13 Puppen

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Endlich geht es weiter...


Ich zog gefühlt das hundertste mal meine laufende Nase nach oben, aber es half nichts. Die Tränen in meinen Augen hatten sich mit dem Make-Up vermischt und waren über mein ganzes Gesicht gelaufen, bis sie von meinem Kinn aus auf den Steinboden fielen, auf dem ich gerade kniete, und dort zerbrachen, wie mein Herz gerade eben. In keinem Spalt zwischen den Steinen konnte ich meinen Haustürschlüssel entdecken, der mir vor lauter Zittern aus den nassen Händen zwischen die Pflaster gerutscht war.

Und jetzt hockte ich hier auf dem kalten Boden und heulte wie ein Wasserfall um einen Jungen, der in mir nicht mal einen Tropfen gesehen hatte.

Wie konnte Taylor nachdem er mich geküsst und wieder weggeschoben hatte zusammen mit Bella lachen? Hatten sie über mich gelacht?

Wie immer, wenn man jemanden aus seiner Familie brauchte, war keiner im Haus und Mr.Gaardt hatte beschlossen den Mädchen eine Oper zu zeigen, die man seiner Meinung nach nicht verpassen durfte. Das hieß ich konnte bis in die frühen Morgenstunden draußen auf sie warten, barfuß und in einem kurzen Kleid. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Am nächsten Morgen würde dann die Erkältung des Todes von sich grüßen lassen, da ich ja durch meine Tränen und den Weg über das Gras auch noch durchnässt war.

Wann hatte ich nochmal das letzte mal so gefroren? An dem Abend, an dem ich Taylor das erste mal begegnet war? Sofort begann ich wieder zu schluchzen.

Wie ein kleines Häufchen Elend ging ich um die Ecke auf unseren Pavillon zu, aber auch dort sammelten sie Erinnerungen mit Taylor in meinem Kopf. Kaum zu glauben, dass ich ihn erst seit ein paar Tagen kannte.

Auf unserer überdachten Terrasse hatte ich gefühlt das erste mal seit Stunden Glück. Neben der gemütlichen Gartenliege stand immer noch die kleine Holzkiste, in der meine Mutter ihre Platzdeckchen, Sitzkissen und zu meiner Erlösung auch eine Fleecedecke für die kalten Grillabende aufbewahrte, wenn sie mit ihren Freundinnen und einem Glas Wein zu viel genau hier saß und Geschichten von einer Zeit erzählte, in der ich nicht nur einmal im Jahr glücklich gewesen war, sondern immer.

Ich hob den Deckel der Kiste an, wühlte in ihr herum bis ich endlich die Decke fand. Aber als ich sie herausziehen wollte, verhakte sie sich irgendwo mit dem Holz und ließ sich nicht mehr weiter ziehen, ohne sie zu zerstören.

In diesem Moment besiegte meine Müdigkeit und vor allem Hoffnungslosigkeit mein Bedürfnis nach Wärme und ich ließ den Stoff einfach aus meinen Händen gleiten. Während ich rückwärts auf der Liege aufkam überlegte ich mir es anders, drehte mich nur um und schlief ein.

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Egal wie oft er sich umdrehte, er konnte sie nirgendwo entdecken. Kate war wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte überall nach ihr gesehen. In der Küche, im Hobbykeller, in einem Zimmer, in dem sich gerade zwei seiner Klassenkameraden vergnügten und sogar auf der Toilette, aber sie war nicht da.

Je länger er sich in der Nähe der Tanzfläche aufhielt, desto mehr Mädchen stießen wie zufällig mit ihm zusammen, lächelten ihn auffordernd an und torkelten dann kichernd weiter, wenn er sie nicht beachtete. Und er beachtete sie nicht. Wie die betrunkenen Hühner.

Nach einer letzen Umdrehung beschloss er einfach zu gehen und bei ihr zuhause nachzuschauen, ob es ihr gut ging. Warum hatte er sie von sich weggestoßen und zugelassen, dass sie einfach weglief?

Er wusste, dass europäische Mädchen viel sensibler waren, als diejenigen, die er kannte, aber es hatte ihm das Herz zerrissen, die Tränen in ihren Augen zu sehen, aber er war sich ziemlich sicher, sie waren nicht darin geblieben. Sie kamen ihm auf einmal so kostbar vor, dass er nicht wollte, dass sie vergossen wurden. Nie wieder.

Gerade als er seine Hand nach dem Griff der Haustür (oder sollte er besser Portal sagen? Die "Tür" war mehr als doppelt so hoch wie er selbst, und er war kein Zwerg.) ausstreckte, stellte sich die Plastikpuppe vor ihn.

"Du willst doch nicht so früh schon gehen?" flötete sie ihn an und sogar durch den Geruch von ihrem Parfümbad konnte er den Alkohol riechen.

"Doch. Ich bin müde." gab er kühl zurück.

Sie schien die Antwort nicht mal gehört zu haben, denn jetzt benahm, sie sich wie eine Kreuzung aus Plastikpuppe und betrunkenem Huhn. Sie begann zu kichern, holte ihr Handy aus dem Ausschnitt, drehte ihm den Rücken zu und schoss etwa eine Milliarde Selfies. Nachdem sich seine Augen nach dem Blitzlichtgewitter wieder öffnen ließen, schob er sie grob aus dem Weg und öffnete endlich die Tür.

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Vor ihrer Villa angekommen, fiel ihm das erste mal ein, dass er überhaupt keinen Plan hatte, wie er an sie herankommen sollte. Er konnte ja nicht einfach klingeln und fragen ob Kate lebend hier angekommen war. Aber hinter dem Gebäude sah er, dass der Pavillon beleuchtet war und wie magisch von diesem angezogen ging er auf ihn zu.

Als er sein rechtes Beine anhob, um die erste Stufe hinaufzusteigen, krachte irgendetwas auf der Terrasse zu Boden und er fuhr herum.

Erst konnte er nichts erkennen, aber dann sah er, was gefallen war.

Kate lag seltsam verrenkt und doch irgendwie entspannt auf dem kalten Steinboden und schlief wie ein kleiner Engel. Es war seltsam, dass sie nicht aufgewacht war, denn wie es schien, war sie von der Gartenliege neben ihr gefallen.

Er selbst begann zu frösteln, wenn er sie so auf dem Stein sah, aber sie war so unberührbar schön, dass er sich nicht traute sie anzufassen.

Trotzdem bemerkte er irgendwann, dass sich ihre Lippen von rot über violett nach blau gefärbt hatten und er rüttelte sich auf. Vorsichtig schob er eine Hand unter ihre Taille, mit der anderen nahm er ihren Kopf. Langsam hob er sie vom Boden und legte sie sanft auf der Liege ab. Aus einer Holzkiste neben der Liege ragte eine Decke, die er herausnahm und über sie legte.

Ein letztes mal strich er ihr sanft über die Haare.

"Gute Nacht," flüsterte er ihr ins Ohr.

Dann stand er auf, um zu gehen.


Es tut mir unfassbar Leid, dass ich eine halbe Ewigkeit nichts hochgeladen habe :( Ich hatte aber auch gute Gründe, also bitte seid mir nicht böse <3

DANKE für über 400 reads,das ist für mich immer noch unfassbar.


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