18 Eisprinzessin

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Vor dem Spiegel erkannte ich mich selbst kaum wieder. Wenn ich mich im Kreis drehte schimmerte es von allen Seiten. Meine Mutter und einige Mädchen standen um mich herum und nickten zufrieden.

"Ich wusste doch, dass es dir gefallen würde."

Das eisblaue Kleid, in dem ich steckte, hatte meine sie mir von ihrer Geschäftsreise mitgebracht. Ich sah aus wie eine Schneeprinzessin. Unwillkürlich musste ich an einen Disney-Film denken und ich schmunzelte bei dem Gedanken, dass ich sie alle durch aus meinen Händen schießende Eisblitze zum Schweigen bringen könnte.

"Ja. Danke, Mum. Das Kleid ist wunderschön." bedankte ich mich.

Es war erst November, aber es wurde stetig kälter und ich konnte es kaum fassen, dass ich noch vor ein paar Wochen ohne Jacke aus der Tür gestürmt war. Obwohl mir schon da kalt war.

Immerhin hatte meine Mtter einmal an mich gedacht während der Reise.

"In einer halben Stunde fahren wir los. Komm pünktlich nach unten." mahnte sie mich noch, dann ließ sie mich allein im Ankleidezimmer.

Um nichts mit dem Kleid umzustoßen, ging ich vorsichtig zum Fenster. Unten auf der Straße stand Taylor, in seiner Jeans und dem Shirt des Pubs. Es war zuckersüß, wie er jedes mal einen Umweg machte, um mich zu sehen. Wenn auch nur kurz. Und heute sogar nur durch das Fenster des 2. Stocks. Ich öffnete es und schickte ihm einen Luftkuss nach unten.

Obwohl er durch die Öffnung nur meinen Oberkörper sehen konnte, pfiff er von unten und streckte mir seinen aufgerichteten Daumen entgegen. Seinen Luftkuss schickte er gleich hinterher. Lachend fing ich ihn auf und drückte meine Hände gegen mein Herz.

Ich begann langsam zu frösteln. Der Sommer war lange vorbei und meine Schultern waren nur von einem Hauch von fein gearbeiteter Spitze bedeckt. Wie auf Kommando zog Taylor seine warme Jacke aus und streckte sie an einem Arm nach oben.

Wenn es noch so etwas wie Traumwelten gab, dann kam er aus einer.

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Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigte mir, dass es Zeit war zu gehen.

Kate stand noch immer am Fenster und kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen. Auch wenn ich ihr sonst nicht viel bieten konnte, ein Lächeln auf ihre Lippen konnte ich ihr immer zaubern. Dazu war ich schließlich da. Dieses Leuchten, das in ihr Gesicht kam, wenn sie mich sah, war mehr wert als alles Geld der Welt.

Ein kleiner Stich in meinem Inneren erinnerte mich daran, dass nicht ich sie zu einem prachtvollen Ball eingeladen hatte, zu dem sie dieses Kleid anziehen konnte und auf dem ich mit ihr tanzen konnte, sondern Grahams. Der arrogante Mistkerl bekam alles, was er wollte. Schon lange betete ich dafür, dass er nicht Kate wollte.

Ich zog einen Zettel aus meiner Tasche, faltete ihn zu einem kleinen Papierflieger und versuchte mit ihm das Fenster zu treffen. Der Flieger schwebte erst in die andere Richtung, schwenkte dann um und fiel direkt auf das Fensterbrett vor Kate. Mit einem Faustschlag in die Luft über meinem Kopf feierte ich meinen Treffer. Auch mein Mädchen lachte wieder, nahm den Flieger und öffnete ihn.

Mit einem Schwung schulterte ich meine Jacke und ging in Richtung Innenstadt.

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"Viel Glück heute Abend. Du siehst aus wie eine Prinzessin - meine Prinzessin?"

Ordentlich faltete ich den Zettel wieder zusammen und winkte Taylor hinterher, der auf dem Weg zur Arbeit war. Ja. Ich war seine Prinzessin, auch wenn wir dringend noch einmal über diesen Spitznamen reden mussten. Aber in dem Ballkleid konnte ich das akzeptieren.

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