Unvorhergesehene Wendungen

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Ich sah ihn an. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch konnte ich den Schmerz in seinen Augen sehen, den unser vorangegangenes Gespräch mit sich gebracht hatte.
Ich fühlte mich schlecht, dass ich das Thema angesprochen hatte. Doch kannte ich jetzt einen wichtigen Teil seiner Vergangenheit. Ich hatte das Gefühl, dass mir vieles über ihn klarer geworden war.
"Huch", entfuhr es mir plötzlich. "Ich habe ja noch ein Geschenk für dich!"
Er versuchte erfreut zu lächeln, doch wirkte es gequält und erzwungen.
Ich zog ein grünes, mit kleinen silbernen Schlangen bemaltes Päckchen aus meiner Tasche und reichte es ihm.
Ein nun ehrliches, verstohlenes Lächeln huschte über seine dünnen Lippen. Er begann vorsichtig das Papier zu lösen.
Doch bevor er einen Blick darunter werfen konnte, klopfte es an seiner Tür.

"Herein", rief er mit einem leicht verärgerten Unterton.
Die Tür öffnete sich. In ihr stand Professor Dumbledore.
Mit einem Lächeln betrat er das Büro und lies den Blick über die Deko schweifen, die erbärmlich über den staubigen Gefäßen in Severus' Regalen hing. Ich konnte sehen, wie schwer es ihm fiel, sich einen Kommentar zu verkneifen.
Stattdessen sagte er aber nur ernst: "Severus, ich muss mit Ihnen reden."
Mit einer Geste seiner Hand bedeutete der Angesprochene ihm, dass er dem ruhig Folge leisten könne.
Doch Dumbledores Blick ruhte auf mir. Etwas unangenehm rutschte ich auf meinem Stuhl umher und machte anstalten aufzustehen, doch Severus kam dem zuvor: "Was auch immer Sie mir zu sagen haben, Dumbledore, kann sie mit anhören!"
Seine Aussage bedeutete mir viel. Es war ein tiefer Beweis seines Vertrauens, das er mir wenig zuvor noch nicht entgegengebracht hatte.

Dumbledore nickte nur und kam sofort zu dem, weswegen er gekommen war: "Ich habe Informationen, dass Voldemort Sie bereits heute Nacht zu sich rufen wird."
Ich zuckte leicht zusammen, als er den Namen des Dunklen Lords nannte. Ich sah Severus besorgt an. Es widerstrebte mir zutiefst, ihn in dieser Gesellschaft zu wissen.
"Ich verstehe", sagte dieser nur ausdruckslos.
"Ich wollte Sie nur erneut darauf hinweisen, dass Sie dringend den Aufenthaltsort der Smith-Brüder in Erfahrung bringen müssen", sagte Dumbledore eindringlich.
Severus stöhnte entnervt: "Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich nicht davon ausgehe, dass sie noch leben. Es ist ein herber Verlust für den Orden, aber..."
Doch Dumbledore unterbrach ihn: "Tuen Sie alles Ihnen mögliche, Severus. Ich möchte nun auch nicht weiter stören. Gute Nacht."
Und mit diesen Worten verschwand er so plötzlich, wie er eben erschienen war.
Severus' Gesicht war von dunklen Schatten überlagert.
Er wirkte plötzlich unglaublich erschöpft.
Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und zuckte leicht zusammen, als ich ihn sanft an der Schulter berührte.

"Es tut mir leid", flüsterte er durch seine blassen Hände hindurch.
"Severus", gab ich mit sorgenvoller Stimme zurück, "der Letzte, der sich entschuldigen muss, bist du!"
Er sah mich nun an und seine dunklen Augen schienen erschreckend leer.
"Doch, ich muss mich entschuldigen. Für das, was ich bin und für das, was ich getan habe. Jeder Moment wird davon bestimmt...", seine Stimme brach.
"Hör auf so einen Schwachsinn zu reden!", sagte ich aufgebracht. Es machte mich wütend, wie er von all dem eingenommen und zerstört wurde.
"Es war sowieso eine grauenvoller Geburtstagsfeier", versuchte ich ihn aufzuheitern.
Es funktionierte nur bedingt. Er schnaubte bitter und sagte mit einer vor Sarkasmus triefenden Stimme: "Mit ein paar Todessern und dem Dunklen Lord wird das bestimmt besser!"
Ich verdrehte nur die Augen und gab zurück: "Dann nimm mich mit!"
Kurz dachte ich, so etwas wie Angst und Entsetzen in seinem Blick gesehen zu haben. "Nein", antwortete er schlicht.
Ich hatte nicht erwartet, dass er etwas anderes sagen würde.
Noch bevor ich erwidern konnte, trat ein schmerzverzerrter Ausdruck auf sein Gesicht. Manisch umklammerte er seinen linken Unterarm.
Besorgt fasste ich ihn an die Schulter und spürte im nächsten Moment eine Art brennenden Sog, der sich von meiner Hand über meinen kompletten Körper ausbreitete. Ich befand mich in Bewegung, doch war mein gesamtes Sichtfeld schwarz. Ich wusste nicht, was geschah.
Noch bevor ich es herausgefunden hatte, schlug ich mit meinem gesamten Gewicht auf einen feuchten Untergrund auf.

Ich stöhnte leicht, öffnete meine Augen und sah in das entsetzte Gesicht Severus Snapes, der aufrecht vor mir stand.
Ich sah mich um und stellte fest, dass ich mich am Rande eines dunklen Waldes befand. Ich richtete mich schwermütig auf und sagte nur: "Und ich dachte, man könne nicht in Hogwarts disapparieren."
"Dunkle Magie", brachte er nur hervor. Sein Gesicht war noch immer schmerzverzerrt. Ich war mir nicht sicher, ob es wegen des Dunklen Mals war, oder, weil er mich erneut in eine sehr ungünstige Situation gebracht hatte.
"Hör zu", sagte er nur ungeduldig und fuhr sich mit leichten Anzeichen von Überforderung durch die Haare, "du wartest einfach hier, bis ich zurück komme und dann erkläre ich dir alles!"
Ich nickte nur. Ihm blieb nichts anderes übrig. Apparieren war schließlich keine Option für mich und für etwas anderes blieb keine Zeit.

"Pass auf, dass dich keiner sieht", flüsterte er nur mit sorgenvoller Stimme und ging auf eine kleine Hütte einige hundert Meter von unserem Waldrand entfernt zu, die mir erst jetzt aufgefallen war.
Darin brannte Licht und ich konnte schwarze Gestalten auf und ab gehen sehen.
Ich sah ihm nach und nachdem er in den dunklen Schatten der Nacht verschwunden war, kauerte ich mich hinter einen Baum und hoffte nur, dass alles gut gehen würde.

Deep down inside me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt