Lippenbekenntnisse

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Kleine Umfrage, bevor ihr das Kapitel lest: Wer denkt, dass ich euch mit der Überschrift wieder nur verarschen möchte? ;)




Ich hatte gerade das letzte Stückchen Brokkoli heruntergeschluckt, da fragte William mich bereits: "Wollen wir tanzen?"
Noch bevor ich geantwortet hatte, zog er mich auf die Tanzfläche. Gut, dachte ich mir, so schnell kann's gehen.
Offensichtlich gab es noch mehr Schüler, die es ebenfalls kaum abwarten konnten.
So befand ich mich in der Mitte einer euphorischen Menschenmasse und meine größte Angst war es, irgendjemandem auf die Füße zu treten.
Ich hatte nie tanzen gelernt, doch William war sehr gut darin, mich zu führen.
So hatte ich nicht halb so viele Probleme wie erwartet und konnte mich, nachdem ich in einen gewissen Rhythmus gekommen war, ein wenig umsehen.
Die Halle war eigentlich ziemlich hübsch dekoriert, sehr hell mit vielen Lichtern.
"Snape starrt uns an", raunte William mir plötzlich zu und drehte mich so, dass ich einen Blick auf den Lehrertisch werfen konnte.
Als ich zu ihm herübersah, schien er gerade ein tiefes Interesse an der Tischdecke zu entwickeln.
Ich legte meine Arme um Williams Hals und den Kopf auf seine Schulter, damit ich unauffällig antworten konnte: "Quatsch, vermutlich hat Snape einfach nur jeden angestarrt, der Spaß zu haben scheint. Sowas liegt ihm nicht so."
"Ernsthaft, eben schon wieder! Das war ein richtiger Basilisken-Blick, der mich da ereilt hat!", beharrte er auf seiner Meinung.
"Wieso sollte er?", fragte ich.
William zuckte nur mit den Schultern und wir nahmen wieder unsere normale Haltung ein.

"Können wir kurz aufhören, mein Fuß hat angefangen zu schmerzen", sagte ich zu ihm.
Er nickte nur verständnisvoll und wir setzten uns zu meiner Zimmergenossin Mary an einen Tisch, die offensichtlich auf ihren Partner wartete. Ich vermutete, dass er ihr etwas zu trinken besorgen würde.
"Oh hallo, schön dich mal wieder zu sehen", begrüßte sie mich schüchtern. Nach einigen Vorfällen, bei denen ich von einer ihrer Freundinnen beleidigt wurde und auch sie sich unbeabsichtigt nicht allzu nett geäußert hatte, wusste sie offenbar nicht, wie wir nun zueinander standen.
"Ja, finde ich auch", sagte ich und lächelte sie an.
Ich hatte keine Lust auf eine angespannte Stimmung und betretenes Schweigen.
Nachdem ihr Partner zurückgekommen war, verfielen wir in eine angeregte Debatte über die laufende Quidditch-EM, unseren nächsten Test und was wir in unseren Ferien unternommen hatten.
So bemerkte ich nicht, wie viel Zeit verging und dass sich die Halle langsam aber sicher geleert hatte.
Erst als Mary gähnte: "Ich glaube, wir machen uns mal auf den Weg!" wurde mir bewusst, wie lange wir uns unterhalten hatten.
Nur noch wenige Schüler waren übrig geblieben, auch konnte ich nur etwa ein halbes Dutzend Lehrer entdecken.
Snape saß noch immer an seinem Platz und ich fragte mich, ob er sich überhaupt schon bewegt hatte. Warum ging er nicht einfach?
Aber er sollte mir egal sein.
Ich sah wieder William an, dem gerade von einem seiner Freunde vom anderen Ende der Halle zugewunken wurde.
"Ich geh mal kurz rüber, ja?", fragte er mich.
"Klar, bis gleich!", gab ich zurück.
Etwas zögerlich machte er sich auf den Weg, als würde er denken, es machte mir wirklich etwas aus, kurz auf ihn zu warten.

Ich war so tief in meine Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, dass jemand auf mich zugekommen war.
Zuerst dachte ich, dass William zurückgekommen wäre.
Doch bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass niemand geringeres als Severus Snape vor mir stand.
"Darf ich Sie zum tanzen auffordern?", fragte er mich.
Ich war vollkommen verwirrt.
"Waren wir nicht schon beim 'Du'... Professor?", fragte ich ihn sarkastisch.
"Nun, ich hatte das Gefühl, wir hätten uns wieder etwas voneinander... entfernt", antwortete er mir leise.
Er wollte sich gerade umdrehen, da reichte ich ihm meine Hand: "Ich würde gerne mit dir tanzen, Severus!"
Sein Gesicht blieb ausdruckslos, doch nahm er meine Hand und zog mich von meinem Platz.
"Ich muss unbedingt mit dir reden", flüsterte er mir zu.
Da ich nicht antwortete, redete er weiter: "Ich weiß nicht, wie ich alles erklären soll. Aber es gibt so vieles, was ich dir nicht gesagt habe..."
Wir standen einfach nebeneinander und flüsterten uns zu.
Wir mussten ein äußerst komisches Bild abgegeben haben.
"Ist schon okay, du hast schon mit so einigem aufgeräumt, als du mich verarztet hast", sagte ich zu ihm.
"Das hast du mitbekommen?", fragte er entsetzt.
Ich bewegte mich langsam in Richtung Tanzfläche. Zwar war ich nicht besonders begeistert von der Idee, noch weiter zu tanzen, doch erschien es mir die beste Alternative zu unserem anfänglichen Rumstehen.
"Ja. Ich hab dich gehört...", antwortete ich schließlich.
Er legte eine Hand an meine Hüfte, nahm meine in die andere und flüsterte mir zu: "Ich bin ein grauenvoller Tänzer!"
Ich musste lachen: "Glaub mir, ich auch! Das wird schön."
Meine Aussage entlockte ihm ein leichtes Grinsen.
Wir drehten uns langsam.
Wir hatten Glück, dass die Musik einigermaßen langsam war und es so reichte, sich ein bisschen in ihrem Takt zu bewegen.
"Lily war meine beste Freundin...", begann er.
Ich nickte.
"Aber wir haben uns immer mehr auseinandergelebt, ich bin immer tiefer in die Reihen der Todesser gedrungen..."
Ich schwieg. Mir fiel keine passende Antwort ein.
"Ich habe sogar...", seine Stimme brach.
"Ja?", fragte ich leise.
"Ich habe sie Schlammblut genannt! Es war nicht meine Absicht, es war so dumm...", eine Träne glitzerte in seinem Auge.
"Meinte sie das, als sie sagte, du sollst den gleichen Fehler nicht zwei Mal begehen?", fragte ich ihn, da mir diese Aussage wieder ins Gedächtnis kam.
"Auch... Aber ich denke, nicht nur...", begann er.
Ich spürte, dass wir uns immer näher gekommen waren. Der anfängliche Abstand hatte sich allmählich verringert.
"Glaubst du, man kann eine Person zwar mit jeder Faser seines Körpers lieben, sich aber trotzdem auf seltsame Weise in der Gegenwart einer anderen unglaublich wohl fühlen, zu ihr hingezogen sein und...", er beendete seinen Satz nicht.
"Ja", hauchte ich.
"Ja?", fragte er nach. "Aber ist es dieser Person nicht unglaublich ungerecht gegenüber, wenn sie weiß, dass..."
"Wenn diese... Person weiß, dass die andere verheiratet ist, unerreichbar für ihn... dann kann sie damit leben. Dann wird sie damit leben müssen, wenn er ihr etwas bedeutet. Dann wird sie rausfinden müssen, ob das alles funktioniert...", flüsterte ich mit bebender Stimme.
Was ich gesagt hatte, erschien mir fern. Als hätte es jemand anderes gesagt. Als wären es nicht meine Gedanken und Gefühle.
Doch ich wusste, dass mir einiges erst klar geworden war, als ich es ausgesprochen hatte.
Seine Hand lag sanft an meiner Hüfte. Er zog mich langsam zu sich, sodass sich der Abstand zwischen uns noch weiter verringerte. Ich sah im tief in die dunklen Augen. Alles um mich herum verblasste und verschwamm.
Mit seiner anderen Hand strich er mir leicht über die Wange und ließ sie dort ruhen. Sein Gesicht musste meinem Stück für Stück näher gekommen sein, ich spürte seinen stockenden Atem.
Ich schloss meine Augen.
Es fühlte sich unendlich lange an, dass ich so ausharrte.
Dann spürte ich seine Lippen auf meinen.

Deep down inside me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt