Happy Birthday!

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Als ich am Morgen des 9. Januars aufwachte, musste ich sofort anfangen zu grinsen.
Zwar hatte ich nur einen Tag gehabt, um mir etwas für Severus' Geburtstag zu überlegen, doch hatte ich trotzdem ein paar kleine Dinge geplant, mit denen ich ihn hoffentlich überraschen konnte.

Zwar war es bereits Freitag, doch hatte ich aus verschiedenen Gründen erst an diesem Tag meine erste Stunde Zaubertränke nach den Ferien. Und somit allem, was zwischen uns passiert war.
Ich war mir bewusst, dass es seltsam werden würde.
Seufzend setzte ich mich an meinen Platz neben Ariana.
Sie begrüßte mich schlicht, lächelte freundlich und sah von einem weiteren Kommentar über mich und Severus ab.
Dieser hatte gerade den Raum betreten, begrüßte uns knapp und erklärte: "Wir werden sofort wieder in unseren Unterricht einsteigen, ich will möglichst wenig Zeit verschwenden! Heute werden wir uns intensiv mit der Gegengift-Theorie nach Eltringham befassen. Das bedeutet, dass wir von einem praktischen Teil in der Stunde absehen. Diesen werden Sie allerdings in den nächsten Stunden nachholen, in denen ich leider nicht anwesend sein werde. Während Sie das zugehörige Kapitel als Einstieg ins Thema lesen, sammle ich die Aufsätze ein, die Sie im Laufe der Woche schreiben sollten."
"Verdammt", zischte ich an Ariana gewandt.
"Hast du das etwa nicht gemacht?", fragte sie.
"Dann hätte ich jetzt wohl anders reagiert, oder?", seufzte ich.
Sie begann zu kichern und sagte: "Dein Liebster wird dir schon verzeihen!"
Ich sah sie mit erhobenen Brauen an und wollte ihr eine giftige Antwort entgegenbringen, doch da stand er schon vor mir und streckte die Hand aus.
"Ihr Aufsatz?", fragte er.
In meinem Kopf ging ich ein gutes Dutzend Ausreden durch, doch wusste ich, dass gerade er genauestens wissen würde, dass ich mir das nur ausdachte.
Also blieb ich bei der Wahrheit: "Es tut mir leid, Professor. Ich habe komplett vergessen, den Aufsatz zu schreiben!"
Es fühlte sich mehr als komisch an, ihn mit 'Professor' anzusprechen.
"25 Punkte Abzug für Slytherin und Nachsitzen", sagte er schlicht und ging weiter.
Ich spürte die feixenden Blicke der anderen im Nacken. Natürlich hatte ich mitbekommen, wie über mich getuschelt wurde. Wie von manchen Slytherins über ihn gelästert wurde, weil er sich auf ein Schlammblut eingelassen hat.
Ich hatte Kommentare dazu ertragen müssen, sowohl von Slytherins, als auch von Gryffindors.
Anstatt die Konsequenzen für meinen vergessenen Aufsatz hinzunehmen, widersprach ich: "Professor, das ist ungerecht! Es kommt gerade einmal alle Jubeljahre vor, dass Murris seine Hausaufgaben erledigt hat. Und ihm ziehen Sie nie mehr als 15 Punkte ab. Und soweit ich mich erinnere, musste er auch noch nie nachsitzen!"
"Tja, da mag der Professor mich einfach lieber als dich", hörte ich einen hämischen Kommentar von Murris.
"Das ist vollkommen irrelevant. Ich bin hier der Lehrer und ich erwarte von Ihnen, dass Sie meine Entscheidungen nicht hinterfragen", sagte Severus und beendete somit die Debatte.
Ich fügte mich schließlich grollend seiner Aussage, schwor mir jedoch, dass das Thema noch lange nicht vom Tisch war.

Nach meiner letzten Unterrichtsstunde brachte ich meine Schultasche in meinen Schlafsaal und machte mich schnell auf den Weg in die Küche.
Ich hatte die Hauselfen gebeten, mir einen Geburtstagskuchen für Severus vorzubereiten, da ich in Hogwarts schlecht selbst einen backen konnte.
Obwohl ich ihnen gesagt hatte, dass wir nur zu zweit sein würden, drückten sie mir eine Torte in die Hand, die eine ganze Familie ernähren konnte.

Es dauerte ein bisschen, die Torte auszubalancieren und eine Hand freizubekommen, damit ich an seine Tür klopfen konnte. Nachdem ich diese Aufgabe gemeistert hatte, wartete ich gespannt darauf, dass er mir öffnen würde.
Ich war ein bisschen aufgeregt, wie er reagieren würde.
Nachdem er endlich aufgetaucht war, trat ein irritierter Ausdruck in sein Gesicht, als er die Torte sah.
"Happy Birthday!", lachte ich.
"Danke", antwortete er verwirrt und fügte mit einem weiteren Blick auf die Torte hinzu: "Immerhin wird keiner verhungern."
"Immerhin", bestätigte ich zwinkernd und drückte sie ihm in die Arme.
Grinsend betrat ich sein Büro, zog eine kleine Schachtel aus der Tasche und platzierte sie auf seinem Schreibtisch.
Vorsichtig stupste ich sie mit der Spitze meines Zauberstabs an. Augenblicklich begann sie zu Summen und zu Surren.
Ihr Deckel sprang auf, kleine Luftballons und Girlanden stiegen empor, blähten sich immer weiter auf, bis sie ihre normale Größe erreicht hatten und verteilten sich im Raum.
"Was eine Party-Atmosphäre!", seufzte ich. Sowohl Luftballons als auch Girlanden wirkten in Severus' dunklem und mit Gläsern voller kurioser Gegenstände und Flüssigkeiten dekorierten Büro völlig fehl am Platz.
Es wirkte geradezu ironisch.
Währenddessen hatte er seine Torte abgestellt und war zu mir gekommen.
"Es ist toll! Hebt die Stimmung ungemein!", versuchte er mich zu überzeugen, doch konnte er sein süffisantes Grinsen nicht ganz verbergen.
"Idiot!", gab ich gespielt zickig und schmollend zurück.
Er drehte sich zu mir, sah mir in die Augen und sagte mit ernster Stimme: "Danke."
Ich musste Lächeln.
Ich trat einen Schritt näher an ihn heran und nahm seine Hände in meine.
Langsam kamen wir uns näher und ich spürte mein Herz gegen meinen Brustkorb trommeln.
Wir waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt...
Plötzlich hörten wir einen lauten Knall hinter uns. Vor Schreck stießen unsere Köpfe aneinander und mit einem "Autsch!" drehte ich mich um; die Überreste eines Ballons schwebten seelenruhig zu Boden.
"Na toll...", grummelte ich. Zum einen würde ich ein blaues Auge davontragen und außerdem hätte ich ihn wirklich gerne geküsst.
Bedauernd sah ich auf seine Lippen, die sich nun zu einem Grinsen verzogen: "Vielleicht sollten wir erstmal ein Stück Torte essen, das ist weniger gefährlich."

