus. „Spätestens wenn er dein Essen riecht." Ich hörte ihn lachen und war froh, dass Graham wenigstens versuchte mich aufzuheitern, während Cedric am Tisch saß und vortäuschte einen Artikel zu lesen, während er sich die Lippe zerriss, um nicht lauthals loszulachen. Ich gab die Zucchini zu dem Kürbis, wo sie vor sich hinbrutzelte und streute den Ingwer darüber. Dann stellte ich mich wieder an Schneidebrett und schnitt Knoblauch, während Graham seinen Tee aufschüttete. Ich zuckte zusammen, als Bad Love von Eric Clapton durch die Decke drang. Mich erschreckte selbst, die Wut, die meine Brust hochwallte, doch ich ließ sie fließen, meinen ganzen Körper erfüllen und legte mit zittrigen Fingern das Messer beiseite. „Octavian! Du solltest jetzt nicht hochgehen.", hörte ich Graham sagen, aber ich ignorierte ihn und die Bedeutung der Worte gingen in dem Rauschen des Blutes in meinen Ohren unter. Ich stapfte die Stufen hoch und mein Magen zog sich zusammen. Ich stürmte in sein Zimmer, drehte die Stereoanlage herunter und blitzte ihn verärgert an. „Wenn du ein Problem hast, dass sprich!", fuhr ich ihn an. Er hatte die Jeans und das T-Shirt durch ein Sweatshirt und eine Jogginghose ersetzt. Er stand, doch trotzdem hatte ich das Gefühl, dass etwas von seiner sonstigen Größe fehlte. Er trat auf mich zu und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich konnte kaum Atmen, vor Anspannung unter der mein Körper erzitterte. Er stellte sich vor mich und sah zu mir herunter. Er berührte mich nicht, doch die Hitze und das Kribbeln auf meiner Haut täuschten es mir vor. Es schien tatsächlich so, als habe er von seiner Größe eingebüßt. Normalerweise war er einen Kopf größer als ich, aber jetzt kam es mir nicht mehr ansatzweise so viel vor. „Ich liebe dich, Octavian.", hauchte er beinahe und eine Gänsehaut legte sich über meine Haut. Er sprach meinen Namen so unendlich sanft aus... Bleib standhaft, ermahnte mich eine Stimme in meinem Kopf und zu meiner Verwunderung musste ich an die Augen des Jungen denken, den ich in dem Café geküsst hatte. Meine Augen füllten sich mit Tränen, alles verschwamm und ein Schmerz zersprengte meine Burst, den ich zuvor noch nie so gespürt hatte. Es fühlte sich an, als würde er mich in zwei Hälften reißen. Die eine Hälfte aus Mitleid, Liebe für diesen zu groß geratenen, verloren aussehenden, rothaarigen Jungen vor mir, mit dem ich mir hatte vorstellen können, den Rest meines Lebens zu verbringen und die andere aus Schmerz, schlechtem Gewissen und Trauer, über das was aus den gemeinsamen Plänen, die wir einmal gehabt hatten, geworden war, all den Gefühlen, die sich langsam angestaut hatten und jetzt in mir schmerzhaft explodierten, wie angepieckste Luftballons. Ich liebte ihn so sehr und doch machte mich genau das kaputt... Diese ständige Eifersüchteleien und Anschuldigungen, die sinnlosen Streits. Ich spürte seine Arme um mich und merkte erst da, dass ich begonnen hatte zu weinen. Er zog mich zum Bett, wickelte mir die Bettdecke um meine Schultern, die von Schluchzern geschüttelt wurden und setzte sich mit gegenüber, während er mir ein Taschentuch hinhielt und mich besorgt ansah. Und diese Fürsorge gab mir den Rest. Er liebte mich, ich liebte ihn, also wieso konnte nicht einfach alles perfekt sein? Wieso musste, da diese Sache zwischen uns stehen? Ich schluchzte laut auf, ich konnte die Tränen gar nicht so schnell wegwischen, wie sie kamen und fühlte mich schlecht. Konnte man diesen einen Kuss schon als Betrügen sehen? Ich wollte ihn nicht verlieren und doch hatte ich das Gefühl von ihm wegzudriften. Ich wollte ihn festhalten, doch es fühlte sich als, als wolle man Nebel mit hohlen Händen fangen. Er zog mich an seine Brust und da saß ich schluchzend und schniefend, zwischen den Beinen eines Jungen, während mich meine gegensätzlichen Gefühle zu ihm innerlich zerrissen...
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2 refracted Boys.
RomanceOctavian & Keys. »Ich kann auch ohne dich unglücklich sein.« Octavian steckt in einer Beziehung, von der er nicht weiß, wie es weitergehen soll und ob er damit noch glücklich ist. Keys ist unglücklich verliebt und hat sich geschworen seine alte Lieb...