Mein Handy vibrierte und summte in meiner Hosentasche. Ich stand auf, ohne Marian und Octavian zu beachten, die beinahe zu flirten schienen. Die Überraschung und das Verlangen nach ihm waren durch Wut ersetzt worde. Zu energisch schlug ich die Türe hinter mir zu und nahm den Anruf an. "Kyyy? Wo sind du und Marian?", klang die quietschige Stimme meines kleinen Bruders durch die leise rauschende Leitung. "Bei einem Freund.", entgegnete ich sanft und beinahe war der Ärger für einen Moment vergessen. "Mom wollte wissen, ob ihr beim Abendessen da seit?" Ich warf einen kurzen Blick aif die Uhr an meinem Handgelenk. Es war gerade einmal 16:48 Uhr. "Ja. Ich gehe davon aus." Ich hörte sein Lächeln. "Sie kocht mal wieder.", rief er begeistert. Meine Mutter hatte länger nicht mehr gekocht und mein Vater ließ Soßen anbrennen, Nudeln verkochen und konnte wirklich nicht kochen, auch wenn er sich Mühe gab und mit Leidenschaft dabei war, weswegen wir uns noch nie getraut hatten es ihm zu beichten wie schrecklich seine Kochkünste waren. "Bringst du deinen Freund mit?", fragte Phips begeistert und ich wollte Nein sagen, als ich es mir anders überlegte. Vorsichtig schob ich die Türe auf. "Octavian?" Sie unterbrachen ihr Gespräch über Wandfarben und deren Wirkungen und wandten ihre Gesichter mir zu. Planten sie schon wie sie ihre Wohnung streichen wollten? Mir wurde schlecht und Ärger, diesmal über mich selbst, stieg wieder meine Brust hoch. Ich hatte keinen Grund eifersüchtig zu sein, wenn es das überhaupt sein sollte. "Meine Mutter lässt fragen, ob du zum Abendessen mitkommst?" "Oh." Sein Lächeln war strahlend. Wie konnte man so sauer auf ihn sein? "Liebend gerne." Ich hob wieder das Handy an mein Ohr und mir wurde mulmig zumute, wenn ich daran dachte, dass ich ihn hiermit quasi meinen Eltern vorstellte. Meinen verpeilten, teilweise wirklich peinlichen Eltern und ich hatte ihnen noch nie irgendjemand vorgestellt. "Phips? Ja." Er lachte begeistert. Am liebsten hätte ich ihn durch die Leitung durch gedrückt. "Klasse!" "Bis später.", sagte ich mit einem Lächeln auf den Lippen, schloss die Türe hinter mir und legte auf. "Wer ist Phips?", fragte Octavian mit gerunzelter Stirn und wandte seinen Blick nicht von mir. "Unser Bruder.", antwortete Marian an meiner Stelle. Ich blieb etwas unwohl im Zimmer stehen und steckte mein Handy weg. Es machte mich hibbelig, dass meine Gefühle bezogen auf den Kuss so zerissen waren. Octavian war nett und schien nicht jeden den er traf verführen zu wollen, also weshalb hatte ich dieses unwohle Gefühl in meiner Brust? Bloß wegen seines Freunds? "Kann eure Mutter kochen?", fragte Octavian und schnappte sich ein Kissen. Marian nickte eifrig. "Oh, ja." "Das kommt gelegen.", lachte Octavian. "Ich habe mich seit einer Woche bloß von Fastfood und Kaffee ernährt. Ich kann zwar mehr oder weniger kochen, aber seitdem ich die Gerichte von Hunter probiert habe, schmecken meine nach gar nichts mehr." Er grinste. "Wer ist Hunter?", fragte Marian sofort und ich kam mir idiotisch vor. Octavian schien vor Bekanntschaften mit gutaussehenden Jungen nur so zu sprühen, denn auch wenn Charles verschlossen war und Hektor ihn geschlagen hatte, sahen sie doch alle unbestreitbar gut aus. "Mein Mitbewohner.", antwortete Octavian. Marian setzte sich sofort kerzengerade auf und ihre Augen schienen zu leuchten. " Noch mehr gutaussehende Jungs in Aussicht! Und dieser konnte sogar noch kochen. Ich biss mir bei dem Gedanken sofort auf die Innenseite meiner Wange. Marian war keine Schlampe und hatte es nicht verdient, dass ich so über sie dachte. "Wo ist er gerade?" Ehrliche Neugier klang in ihrer Stimme mit. "Oh. Er treibt sich mal wieder irgendwo herum.", antwortete Octavian nur vage. "Woher das Interesse?", setzte er mit einem schrägen Grinsen hinterher. Ihm war die Begeisterung anscheinend auch nicht entgangen. "Heute hat sich gezeigt, was für ein gutes Händchen du bei Jungs hast." Ihr verschmitztes Lächeln strahlte auch aus ihren Augen heraus und es war als sei ich gar nicht mehr im Raum. Octavian lachte auf und mir fiel auf, dass er dabei die Augen schloss. Es klang so schön und er sah so unbeschwert aus, dass ich beinage gar nicht mehr sauer auf ihn sein konnte. Seufzend ließ ich mich wieder auf den Sessel fallen. "Und wann gibt es bei euch Abendessen?", fragte Octavian weiter. "Normalerweise gegen sieben." Der Junge nickte und warf einen Blick aus dem Fenster. "Fahren wir trotzdem schon einmal hin?", fragte Marian, fast genauso begeistert wie gerade eben. "Fahren?" Octavian zog eione Auigenbraue hoch. "Wir sind mit den Fahrrädern da.", erklärte ich und erwiderte seinen Blick kühl. Irgendetwas in meinem Inneren ließ es nicht mehr zu, dass ich ihn so naiv wie zu Beginn sah und ich konnte nicht glauben, dass der Beginn erst vor zwei Tagen gewesen war. "Oh... Also ich habe kein Fahrrad. Das das ich gestern hatte war von Charles." In seiner Stimme lag etwas Entschuldigendes. "Und Hunter?", fragte ich gleich und funkelte ihn an. Marian sah etwas verwirrt zwischen uns hin und her. Sie schien die Spannung zu bemerken. "Ist unterwegs.", sagte er knapp und eine seiner Augenbrauen hob sich. Die fragende Geste machte mich fertig und ich stand auf. "Dann setz du dich auf den Gepächträger." "Von wem?" Ich stapfte aus dem Raum heraus und hörte an dem Rascheln, dass sie mir folgten. Marian flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich war genervt. Von mir, von Octavian, von Marian, von der ganzen Welt. Er schnappte sich den Hausschlüssel und hielt uns galant die Haustüre auf. Ich wich seinem Blick aus und stellte mein Fahrrad auf. "Ich fahr bei dir.", stellte er mit einem Lächeln auf den Lippen fest und ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Sein Blick war selbstsicher und brachte mich etwas raus. Er setzte sich auf den leise quietschenden Gepächträger, mir wurde heiß und ich spürte ein paar seiner Haarsträhnen im Nacken. Ich zwang mich dazu loszufahren, zuerst etwas schlingernd, und nicht mehr an seine körperliche Nähe zu denken, was schwer war, da ich seine Knie an den Seiten meiner Oberschenkel spürte und er seinen Kopf an meine Wirbelsäule gelegt gatte, während sich seine Hände in meinem T-Shirt knapp unter meiner Brust festhielten. Ob er meinen rasenden Herzschlag spürte? Mein ganzer Körper kribbelte und ich konnte mich kaum auf den Weg konzentrieren. Das schöne, freundliche Licht eines Frühabends im Sommer herrschte und verbreitete die perfekte Stimmung, Verliebte Paare wichen uns aus, eisessende Kinder spielten Fange und weinten, wenn ihnen die Kugel aus der Waffel fiel. Ich stellte mir vor, wie er mnir ein Eis kaufte, wie uns auf die Stufen vor der Kirche setzten und uns unterhielten, bis die Sonne hinter den Dächern unterging. Mir wurde noch heißer und ich fuhr schneller. Konzentrierte mich auf die fließenden Bewegungen meiner Beine. Ich durfte so nicht denken. Nicht wenn ich sauer auf ihn sein wollte. Nicht während er noch einen Freund hatte. Schlitternd hielt ich mit dem Fahrrad vor unserer Haustüre. Meinen Herzschlag spürte ich bis hoch in meinen Hals. Ich kramte den