Während wir seinem Vorschlag nachgingen, kam mir eine Aussage von ihm in den Sinn.
"Du hast gesagt, dass dein Geburtstag für deine Eltern eher ein Trauertag war?", fragte ich ihn vorsichtig.
Er lächelte traurig. Er sah mich nicht wirklich an, sein Blick war in die Ferne gerichtet, als er antwortete: "Meine Eltern... Streiten. Sie streiten immer. Sie streiten über alles. Ich bin mir sicher, dass sie nur geheiratet haben, weil meine Mutter schwanger wurde. Meine Mutter hat versucht es zu verbergen, aber sie hat mich dafür gehasst. Wegen mir musste sie bei ihm bleiben. Und heute hat sie nicht mehr die Kraft ihn zu verlassen.
Mein Vater brauchte keinen Grund, um mich zu hassen. Er hasst jeden.
Er hat meine Mutter geschlagen. Immer häufiger. Zuerst habe ich versucht, ihn davon abzubringen. Später habe ich verstanden, dass dadurch alles nur schlechter wird."
Was er erzählte schockierte mich. Doch schien es mir logisch. Es erklärte viele Züge seines Charakters.
Bitter fuhr er fort: "Ich muss mich verbessern: Mein Vater hat mich nicht gehasst. Hass ist ein Gefühl. Ich war ihm gleichgültig. Ich war ihm egal.
Er hat nichts von der Magie meiner Mutter verstanden. Er hat sie gefürchtet, er wurde immer paranoider.
Diese Paranoia hat er auch an mir ausgelassen. Und wenn meine Mutter den Mut aufgebracht hat, sich für mich einzusetzen, weil doch noch vereinzelte Muttergefühle durchgekommen sind, dann ist er wieder auf sie losgegangen."
Ich konnte ihn nur anstarren. Was er erzählte, war unglaublich weit von meiner Realität entfernt.
"Er hat getrunken. Er war arbeitslos. Er hatte kein Interesse daran, meinen Geburtstag zu feiern. Er hätte nie das wenige Geld, das er hatte, für so etwas unsinniges wie mich ausgegeben. Außerdem, wen hätte ich einladen sollen? Die Familie meiner Mutter hatte sie verstoßen, als sie einen Muggel geheiratet hat. Die Familie meines Vaters hatte noch weniger Interesse an mir, als er.
Und wer hätte sonst zum Geburtstag von einem Außenseiter wie mir kommen sollen? Die einzige Magierin, die ich vor meiner Schulzeit kannte, war Lily Evans..."
Seine Stimme brach, als er ihren Namen nannte.
Ich wollte nicht über sie reden. Ich wusste, dass sie der einzige Mensch war, dem gegenüber er Liebe empfand.
Er würde alles für sie tun.
Aber sie nicht für ihn.
Ich war zwiegespalten. Natürlich gab es Dinge, die man nicht verzeihen konnte. Aber wie konnte sie ihn so alleine lassen?
"Severus...", begann ich. "Es tut mir leid. Es tut mir wirklich so leid, dass das Verhältnis zu deinen Eltern so schlecht ist..."
"Schlecht?", fragte er sarkastisch. "Es ist nicht existent. Nachdem ich 17 geworden bin, habe ich keinen von ihnen mehr gesehen."
Ich spürte, dass meine Augen brannten und sich Tränen in ihnen sammelten.
Er war alleine. Er war sein ganzes Leben über alleine gewesen. Es hatte nie jemanden gegeben, der den kleinen Severus beruhigend in den Arm genommen hatte, um ihm zu sagen, dass alles gut werden würde. Es hatte nie jemanden gegeben, dem er vertraut hatte.
Immer hatte er einsam sein müssen.
Lily Evans musste für ihn das Licht am Ende des Tunnels gewesen sein. Das erste Mal, dass ihm gegenüber jemand Zuneigung empfandt.
Und doch war sie nicht stark genug gewesen, ihn von seiner Faszination für die dunklen Künste zu befreien.
Wie auch? Wie hätte ein kleines Mädchen jahrelange Schmerzen auslöschen können, die durch Gleichgültigkeit und Ablehnung derer entstanden sind, die ihn eigentlich am meisten hätten lieben sollen?
Der Zynismus des Schicksals hatte zugeschlagen und ihm die einzige Person genommen, die eine verstaubte, verborgene Seite in ihm geweckt hatte. Eine sorgenfreie, glückliche.
Doch der Zynismus des Schicksals war grausam.
Er hatte sie ihm nicht nur genommen, sondern er hatte ihn selbst dafür verantwortlich gemacht.
Es war alles so ungerecht, so ungerecht grausam.
Severus Snape war kein schlechter Mensch.
Er war ein Mensch, dem sehr viel schlechtes widerfahren ist, wodurch sich seine gute Seite nie vollständig hatte zeigen können. Sie lag versteckt in ihm und konnte nur durch etwas so intensives an die Oberfläche gebracht werden, wie die Liebe zu Lily.
Manchmal verbringen Menschen so viele Stunden in der Dunkelheit, dass ihr ganzer Charakter davon eingenommen wird, dass sie selbst Teil der Dunkelheit werden.
Doch man darf nicht vergessen, ein Licht leuchten zu lassen.

Deep down inside me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt