Missverständnisse

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Langsam schlug ich meine Augen auf und wurde direkt von dem grausam hellen Sonnenlicht geblendet, das durch die Fenster fiel.
Ich wollte mich umdrehen, um dem Ganzen zu entgehen, doch stieß ich auf Widerstand.
Der Platz, den ich hatte einnehmen wollen, war schon besetzt. Ein unsanft geweckter Severus blinzelte mich verschlafen an. "Morgen", murmelte er.
"Ups", gähnte ich und ließ mich zurück in meine vorangegangene Position fallen.
Ich brauchte einen Moment um zu realisieren, dass ich weder im Schlafsaal der Slytherins, noch in meinem Bett in London lag, sondern neben Severus Snape.
Ich musste ein wenig schockiert ausgesehen haben, denn er fragte mich sarkastisch: "Kein schöner Anblick, um dazu aufzuwachen?"
"Halt die Klappe", gab ich zurück. "Ich musste mich nur erstmal orientieren... Außerdem kann ich mir keinen besseren Ort vorstellen, um aufzuwachen!"
Ich zwinkerte ihm zu, was er nur mit "Schleimer!" kommentierte.
"Irgendwie muss man ja zu einem 'Ohnegleichen' in Zaubertränke kommen...", murmelte ich und drehte mich so, dass ich auf dem Bauch lag.
Plötzlich spürte ich sein Gewicht auf mir, er drückte mich tiefer in die Kissen und knurrte mir ins Ohr: "Da will sich wohl jemand hochschlafen?"
"Oh ja, Professor!", antwortete ich gespielt naiv.
Sein Körper auf meinem fühlte sich richtig an. Seine Wärme durchdrang mich. Zwischen uns war nur eine dünne Lage Stoff - insgeheim wünschte ich mir, sie würde einfach verschwinden.
"Du musst dich beeilen, das Frühstück hast du schon verpasst, du willst doch wohl nicht zu spät zum Unterricht kommen? Minerva McGonagall lässt sich nicht so leicht verführen", hauchte er mir zu.
Ich warf einen Blick auf die Uhr und erschrak: Ich hatte nur noch eine Viertelstunde, um mich umzuziehen und zu meinem Verwandlungsunterricht zu kommen.
"Wenn der Herr sich erbarmen würde, womöglich von mir runterzukommen, dann könnte ich mich auf den Weg machen", sagte ich ihm mit einer Stimme, die eher zu einer Erklärung für einen Fünfjährigen gepasst hätte.
Seufzend gab er mich frei.
Ich schlüpfte schnell in meine Schuhe, warf mir seinen Umhang über und griff nach meinem Kleid.
Ich hörte nur noch, dass er sich darüber beschwerte, dass dies sein letzter sauberer Umhang wäre und ich den ja nicht einfach mitnehmen könne!
"Leider keine Zeit mich umzuziehen, tut mir sehr leid", rief ich ihm noch zu, zog den Umhang so um mich, dass man nicht mehr sehen konnte, was ich darunter trug und machte mich schnell auf den Weg in meinen Schlafsaal.

Ich hatte Glück, dass mir niemand begegnete. Ich wollte gar nicht wissen, was alle über mich dachten. Zuerst einen Lehrer küssen, dann die ganze Nacht über nicht wieder auftauchen.
Super, dachte ich mir, da werde ich mir so einiges anhören dürfen.
In Lichtgeschwindigkeit schlüpfte ich in meine Schuluniform, kramte meine Tasche und die nötigen Bücher hervor und machte mich auf den Weg in Professor McGonagalls Klassenzimmer.
Wie durch ein Wunder schaffte ich es noch pünktlich zu kommen. Während die anderen in den Raum strömten, mischte ich mich unter sie und beeilte mich, einen Platz in der letzten Reihe zu bekommen.
Nachdem ich meine Bücher und ein paar Pergamente ausgepackt hatte, setzte sich plötzlich Ariana neben mich und sah mich erwartungsvoll an: "Na?"
"Was?", fragte ich irritiert.
"Du hast mit Snape rumgemacht!", sagte sie aufgeregt.
"Pssst!", zischte ich ihr zu.
"Als ob das nicht jeder wüsste!", kicherte sie.
"Ich würde nicht von rumgemacht sprechen...", antwortete ich verlegen.
"Da habe ich aber was anderes gehört!", gab sie zwinkernd zurück.
Ich hatte ein bisschen Angst die nächste Frage zu stellen: "Was hast du gehört?"
Die Antwort jedoch zögerte sich durch das Erscheinen von Professor McGonagall hinaus.
Sie wünschte uns allen ein frohes neues Jahr und fügte hinzu, dass sie hoffe, der Neujahrsball hätte uns allen gefallen. Bei dieser Aussage wurde ich von Ariana hysterisch kichernd angestupst.
Wir bekamen den Auftrag, unsere alten Unterlagen kurz durchzusehen, um so wieder direkt im Thema einsteigen zu können.
Doch wir dachten gar nicht daran, dem Folge zu leisten. Es gab noch immer eine Frage, die beantwortet werden musste: "Also, was ich gehört habe, ist, dass ihr wild rumgeknutscht habt, zuerst auf der Tanzfläche und dann auf dem Weg in seine Räume - sag, wie ist er?"
Sie musste so sehr kichern, dass sie nicht weiterreden konnte.
"Ok, er hat mich ein Mal beim tanzen kurz geküsst, dann habe ich bei ihm übernachtet, mehr nicht!", stellte ich die Sache klar.
"Komm, wenigstens mir kannst du es doch sagen! Du siehst nicht aus, als hättest du viel geschlafen - zumindest nicht alleine!", zwinkerte sie mir zu.
"Was - nein - wir haben nicht - auch wenn dich das nichts angehen würde!", gab ich nun ein wenig verärgert zurück.
Sie schien geradezu enttäuscht zu sein: "Nur ein Kuss?"
"Naja... Im Grunde waren es zwei, aber... Das war's!", schloss ich meine Erklärungen.
Ich wollte die Aufzeichnungen der vergangenen Stunden durchlesen, doch Ariana setzte wieder zu einer Erwiderung an.
"Miss Grey!", wurde sie von Professor McGonagall ermahnt. Ich warf meiner Lehrerin einen dankbaren Blick zu. Es war bereits das zweite Mal in den vergangenen 24 Stunden, dass sie mich aus einer unangenehmen Situation befreit hatte.

Nach dem Unterricht wollte ich schnell zu Severus, um ihm seinen Umhang zurückzugeben. Doch wurde ich von McGonagall zurückgehalten: "Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?"
Ohne die geringste Idee, was sie von mir wollte, antwortete ich schlicht mit "Klar!" und blieb hinter den anderen zurück.
Sie schien ein wenig aufgelöst zu sein: "Ich bin zwar nicht Ihre Hauslehrerin, aber in Anbetracht der Umstände können wir natürlich nicht mit Ihrem Hauslehrer sprechen - Nein, sowas hatten wir hier noch nie! Aber nach den Geschehnissen von gestern Abend..."
"Professor...", wollte ich sie unterbrechen, doch sie hatte sich zu sehr in Rage geredet.
"... vermutlich können wir Sie von seinem Unterricht befreien, die Prüfungen schaffen Sie auch so. Aber Sie werden ihm noch immer täglich begegnen, aber auch dafür finden wir eine Lösung!"
"Professor McGonagall...", versuchte ich es erneut.
"Sie müssen sich keine Sorgen machen, Professor Dumbledore und ich können das für Sie regeln!", versuchte sie mich zu beschwichtigen.
Ich war ein wenig irritiert über ihre Interpretation: "Professor, das ist alles nicht nötig, wirklich. Falls sie das, was gestern passiert ist, als unangenehm für mich wahrgenommen haben, oder so, dass alles nur von ihm ausging - Nein, definitiv nicht!"
Sie schien nicht im geringsten von ihrem Plan abgebracht worden zu sein: "Sie müssen ihn nicht verteidigen. Er ist ein Lehrer und Sie seine Schülerin, natürlich wussten Sie nicht, wie Sie sich in dieser Situation verhalten sollten!"
Ich seufzte: "Ernsthaft. Wir hatten schon sehr viel Zeit miteinander verbracht. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, Professor. Ich habe ihm bei einigen Arbeiten geholfen und wir hatten definitiv kein Lehrer-Schüler-Verhältnis mehr."
Sie wirkte nicht begeistert über diese neue Erkenntnis.
Ich fuhr fort: "Denken Sie daran, dass er nur ein paar Jahre älter ist als ich. Natürlich ist er noch mein Lehrer und das wird komisch, glaub ich, aber bei uns beruht alles auf Gegenseitigkeit!"
Rechtfertigte ich gerade mein Verhältnis zu einem Lehrer vor einer anderen Lehrerin? Ein Verhältnis - eine Beziehung - von dem ich selbst nicht wusste, was es war, wie ich es bewerten und bezeichnen sollte?
Nun war es an ihr zu seufzen: "Es fällt mir immer noch schwer, ihn als Kollegen anzusehen, als Professor. Es ist nicht mal fünf Jahre her, da war ich noch selbst bei seiner UTZ-Prüfung dabei. Jetzt hatte ich es gerade geschafft, da muss ich wieder bedenken, wie jung er noch ist. Was hat Albus sich nur gedacht; gerade mal Anfang zwanzig und schon Professor?"
"Wissen Sie, dafür macht er das ganz gut. Bei ihm bin ich auch noch nie eingeschlafen. Ganz im Gegensatz zum Unterricht von Professor Binns und der ist Jahrhunderte älter", nahm ich Severus in Schutz.
McGonagall schien zwar wenig erfreut über den Fakt, dass ich überhaupt schon im Unterricht eingeschlafen war, doch lächelte sie milde.
"Nun gut, Sie müssen Ihre Beziehung ja nicht übermäßig präsent ausleben...", sagte sie nun.
Ich sträubte mich innerlich gegen das Wort 'Beziehung'. Seltsamerweise hatte ich damit ein Problem, da ich mir noch nicht ganz im Klaren darüber war, in welchem Verhältnis er und ich schlussendlich standen.
Ich verstand ihre Worte als Abschluss des Gesprächs und setzte zum Gehen an.
"Sind Sie sich nur darüber bewusst, ob es das alles wert ist...", fügte sie noch hinzu.
War es das? Ich wollte die Frage sofort mit 'Ja!' beantworten. Doch wusste ich, dass noch so vieles damit einhergehen würde, was ich an diesem Punkt noch nicht einmal benennen konnte.


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So, jetzt muss ich mich mal intensiver zu Wort melden: Zum einen werdet ihr sicherlich bemerkt haben, dass ich wieder in Ferienstimmung bin: Jeden Tag ein neues Kapitel! Zwar sind diese nicht so lang, doch glaube ich, dass es besser ist, jeden Tag etwas zu veröffentlichen - auch wenn es kürzer ist.
Zum anderen hat Ariana natürlich Recht: Zwischen den beiden wird es nicht bei Bettgeflüster (Was'ne Referenz auf das letzte Kapitel, ich hab's drauf!) bleiben. Wie explizit soll ich werden? Ich will hier natürlich keinen Porn, aber gleichzeitig werdet ihr natürlich auch gewisse Ansprüche an mich haben? Was erwartet bzw. erhofft ihr euch? *pedogrinsen*
Auf der anderen Seite habe ich alle Szenen abgehakt, die ich gerne in der Story unterbringen wollte; ich hatte nie eine feste Storyline, sondern immer nur Momente, die ich spontan verknüpft habe. Szenen, die ich seit Oktober im Kopf hatte, waren zum Beispiel der Ball, das Gespräch mit McGonagall, das Treffen mit Lily oder die Nokturngasse. Ich habe mit anderen Kapiteln immer nur auf diese Momente hingearbeitet. Solche festen Punkte habe ich nicht mehr und stehe nun vor der Frage, in welche Richtung sich alles entwickeln soll. Ich hatte überlegt, den Orden des Phoenix auftauchen zu lassen, meine Hauptfigur intensiver in den Kampf gegen Voldemort einzubeziehen - oder eine ganz andere Richtung, Bekanntschaft mit den Todessern...
Oder eine intensivere Behandlung mit dem Charakter Severus Snape und seiner Vergangenheit, ein Treffen mit seinen Eltern, beispielsweise...?
Wieder würde ich gerne wissen, was ihr für Erwartungen habt. Vielleicht eine komplett andere Richtung?
Bis ich die nächste Idee habe, den nächsten Moment, auf den es hinzuarbeiten gilt, bin ich vollkommen frei und beeinflussbar... ;)

Deep down inside me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt