45 One Night

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Obwohl der Sommer sich dem Ende zuneigte, war die Luft noch warm. Der Erde gab die über die Monate gespeicherte Wärme wieder ab und die ersten Blätter, die auf den Boden fielen, landeten weich. Trotzdem war es im Wagen eiskalt. Meine Mutter saß aufrecht in ihrem Sitz und presste die Lippen zusammen, als ob sie sich anders nicht zurückhalten könnte. Immer wenn ihr Blick auf Taylor fiel, schüttelte sie den Kopf unmerklich, aber für jemanden, der sie nicht so gut kannte wie ich, war es fast unsichtbar. Tatsächlich hatte mich meine Mutter heute überrascht. Nicht nur, dass ich nie erwartet hätte, dass sie tatsächlich zu Fuß durch die Straßen ging. Sondern indem sie Taylor angeboten hatte bei uns zu wohnen, solange er nichts eigenes gefunden hatte. Ihm war das mehr als unangenehm gewesen, aber wegen der Autorität, die sie ausstrahlte, hatte er das Angebot schließlich doch angenommen. Und jetzt saßen wir im Wagen auf dem Heimweg und niemand wollte die Stille brechen.

"Du wirst den Schulstoff nachholen," sagte meine Mutter schließlich. Es war mehr ein Befehl, als ein Vorschlag.

"Natürlich," beschwichtigte ich sie. Mir war klar, dass es schwer für sie sein musste, einen Jungen in ihrem Haus aufzunehmen. Wo sie doch so viel Mühe in meine Beziehung mit Kyle gesteckt hatte.

Kyle. Ihn hatte ich bei all dem Trubel komplett vergessen. Waren seine Gefühle, die er mir bei unserer letzten Begegnung übermittelt hatte, echt? Oder war das alles nur Teil des Spiels? Bevor ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, knirschten die Reifen über den Kiesweg unserer Einfahrt. Wir waren da. Zuhause.

Der Fahrer nahm unsere Taschen aus dem Kofferraum und ging schon einmal vor. Wir folgten ihm zu dritt, wobei ich mich nicht traute Taylors Hand zu nehmen, denn meine Mutter beobachtete uns mit einem kritischen Blick.

"Das Gästezimmer wird gerade nicht benutzt," sagte sie dem Fahrer seufzend, "bringen sie die Taschen dorthin."

Mein Zimmer lag zufällig genau neben dem Gästezimmer. Und das Bad verband diese beiden Zimmer.

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Es war dunkel und er hatte vergessen nachzusehen, wo die Lichtschalter waren. Mit den Hände tastete er die teure Tapete entlang, aber er fand sie einfach nicht. Dann musste es ohne gehen. Das Zimmer hatte zwei Türen. Die eine führte hinaus in den Gang, von dort aus schien ein fahler Lichtstrahl unter der Tür hindurch. Hinter der anderen war das Bad, das er sich wohl mit Kate teilte. So leise wie möglich drückte er den Türgriff hinunter und betrat den gefliesten Boden. Das Fenster war gekippt und er konnte von fern Autos vorbeirauschen hören. Es war ganz anders, als in seiner alten Wohnung direkt im Zentrum der Stadt, wo, egal ob tags oder nachts ,der Verkehr nie still stand. Und noch viel leiser als in Caracas, wo die Nachbarn bis spät in die Nacht vor der Tür saßen und warteten, bis es kühl genug war, um zu schlafen, während sie rauchten und Musik machten. Die Verbindungstür zu Kates Zimmer war nur angelehnt und er konnte ihr Atmen hören. Er schob sie weiter auf und stand das erste mal in ihrem Zimmer.

 Er schob sie weiter auf und stand das erste mal in ihrem Zimmer

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Wie ein Engel lag sie in dem riesigen Bett. Alles um sie herum schien im Mondlicht weiß. Ihre hellen Haare waren auf dem Kissen ausgebreitet, die Hände hatte sie vor der Brust verschränkt. So friedlich. Als ob man sie so angerichtet hätte. Ein paar Schritte und er stand in der Mitte des Raumes und sah sich um. Die Möbel waren alle aus hellem Holz und das ganze Zimmer schien aufgeräumt. Wie sollte es auch anders sein, wenn sie gerade erst angekommen war. Auf der Kommode standen einige eingerahmte Fotos. Kate und Linn, ihre Schwester . Kate und Junge, der ihm aus der Schule bekannt vorkam. Nichts hier verriet, dass es da noch jemanden in ihrem Leben gab. Außer der Reisetasche, die unausgepackt neben der Tür stand.

Eigentlich hatte er vorgehabt, nach draußen zu gehen und sich erstmal alleine durchzuschlagen. Er wusste, dass ihre Eltern alles andere als begeistert von ihm waren und dass er auf keinen Fall hier bleiben konnte. Aber in diesem Moment war ihm das egal. Er schlich zurück zu ihrem Bett, schob ihren zierlichen Körper etwas auf eine Seite und legte sich auf die andere. Mit einer Hand strich er über ihre weichen Haare, mit der anderen hielt er ihre Taille fest.

Nein. Das hier würde er nicht so schnell aufgeben.

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