Hausschlüssel aus meiner Hosentasche und schloss auf. Marian verschwand nach oben, aus der Küche duftete es fantastisch nach Basilikum und Oregano. Octavian folgte mir, als ich in den Garten trat, mich unter den Baum ins Gras setzte, der das Sonnenlicht in konfuses Zwielicht verwandelte und merkte, wie er sich neben mich setzte. Sein Arm streifte meinen. "Was ist los?", fragte er gerade heraus, lehnte den Kopf gegen die Rinde des Baumes und sah hoch zu den Ästen, zwischen denen Traumfänger im Wind wehten, die dort schon hingen seit ich denken konnte. Er wartete geduldig auf meine Antwort, die auf sich warten ließ. "Du solltest mich nicht küssen...", sagte ich das erste, das mir in den Kopf kam und richtig klang. "Du meinst wegen...der Sache mit Hektor?" Ich runzelte die Stirn und studierte erneut sein Profil. Seine Haut schimmerte blass in dem Licht. Es war merkwürdig, dass er seine Beziehung "die Sache mit Hektor" nannte. "Also...ja." "Glaubst du man kann in zwei Menschen verliebt sein?", fragte er unvermittelt. Mir fiel das Atmen schwerer. "Gleichzeitig? Nein. Man wird einen immer mehr lieben.", antwortete ich wieder nach einer kurzen Bedenkzeit. Seine Wärme fraß sich durch mein T-Shirt zu meiner Schulter und jagte mir einen Schauer über den Rücken. "Also muss man sich entscheiden?", fragte er beinahe und schloss die Augen. Seine Wimpern zeichneten sich schwarz gegen die grünen Blätter ab. Ich nickte knapp und schickte ein zägliches "Ja." hinter, als ich mich daran erinnerte, dass er es ja weder sehen noch hören konnte. Er seufzte. "Und dabei hilft wahrscheinlich nur in sich rein hören." Er seufzte wieder. "Hör auf dein Herz und der ganze Schwachsinn. Dabei vermeide ich das gerade die meiste Zeit." Ich schwieg, da ich nicht wusste, was er genau damit meinte, geschweige denn was ich darauf antworten sollte. Mir wurde heiß, als ich auf meine Jeans an den Knien starrte, die leicht grün wirkte und versuchte mich nicht zu fragen, ob er in mich verliebt war. Nach zwei Tagen? Nach so kurzer Zeit? War er sich sicher? Er war mit Hektor länger zusammen und trotz des schlechten ersten Eindrucks des Jungen, tat er mir leid. Ich biss auf meiner Lippe herum. Das konnte er nicht meinen. Vielleicht bildete ich mir auch etwas ein... Ich tat es ihm gleich und lehnte meinen Kopf auch gegen den Baum. Aber was bedeuteten die Küsse? Der lange Blick? Und das Herzklopfen und Kribbeln? Ich hatte genug Liebeslektüre gelesen, um zu wissen, was für Symptome das waren. Wieso fragte er so etwas gerade heraus? Wusste er nicht, dass er damit alles über den Haufen warf? Mich durcheinander brachte und verunsicherte? Er legte eine Hand sanft auf meine und ich zuckte zusammen. "Mach dir keine Sorgen, ja?" Ich öffnete meine Augen und sah direkt in seine. Sie wirkten dunkler als sonst, aber vielleicht lag das auch bloß an dem Licht. "Und mach dir nicht zu viele Gedanken. Alles fließt und alles wird sich ergeben.", meinte er fpr meinen Geschmack zu leicht dahin und als seine Fingerkuppe über meine Wange strich, war wieder das Herzklopfen da. Seine Augen waren sanft, aber bestimmt. Und ich wusste, dass ich mich nicht mehr gegen das in meiner Brust keimende Gefühl wehren konnte,. Es war schon viel zu spät. Und dabei kannte ich ihn nicht einmal.
DU LIEST GERADE
2 refracted Boys.
RomanceOctavian & Keys. »Ich kann auch ohne dich unglücklich sein.« Octavian steckt in einer Beziehung, von der er nicht weiß, wie es weitergehen soll und ob er damit noch glücklich ist. Keys ist unglücklich verliebt und hat sich geschworen seine alte Lieb...