Institut für Angewandte Magie

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Ich war nicht sonderlich begeistert von der Idee, meine kompletten Weihnachtsferien mit Professor Snape verbringen zu müssen.
Als ich meiner Familie schweren Herzens die freudige Nachricht überbrachte, nur an Weihnachten bei ihnen sein zu können, übertraf ihre Begeisterung sogar noch meine eigene.
Und wie es immer mit Dingen war, die man nur ungern tat, kamen die Ferien so schnell, dass ich mir sicher war, irgendjemand hatte die Zeit magisch schneller ablaufen lassen.

Meine Zimmergenossinnen waren alle bereits auf dem Weg nach Hause, Snape wollte erst am nächsten Tag aufbrechen.
Demnach hatte ich den Schlafsaal komplett für mich alleine. Es war eine komische Atmosphäre. Für gewöhnlich war auch ich in jeden Ferien nach Hause gefahren. Es fühlte sich falsch an, dort zu bleiben und nicht die Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

Der Morgen begann für mich unangenehm früh.
Mein Wecker klingelte um 6 Uhr und riss mich aus dem Schlaf. Ich stöhnte und wollte im Dämmerzustand einfach weiterschlafen, da ich weder geplant hatte, um diese Uhrzeit aufzustehen, noch den Wecker selbst gestellt hatte und das Klingeln im ersten Moment für ein Versehen hielt.
Doch entdeckte ich ein Pergament auf meinem Nachttisch, als ich den Wecker ausstellte.
Grimmig stellte ich fest, dass es von Snape stammte: 'Kommen Sie nach dem Aufstehen gleich in mein Büro - Bringen Sie ihr Gepäck mit!'
"Sein Ernst?", krächzte ich verschlafen und zunehmend wütend.
Da ich ausschloss, dass er selbst in den Schlafsaal gekommen war, musste er einen Hauselfen damit beauftragt haben, die Uhr zu stellen und die Nachricht abzuliefern.
Er hatte sich anscheinend denken können, dass ich nicht gerade begeistert war. So konnte ich nicht widersprechen und musste mich seiner Anweisung fügen.
Ich schwor mir grollend, ihm bei der nächsten Gelegenheit magisches Juckpulver in den Umhang zu kippen.

Ich zog mich unmotiviert um und brachte nicht mehr als eine schnelle Katzenwäsche zustande.
Ich warf achtlos alles Nötige in einen Rucksack und schlurfte gähnend durch die Kerker zu seinem Büro.
Ich klopfte nicht. Ich ging mit schlechter Laune direkt durch die Tür, warf meine Tasche auf den Boden und lümmelte mich in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch, da dieser um einiges bequemer war als die davor.
Er war nicht anwesend, weshalb ich meine Nägel betrachtend auf ihn wartete. Wenn er in 5 Minuten nicht da ist, dann geh ich, sagte ich mir.
Doch leider vereitelte er mir den Plan höchstpersönlich.
"Bereit?", fragte er mich.
"Nein", fauchte ich ihn an. "Was ist mit Frühstück?"
"Das ist um 9, da wollen wir schon unterwegs sein", erklärte er mir ruhig. Ich spürte, dass ihn meine Zickigkeit wütend machte und es ihm schwer fiel, nicht mit einem abfälligen Kommentar zu antworten.
"Dann geht's halt erst um 9 los", entschied ich, ohne meine Verstimmung zu verstecken.
Er setzte sich mir gegenüber - was an sich eine skurrile Situation war, für gewöhnlich war es umgekehrt - und erklärte mir noch immer ruhig, aber wie einem kleinen Kind: "Ich möchte nicht mit Ihnen aus dem Schloss spazieren, wenn alle vom Frühstück kommen."
Ich bezweifelte, dass 'alle' so viele waren, da der Großteil der Schüler nach Hause gefahren war, doch wollte ich nicht schon zu Beginn des Tages streiten und traf die deutlich weisere Entscheidung, seinen Vorschlag anzunehmen, uns unterwegs etwas zu Essen zu besorgen.

Wieder mussten wir ein Stück wandern, um anschließend zu apparieren.
Wir machten uns direkt auf den Weg nach Deutschland, da das 'Institut für Angewandte Magie' unser erster Punkt auf der Reise war.
Ich genoss es in vollen Zügen, endlich nicht die zu sein, die wie ein Hündchen hinter dem Professor hertrottete.
Er musste hinnehmen, dass ich nun die Führung ergriff und ihm sagte, was wir als nächstes tun würden.

Ich war gleich so schlau gewesen, Muggel-Kleidung anzuziehen. Er erregte natürlich einiges an Aufmerksamkeit mit seinem langen schwarzen Umhang.
Ein wenig kichern musste ich, als ein Herr mittleren Alters im grauen Anzug an uns vorbeilief und in der Annahme, wir würden ihn nicht verstehen, da ich mich mit dem Professor auf Englisch unterhalten hatte, deutlich hörbar "Satanisten... diese Idioten... Gothics..." murmelte.
Ich konnte nicht leugnen, dass er mit seinem schulterlangen schwarzen Haar, dem schwarzen Umhang und seinem fahlen, blassen Gesicht durchaus diese Assoziationen weckt, wenn man ihn nur im Vorbeigehen sieht.
Also riet ich ihm, sich umzuziehen, während ich uns endlich ein Frühstück besorgte.

Als ich mit Kaffee, Croissants, Obst und einer Packung Kekse wieder an unserem Treffpunkt ankam, musste ich das Lachen unterdrücken.
Ein wenig unwohl schien er sich zu fühlen, in seinem zu großen Wintermantel, den dunklen Jeans und einem unvorteilhaften Pullover.
Grinsend reichte ich ihm sein Frühstück und setzte mich neben ihn auf eine Bank, die glücklicherweise überdacht und somit schneefrei war.
"Wie sieht Ihr grandioser Plan jetzt aus?", fragte er mich ungeduldig.
Doch ich ließ mich nicht hetzen. Seelenruhig aß ich mein Croissant, trank noch einen Schluck Kaffee und erklärte dann, dass ich Kontakt mit meinen Bekannten vom Institut aufgenommen hatte, um nicht einfach unangemeldet hereinzuplatzen.
Sie hatten versprochen uns abzuholen, da man als Fremder nicht problemlos zur Schule gelangen konnte.

Wir hatten unser improvisiertes Frühstück gerade beendet, da sah ich uns zwei mir nur sehr bekannte Personen entgegenkommen.
Ich sprang auf und begrüßte sie freudig.
Ich hatte Christian und Jan in der Zeit kennengelernt, die ich mit meiner Mutter in Deutschland verbracht hatte.
Mit einem Winken symbolisierte ich dem Professor, doch zu uns zu kommen.
Widerwillig kam er der Aufforderung nach und begrüßte die beiden, nachdem ich ihn vorgestellt hatte, mit einem distanzierten Nicken.

Nach ein wenig Smalltalk - an dem sich Snape nicht beteiligte - machten wir uns auf den Weg.
"Warum mussten wir uns in Bonn treffen?", fragte ich sie ein wenig irritiert.
"Wir wollten die Gelegenheit nutzen und unsere Schokoladenvorräte in unserem Lieblingsladen auffüllen", antwortete mir Jan grinsend und zog eine Tüte aus der Tasche, die prall gefüllt war mit einer riesigen Auswahl an Süßigkeiten.
Ich verdrehte nur die Augen.

Das 'Institut für angewandte Magie' lag auf der ostfriesischen Insel Memmert in der Nordsee.
Für Schüler gab es zwar einen einfachen Weg zur Schule zu gelangen, wir als Besucher allerdings mussten mit einem kleinen Boot die komplette Strecke per Seeweg zurücklegen.
Das Boot war magisch, demnach fuhr es in angenehmem Tempo von alleine.

Wir hatten uns auf Englisch geeinigt, damit Professor Snape im Zweifelsfall an der Konversation teilhaben konnte:
"Wieso hat man die Schule auf eine solche Insel gelegt, auf die jederzeit Muggel kommen können?", fragte er skeptisch.
"Die Insel ist unbewohnt, die Nichtmagier denken, nur ein Vogelwart lebt hier. Nun, dieser Vogelwart allerdings ist ein Zauberer und passt auf, dass die Insel für Nichtmagier auch eine unbewohnte Insel bleibt", erklärte ihm Jan höflich.
Snape schien diese Antwort nicht zu befriedigen, denn noch offenbarte sich für uns nicht mehr als den Muggeln.
Wir sahen Memmert als kleine Insel mit ein wenig Strand, ein wenig grün, einem kleinen Häuschen.
Doch nach wenigen Momenten entfaltete die Magie dieses Ortes seine volle Wirkung.
Die Insel begann sich auszudehnen, schneebedeckte Bäume und Gebäude sprossen aus dem Boden.
Ich sah Snape von der Seite an und er wirkte durchaus beeindruckt.

Als wir die Insel erreicht hatten, kletterten wir aus dem Boot und liefen auf einem gepflasterten Weg auf den Gebäudekomplex zu.
Die einzelnen Gebäude stammten alle aus unterschiedlichen Jahrhunderten und wiesen so die verschiedensten Architekturstile auf.
Die Schule war als etwas gestartet, das nur unterrichtete, was in Hogwarts grob in das Fach Zauberkunst fiel, sowie einiges an Verwandlung und einer Art Verteidigung gegen die Dunklen Künste.
Die Lehre von Zaubertränken, magischen Geschöpfen, magischer Historie und internationaler Magie, sowie einigen anderen Fachrichtungen, war erst im Laufe der Zeit hinzugekommen. Dafür wurden immer neue Gebäude gebaut, um Klassen- und Übungsräume unterzubringen.
Wir gingen direkt auf das größte und älteste Gebäude zu, in dem sich die Schlafsäle der Schüler, Speiße- und Versammlungsraum sowie die Bibliothek befanden.

"Schaut erstmal, ob ihr hier findet, was ihr sucht. Wenn nicht, kann ich euch auch noch die facheigene Bibliothek für Zaubertränke zeigen, aber die Auswahl ist da auch nur geringfügig größer", bot uns Christian an, als wir einen Raum betraten, der bis unter seine hohen Decken mit Büchern vollgestopft war.

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