Ich blickte aus dem Fenster. Wälder, Seen und Felder zogen vorbei, ich hing meinen Gedanken nach. Die Wolken erzählten Geschichten. Ununterbrochen veränderten sie ihre Form und tanzten voller Leichtigkeit über den ansonsten klaren Herbst-Himmel. Eine Zeit lang beobachtete ich sie und versuchte zu entschlüsseln, was sie mir mit ihren Formationen berichten wollten.
Als es langsam dunkler wurde löste ich meinen Blick von den Weiten der englischen Natur und kehrte gedanklich in den Zug zurück. Die komplette Zeit über war ich alleine in meinem Abteil geblieben. Ich begann mich zu wundern. Eigentlich war der Zug immer gut gefüllt, aber im Grunde störte es mich auch nicht wirklich.
Wieder beobachtete ich. Doch dieses Mal musste ich meinen Blick nicht in die Ferne schweifen lassen. Unzählige Schüler liefen auf dem Gang entlang, vorbei an meinem Abteil. Die älteren Schüler waren auf der Suche nach ihren Freunden, die sie die Ferien über nicht gesehen hatten, die jüngeren mussten anscheinend ihre Aufregung abbauen. Oder einfach nur ihren Bewegungsdrang ausleben.
Ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter mit dunkelbraunen Locken lief etwas langsamer an meinem Abteil vorbei, sah mich an und lächelte. Leider hatte ich damit nicht gerechnet und brauchte zu lange, um zurück zulächeln.
Nach ein paar Schritten kam sie allerdings zurück. "Kann ich mich zu dir setzen?", fragte sie strahlend, während sie vergeblich versuchte ihre Korkenzieherlocken aus dem Gesicht zu streichen. Ich war irritiert. Das schlug sich auch in meiner Antwort nieder: "Warum? Ich mein... Na klar, äh..."
Sie setzte sich mir gegenüber und ich stellte fest, dass sie bereits ihren Umhang trug. Der gelben Farbe nach zu schließen war sie im Haus Hufflepuff. Ich konnte mich nicht daran erinnern, sie schon mal irgendwo gesehen zu haben. Aber da ich ein unglaublich schlechtes Gedächtnis hatte, was Menschen betraf, hatte das wenig zu bedeuten.
"Ich bin Ariana", stellte sie sich vor. "Ich wollte dich nicht überrumpeln oder so, sorry! Aber du sahst so einsam aus, da wollte ich dir kurz Gesellschaft leisten!"
Wieder irritierte sie mich. So viel Freundlichkeit hätte ich nicht erwartet. Ich antwortete ihr: "Danke, das finde ich gerade richtig nett!"
Sie sah mich einen kurzen Moment an, drehte ihren Kopf leicht auf die linke Seite und überlegte: "Du musst auch in der siebten Klasse sein, aber ich hab dich noch nie im Unterricht gesehen...?"
Ich musste jetzt ebenfalls grinsen. "Ja eigentlich müsste ich schon fertig sein, war letztes Jahr allerdings... Verhindert", das letzte Wort sprach ich mit besonderer Bedacht aus. Ich sah ihr an, dass sie gerne nachfragen würde, sich aber anders entschied. Dafür war ich ihr wirklich dankbar.
Allerdings stellte Ariana eine andere Frage: "In welchem Haus bist du eigentlich?"
Ich unterbrach kurz den Blickkontakt und räusperte mich kurz. "Ähm... Slytherin...", sagte ich und konnte sofort die Reaktion beobachten, die ich erwartet hatte. Sie lehnte sich leicht zurück, ihr Blick verhärtete sich und sie verlor ihr Lächeln.
"Ich weiß auch nicht, warum ich in diesem Haus bin!", entgegnete ich prompt. "Ich bin kein typischer Slytherin!"
"Aha", sagte sie noch immer skeptisch.
Ich hielt einen kurzen Moment inne und sagte dann: "Wenn ich wirklich wütend bin oder jemanden wirklich verachte, dann kann ich wirklich mies und hinterhältig und sehr slytherinisch werden, aber prinzipiell komme ich mit jedem gut zurecht, solange das auf Gegenseitigkeit beruht..."
Auch das schien sie nicht zu überzeugen, obwohl sie sich nicht mehr ganz so weit zurücklehnte.
"Außerdem...", fügte ich noch bitter hinzu, "...ist man als Schlammblut nicht gerade weit oben auf der Beliebtheitsskala."
Ariana blickte mich schockiert an: "Warum nennst du dich selbst so?!"
Ich lachte zynisch. "Dann tun es die anderen nicht!"Man sah ihr an, dass sie angestrengt die richtigen Worte suchte. Sie dachte über das nach, was ich gesagt hatte.
Sie sah kurz auf den Gang hinaus und sagte dann völlig aus dem Nichts: "Vielleicht ziehst du auch deinen Umhang an, wir dürften bald da sein. Ich muss jetzt auch los, hab einem Freund versprochen, noch mal kurz vorbeizuschauen!"
Sie stand auf, ich nickte nur wortlos.
Mit dem gleichen strahlenden Grinsen wie zu Beginn unseres Gesprächs sagte sie noch kurz "Und... Womöglich sieht man sich im Unterricht, ich würde mich freuen!", bevor sie endgültig verschwand. Wieder einmal konnte sie nicht sehen, dass ich das Lächeln erwiderte.

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Deep down inside me.
Fiksi Penggemar1980. Severus Snape beginnt auf Hogwarts zu unterrichten. Der Krieg in der Welt der Zauberer erlebt seinen Höhepunkt. Die Hauptfigur dieser Geschichte kehrt für ihr finales Jahr an die Schule für Hexerei und Zauberei zurück. Sie lebt in einer Zeit...