Severus Snape

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Ein wenig verloren saß ich schließlich am Slytherin-Tisch.
Die allgemeine Stimmung in der großen Halle war gut, viele freuten sich, ihre Freunde wieder zu sehen, andere freuten sich einfach nur auf das Festmahl. Ich gehörte ganz klar zu Letzteren.
In meinem Haus hatte ich nie viele Freunde gehabt, dennoch gab es Leute, mit denen ich ganz gut zurecht kam.
Allerdings gab es viele, mit denen es komplett gegensätzlich war. In den letzten Jahren musste ich entsetzt feststellen, dass die rassistischen Gedanken der Todesser immer mehr Einzug in den Slytherin-Alltag fanden und sich langsam etablierten.
Ich war immer von den direkten Folgen des stattfindenden Krieges verschont geblieben. Hogwarts war vermutlich der sicherste Ort weltweit und auch in der Zeit, in der ich in Deutschland war, war ich relativ sicher gewesen. Dennoch bekam ich natürlich mit, was für grauenhafte Dinge vor sich gingen. Ich hatte unglaubliche Angst eine der Nächsten zu sein, die einfach verschwanden. Und getötet wurde.

Einige Slytherins waren nicht so sehr auf die Reinheit des Blutes Bedacht wie andere. Mit ihnen kam ich klar.
Mit den verrückten Fanatikern, die genügend von ihren Todesser-Eltern geprägt waren, hatte ich schon ernsthafte Schwierigkeiten gehabt.
Einer der Hauptgründe, warum ich eigentlich nicht nach Hogwarts hatte zurückkommen wollen.

Während der Zuteilung der neuen Erstklässler klatschte ich zwar brav mit, schenkte ihnen aber keine Aufmerksamkeit.
Mein Blick wanderte durch die Halle und blieb schließlich am Tisch der Lehrer hängen. In der Mitte saß Dumbledore, daneben Professor McGonagall und... Ich hielt irritiert inne. Wo war Professor Slughorn? Der Lehrer für Zaubertränke und der Hauslehrer Slytherins? Ich wurde panisch.
Ich hatte ihn immer sehr geschätzt, da er nicht auf das Blut von Menschen achtete, sondern lediglich auf ihr Können.
Er war ebenfalls ein untypischer Slytherin gewesen. Er wies viele typische Eigenschaften auf, dennoch war er einer von den Guten.
Auf seinem Platz saß ein Mann, wie mir erst später auffiel, der nur wenige Jahre älter schien als ich selbst.
Sein Blick war zwar auf die Zuteilung gerichtet, aber ähnlich wie ich selbst machte er den Eindruck sie kaum wahrzunehmen.
Komischerweise kam er mir bekannt vor, ich konnte ihn aber nicht zuordnen, so angestrengt ich auch nachdachte.
Er war unscheinbar, man konnte so einfach über ihn hinwegsehen, dass man ihn überhaupt nicht bemerkte.
Er war blass, wirkte eher ungesund. Sein schwarzes Haar reichte bis auf seine Schultern und sah nicht aus, als würde er sich besonders viel aus seinem Aussehen machen.
Seine Augen hatten die gleiche Farbe wie seine Haare: Tiefschwarz. Allerdings tiefgründig. Man sagte, die Augen seien der Spiegel zur Seele. Bei ihm musste es eine gequälte Seele sein. Eine Seele, die für sein junges Alter schon viel mitgemacht hatte.
Aber vielleicht interpretierte ich nur zu viel in den müden Blick eines müden Mannes, dachte ich innerlich seufzend.

Plötzlich erhob Dumbledore sich, ich schenkte dem Geschehen nun wieder meine Aufmerksamkeit.
"Willkommen in Hogwarts, willkommen zurück!", sagte er mit tiefer, aber angenehm warmer Stimme. Die Halle war nun leise geworden, es herrschte Totenstille. Niemand wollte auch nur ein Wort des Schulleiters verpassen.
"Bevor ich das wie immer vorzügliche Festmahl eröffne", sein Blick schweifte zwinkernd durch die Halle, als wolle er jedem Schüler einzeln in die Augen sehen, "möchte ich ein paar Dinge verkünden: Professor Slughorn ist nach jahrelangem, sehr guten Dienst an unserer Schule in den wohl verdienten Ruhestand getreten. Beerbt wird er von einem nicht minder geschätzten Kollegen von mir, Professor Severus Snape, der Ihnen mit seinen außerordentlichen Fähigkeiten sicherlich einiges im Fach Zaubertränke beibringen wird. Ebenfalls übernimmt er den Posten des Hauslehrers von Slytherin, da er in seiner Zeit an dieser Schule ebenso Teil dieses Hauses war... Und nun. Lasst es euch schmecken!", sagte der alte Magier abschließend mit einem Lächeln. Unter Beifall setzte er sich zurück auf seinen Thron-ähnlichen Stuhl und sofort erschienen unzählige Speißen auf den Tischen in der großen Halle. Untermalt mit 'Ah!'s und 'Oh!'s griffen die Schüler begeistert zu ihren Lieblingsgerichten und folgten Dumbledores finaler Anweisung.
Mein Blick lag noch immer auf dem neuen Lehrer, Snape. Kritisch betrachtete ich ihn und überlegte fieberhaft, woher er mir bekannt vorkam.
Ein anderer Slytherin, William, er war nun ebenfalls in der siebten Klasse und ich hatte ihm gelegentlich mit seinen Hausaufgaben geholfen, beugte sich zu mir und fragte: "Hat dieser Snape nicht seinen Abschluss gemacht, als wir so in der dritten oder vierten Klasse waren?"
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: "Ja! Stimmt!", schrie ich fast und fasste mir an die Stirn.
Warum war ich nicht früher darauf gekommen? Dieser Kerl hatte so gut wie immer in der Abteilung für verbotene Bücher in der Bibliothek gesessen, wenn ich dort war.
Er war tief über die Bücher gebeugt, seine Nase berührte fast das Pergament, er machte eilige Notiz in seiner engen Schrift und füllte damit ganze Stapel von Papier.
Auch hatte er immer auf dem gleichen abgelegenen Sessel im Slytherin-Gemeinschaftsraum gesessen. Wieder versunken in Bücher, von denen ich mir sicher war, dass man sie nicht einmal in der verbotenen Abteilung von Hogwarts hätte finden können. Ansonsten wusste ich ziemlich wenig über ihn, er war damals schon eher unscheinbar gewesen.

"Und jetzt soll er uns unterrichten... Was da wohl bei rauskommt?", sagte William, während er ein Stück Hühnchen auf seinen Teller packte.
"Werden wir sehen...", antwortete ich ihm, während ich selbst lieber zu den Kartoffeln griff.

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