Komplimente

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Nachdem wir unser Essen bekommen hatten, schwiegen wir uns eine Weile an. Es war kein unangenehmes Schweigen. Wir waren nur beide hungrig und hatten uns wenig zu sagen.
Ich versuchte die Geschehnisse irgendwie einzuordnen.
Christian hatte mich mit seinem Verhalten einfach nur überrascht, vermutlich hatte ich überreagiert...
"Warum soll ich mich mit dieser Stadt identifizieren können?", fragte er mich und riss mich aus meinen Gedanken.
"Nun... Sie liegt in der Mitte von etwas vollkommen gegensätzlichem... Das erinnert mich an Sie. Sie wirken auch nicht, als würden Sie als Lehrer nach Hogwarts passen. Als wären Sie nur zufällig da. Um ehrlich zu sein, passen Sie für mich nirgends wirklich hinein...
Die Stadt ist geteilt. Auch Sie haben zwei Seiten. Eine dunkle, zynische, manchmal wirken Sie fast schon boshaft... Dann wiederum... Sind Sie wieder ganz ertragbar..."
Er schnaubte. Ich musste zugeben, meine Erklärung war nicht sonderlich schmeichelhaft gewesen. Vielleicht hätte ich noch etwas netteres sagen sollen.
Ich überlegte fieberhaft: "Sie sind ein grandioser Zaubertrankbrauer!"
Er schnaubte hämisch. Vermutlich war das auch nicht, was man sagen sollte, wenn man jemandem ein Kompliment machen wollte.
Aber mir fiel wenig positives ein. Er war einfach ertragbar. Wenn er einen Plan hatte, dann zog er ihn durch. Man konnte sich dem nicht entziehen, wenn man ein Teil davon war.
"Sie sind eine sehr angenehme Gesellschaft", sagte er zu mir und musterte fast schon zu interessiert seine Tortellini. "Sie sind schlagfertig, nicken nicht alles nur ab. Und vor allem sind Sie intelligent, man kann sich mit Ihnen auf Augenhöhe unterhalten, auf Sie zählen. Auch Sie sind für mich ein Mysterium. Aber ein äußerst angenehmes Mysterium, in dessen Gesellschaft ich mich nicht unwohl fühle. Sie strahlen etwas aus, das mich nicht wünschen lässt, endlich wieder allein zu sein, wie es die meisten anderen Menschen tun."
Ich war sprachlos. Er konnte das durchaus besser als ich.
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.
Ich hatte immer den Eindruck gehabt, er nahm meine Anwesenheit nur in Kauf, weil ich ihm bei seinen Plänen nützlich war.
"Professor...", sagte ich verwirrt.
"Ach, verdammt, vergessen Sie den 'Professor'! Es ist mir lästig, immer als Autoritätsperson gelten zu müssen!"

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Seht es bitte als Ergänzung zum vorangegangenen Kapitel. Heute kommt noch ein 'richtiges' Kapitel, ich verspreche es hoch und heilig!

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