Keys #4

1.1K 106 0
                                    

Ich sah den beiden hinterher. Dieser Junge war gruselig. Als er mir in die Augen gesehen hatte, bloß einen winzig kleinen Moment, war mir eine unheimliche Gänsehaut die arme entlang gekrochen. Und er hatte Octavian geschlagen. Der Lärm und die Gespräche um mich herum, schwollen wieder an, ohne dass ich es wirklich mitbekam. Der Kellner räumte das Glas von Octavian ab. Er zwinkerte mir zu. „Das geht auf mich." Ich nickte benommen. Er klopfte mir auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen. Das war nur Hektor. Er ist ein hoffnungsloser Hitzkopf." „Aber er hat...", setzte ich an. Er lächelte noch aufmunternder. „Mach dir keine Gedanken wegen Octavian. Er hat Hektor besser unter Kontrolle, als es den Anschein hat. Hektor würde für ihn die Sterne vom Himmel holen." Er kratzte sich am Hinterkopf, während ich ihn wenig überzeugt ansah. Dann reichte er mir die Hand. „Hey. Ich bin Liam." Ich ergriff und schüttelte sie. Sein Händedruck war angenehm. „Keys." Er strahlte mich an und offenbarte dabei eine Reihe blendend weißer Zähne. „Freut mich." „Entschuldigung? Hallo? Können wir auch mal bestellen?", rief eine aufgetakelte Frau in Kostüm, die die mit dem ernsten Mann in Anzug hier nicht herein passte. Liam warf ihnen einen kurzen Blick über die Schulter zu und verdrehte dann in meine Richtung die Augen. „Tut mir leid." Liam seufzte, winkte mir und ging zu ihrem Tisch. Ich sah ihm hinterher, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Was für ein merkwürdiger Tag. Wenn das so weiter ging, schaffte ich es vielleicht sogar tatsächlich nicht mehr an Blake zu denken. Ich sah auf die Serviette vor mir. Wie Hektor wohl reagiert hätte, hätte er sie entdeckt? Und wieso hatte dieser Junge, Octavian, mich geküsst, wenn er doch offensichtlich einen Freund hatte? Wenn Hektor überhaupt sein Freund war... Und wieso hatte er mich überhaupt geküsst? Ich stand auf, legte einen fünf Euro Schein auf den Tisch und ging heraus. Ich musste mir den Laden merken, auch wenn ich mir sicher war, dass ich ihn nicht mehr betreten konnte, ohne an Octavian und die Angst einflößenden Augen des Jungen zu denken. Vielleicht könnte ich ja mal mit Blake herkommen... Er würde wahrscheinlich beinahe alle Lieder kennen, die dort gespielt wurden und wahrscheinlich würde er die meiste Zeit bloß über die Leute herziehen, die versuchten besonders zu sein und schräg rumliefen, dabei aber bloß aussahen, als hätten sie die Kleider ihrer Großeltern an. ich würde ihm zuhören und lachen, wenn er etwas besonders Gemeines sagen, aber ich wusste, dass er es gar nicht so gemeint. Dann würden wir... Ich biss mir so stark auf die Zunge, dass ich einen Eisengeschmack im Mund und Tränen in den Augen hatte. Ich durfte nicht so viel über ihn nachdenken und erst recht darüber, was aus uns werden könnte oder was wir machen könnten. es war nur Tagträumerei. Ich liebte ihn, ich war ein mehr oder weniger guter und nerviger Freund für ihn. Das würde nie hinhauen. Ich seufzte und schob den Rucksack auf meinen Schultern anders hin. Ich musste nach Hause und meinen Kopf frei kriegen. Mir fiel aus, dass ich in der Zeit mit Octavian nicht ein einziges Mal an ihn gedacht hatte... Oder zumindest seltener. Obwohl wir uns nicht einmal über etwas unglaublich Aufregendes unterhalten hatten. Er hatte mir im Großen und Ganzen bloß Löcher in den Bauch gefragt und gelächelt. Ich blieb kurz stehen, reckte mein Gesicht der Sonne entgegen, die langsam wärmer wurde und überlegte. Was sollte ich jetzt eigentlich mit seiner Nummer machen? Sollte ich mich tatsächlich bei ihm melden? Wahrscheinlich würde ich das nie... Es käme mir vor, als würde ich Blake einfach vergessen. Ich liebte ihn und da konnte ich nicht einfach mal kurz mit einem anderen Jungen etwas anfangen, der zudem höchst wahrscheinlich einen Freund hatte, der aussah als würde er mich mit einer Handbewegung umbringen können. Wieso machte ich mir überhaupt Gedanken darüber? Hatte ich tatsächlich Interesse an ihm? Ich seufzte, zog die Serviette mit der Nummer aus meiner Hosentasche und warf sie und den nächsten Mülleimer. Vielleicht wollte er auch gar nicht in der Hinsicht etwas von mir, aber weshalb hatte er mich dann geküsst? Schnell ging ich weiter, als hätte ich Angst, dass ich diesen Jungen gar nicht mehr aus dem Kopf bekäme, wenn ich mich noch länger in der Nähe von etwas aufhielt, da mit ihm zu tun hatte. Wahrscheinlich dachte ich bloß wegen seinem schrägen Auftritt und seinem bedenklichen Abgang so oft an ihn. Morgen hatte ich ihn vergessen und selbst wenn nicht, konnte ich ihn nicht mehr erreichen. Ich hatte gedacht ich würde mich erleichtert fühlen, wenn seine Nummer weg war und ich nicht mehr darüber nachdenken müsste. Stattdessen fühlte sich alles in mir schwer an, als wäre es ein Fehler gewesen. Ich setzte meine Kopfhörer auf und versuchte es einfach zu vergessen. Es war schwachsinnig sich darüber Gedanken zu machen. Und es würde mich nirgendwo hinführen. Ich würde ihn wahrscheinlich sowieso nie wieder sehen und die Nummer war auch schon weg...


2 refracted Boys.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt