Ungewollter Kuss

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"Das wird ein Spaß", sagte ich stöhnend, als ich die unendlichen Massen an Büchern betrachtete, die es zu durchsuchen galt.
Ich befürchtete, dass ich Stunden dafür benötigen würde.
Doch war diese Bibliothek so gut sortiert, dass ich bereits nach zehn Minuten das richtige Buch in meinen Händen hielt.
Professor Snape hatte sich an einem kleinen Tisch niedergelassen, da er mangels Sprachkenntnissen sowieso nicht hilfreich bei der Suche gewesen wäre.
Ich ging zu ihm zurück und legte ihm das Buch grinsend vor die lange Nase.
Ich interpretierte sein Nicken als Bekundung von Anerkennung und setzte mich ihm gegenüber.
Er hatte bereits unsere Notizen herausgeholt und ausgebreitet, sodass ich schnell überblicken konnte, was ich noch nachschlagen musste.
Die Arbeit ging überraschenderweise schnell von statten.
Ich suchte die fehlenden Informationen, übersetzte sie für ihn und er schrieb schnell mit und ergänzte unsere vorangegangenen Überlegungen.
Ich suchte noch ein weiteres Buch und nach wenigen Stunden standen die kompletten Pläne für einen ersten Versuch.
Unser schneller Erfolg versetzte ihn in eine geradezu euphorische Stimmung: "Wir können direkt heute Nacht damit anfangen!"
"Oder ich verbringe noch ein paar nette Stunden in Deutschland und wir fangen einfach morgen an?", schlug ich ihm als Alternative vor, die mir durchaus besser gefiel.
Ich hatte bewusst keinen gemeinsamen Plan für den Tag vorgeschlagen. Im Zweifelsfall konnte er ja schon mal selber anfangen, dazu brauchte er meine Hilfe nicht.
"Okay", sagte er langsam und schien nicht wirklich begeistert zu sein. "Aber ohne diesen Christian und diesen Jan!"
Ich sah ihn ungläubig an: "Wenn ich noch Zeit mit denen verbringen möchte, dann mach ich das!"
"Die sind doch höchstgradig unsympathisch!", entgegnete er schnaubend.
"Ich kenne auch genug Menschen, die Sie höchstgradig unsympathisch finden!", zischte ich ihn an, ging schnellen Schrittes Richtung Tür und ließ ihn einfach stehen.

Ein wenig ratlos, was ich nun tun sollte, stand auf dem Hof vor dem Gebäude.
Doch noch ehe ich eine Entscheidung treffen konnte, sah ich Christian auf mich zu kommen.
"Ich hab doch vom Fenster aus gesehen!", rief er mir zu. "Willst du noch in die Zaubertränke-Bibliothek?"
"Nein danke, sind fertig!", antwortete ich ihm grinsend, als er mich erreicht hatte.
"Aber hast du vielleicht noch Lust, irgendwas zu machen?", fragte ich ihn nun lächelnd.
Sein Blick verzog sich zu einer entschuldigenden Grimasse: "Ich hab noch was vor... aber... wenn du heute Abend wieder vorbeikommen willst: Mein Zimmer ist da oben und wir sind ganz alleine!", fügte er frech grinsend hinzu und zeigte auf ein Fenster in dem Hauptgebäude, das ich eben verlassen hatte.
Während ich nach oben blickte und somit abgelenkt war, umfasste er mit einer Hand meine Hüfte, zog mich an sich und gab mir einen schnellen Kuss in den Mundwinkel.
Verdattert schaute ich ihn an, schnaubte wütend und gab nur zurück: "Such dir für heute Abend'ne Andere!"
Ich drehte mich um und wollte möglichst schnell verschwinden, da blickte ich direkt in das schadenfrohe Gesicht des Professors, dessen Lippen von einem süffisanten Grinsen umspielt wurden.
Ich verdrehte meine Augen und zischte ihn an: "Sparen Sie sich den Kommentar!"
Sein Grinsen wurde nur noch breiter.
Genervt stöhnend packte ich ihn am Arm und zog ihn mit mir.
Nach einigen Schritten fiel mir etwas sehr praktisches ein: Man konnte vom Gelände des Institutes disapparieren!
Ohne ihn darauf vorzubereiten verschwand ich mit ihm.

Ein wenig torkelnd kam er am Ziel zum stehen, nachdem ich seinen Arm losgelassen hatte.
Wir standen in einem dreckigen Hinterhof, der nach Urin und Müll roch, der einfach auf dem Boden lag, statt in den dafür vorgesehenen Mülltonnen.
Noch bevor er seine Frage stellen konnte, die ihm offensichtlich auf den Lippen lag sagte ich knapp: "West-Berlin."
Er sah sich kurz um und antwortete sarkastisch: "Schön hier."
"Gut, wenn sie direkt auf eine Straße voller Muggel hätten apparieren wollen...", fauchte ich ihn an.
Abwehrend hob er seine Hände und sagte: "Schon gut!"
Ich ging einfach voraus in der Annahme, er würde folgen.
Was sollte er auch sonst tun?
Mit schnellen Schritten schloss er zu mir auf und fragte mich ernsthaft: "Warum West-Berlin?"
Ich überlegte eine Sekunde: "Ich mag die Stadt. Ich kann mich skurrilerweise mit ihr identifizieren. Dürften Sie bestimmt auch...", fügte ich nachdenklich hinzu.

Zum stehen kam ich erst vor einem gemütlich wirkenden italienischen Restaurant. Seit dem Morgen hatte ich nichts mehr gegessen und konnte deutlich das Grummeln meines Magens hören.
Ohne seine Meinung einzuholen betrat ich das Restaurant und suchte mir einen Tisch.

Deep down inside me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt