44 Liffey Bridge

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Sanft landete das Flugzeug auf der Landebahn und die letzten Passagiere richteten sich in ihren Sitzen auf und machten sich für den Ausstieg bereit. Ich gähnte noch und rieb mir meine Augen. Fliegen war nicht so mein Ding. Mein Nacken war verspannt und meine Füße waren mehrmals eingeschlafen und kribbelten jetzt unangenehm. Im Sitz neben mir war hingegen alles ruhig. Taylor lächelte mich entspannt an und gab mir einen Kuss auf die Wange.

"Gleich ist es vorbei."

"Hab ich mitbekommen, danke," lachte ich.

Er nahm mein Hand in seine und strich vorsichtig die Linien, die meine Adern zogen nach. 

"Weißt du, ich habe meine Wohnung gekündigt, als ich nach hause gezogen bin." gab er jetzt kleinlaut zu. Ein paar Minuten noch, dann waren wir da. Ich seufzte.

"Du kannst erstmal bei mir wohnen," schlug ich vor, aber er unterbrach mich sofort und schüttelte den Kopf.

"Ich will das diesmal richtig machen. Niemand zieht erst bei seiner Freundin ein und lernt dann erst ihre Eltern kennen. Das geht nicht."

Unser Gespräch wurde unterbrochen von dem Durcheinander von Passagieren, die alle gleichzeitig aufstehen und aussteigen wollten. Als wir endlich mit unserem Gepäck im Taxi saßen und wieder aufatmen konnten, knüpfte ich an seine Begründung an:

"Meine Eltern kennen dich," erinnerte ich ihn. Als ob es gestern war konnte ich mich an den Abend erinnern, an dem er auf der Veranstaltung meiner Mutter gekellnert hatte. Und meine Großmutter ihn süß fand. Ich unterdrückte ein Kichern.

"Sie kennen mich als Angestellten, das ist nicht das, was ich will." Das war sein letztes Wort in dieser Sache, ich spürte das. "Vielleicht gehe ich erstmal zu Ross."

Es beunruhigte mich leicht, dass ich noch nie zuvor von jemandem namens Ross gehört hatte, aber seinem Blick nach zu urteilen, sollte ich ihn wohl kennen. Bevor ich allerdings genauer nachfragen konnte, waren wir schon mitten im Zentrum Dublins und der Taxifahrer vergewisserte sich mit einem fragenden Blick in den Rückspiegel, dass er an der richtigen Stelle angehalten hatte. Liffey Bridge. Schnell nickte ich ihm zu, gab ihm das Geld und bedankte mich, während Taylor die Taschen aus dem Kofferraum holte. 

Da standen wir also, nachdem wir um die halbe Welt gereist waren , um einander wiederzufinden an beinahe der Stelle, an der wir uns kennengelernt hatten. 

"Kate!" hörte ich eine hohe Stimme kreischen und ein paar Sekunden später war ich in eine Wolke aus dem teuersten Parfum und einem Pelzkragen eingehüllt. Selbstverständlich Kunstpelz.

"Mum." begrüßte ich sie, aber sie ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen.

"Weißt du eigentlich, was du uns für einen Schrecken eingejagt hast? Einfach wegzufliegen? Mit einem -" hier macht sie eine Pause und rümpfte ihre gepuderte Nase "öffentlichen Verkehrsmittel?"

Ich verdrehte nur die Augen. Für meine Eltern waren Busse und Taxis genauso schlimm wie die Hochhaussiedlungen am Rande der Stadt. Niemals würden sie so etwas betreten. Jetzt wies meine Mutter unseren Chaffeur an, Taylor meine Tasche aus der Hand zu nehmen. Sie blickte an ihm herab, als ob er ihr bekannt vorkam, entschlos sich dann aber, dass sie wohl kaum jemanden wie ihn kennen konnte. Sie kramte in ihrer Tasche und hielt ihm einen Geldschein hin.

"Dankeschön, ich denke wir brauchen sie dann nicht mehr" presste sie hervor und lächelte gekünstelt.

Ich konnte nicht fassen, dass sie ihn tatsächlich für einen Kofferträger hielt. Er offensichtlich auch nicht. Schon räusperte sich Taylor und öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, doch ich trat ihm schnell auf den Fuß und schüttelte den Kopf. Dann schob ich meine Hand in seine und schöpfte Mut.

"Mutter? Ich denke, ich muss dir etwas erzählen. Es wird dir nicht gefallen..."







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