14 In letzter Sekunde

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Wie ein winziger Staubpartikel schwebte ich über der Liege, jeder noch so kleine Windhauch hätte mich wegtreiben können. Aber geschützt von der dünnen Glaswand neben der Terrasse blieb ich auf der gleichen Stelle. Genau dem Ort über meinem Körper, der leblos da unten lag.

Mit jedem kleinem Atemzug, den meine Lunge unter mir tat, flog ich ein kleines Stück höher. Einen kleinen Schritt näher zum Himmel.

Doch bevor ich noch weiter aufsteigen konnte, entdeckte ich ihn beim Pavillon. Ratlos blickte er sich um und ich wollte so dringend, dass er mich sah, wie ich da in der Luft schwebte, völlig losgelöst von allem, das mich auf der Erde gehalten hatte.

Wie wild versuchte ich ihn auf mich aufmerksam zu machen, aber so sehr mich auch anstrengte, er sah mich nicht. Während einem besonders auffälligem Stunt stürzte plötzlich mein Körper von der Liege und blieb seltsam verkrampft auf dem kalten, harten Boden liegen.

Endlich bemerkte mich Taylor. Eine Sekunde später stand er vor mir und mit jedem Zentimeter, den er mir näher kam sank ich ein wenig tiefer herab. Ich sog den Augenblick, in dem er meinen Körper betrachtete, wie frische Luft nach dem Tauchen in mich ein.

Dann beugte er sich über ihn und hob mich sanft zurück auf die Liege. In dem Moment, als seine warmen Hände mein gefrorenes Ich berührten fiel ich zurück in meinen Körper.

Das letzte, was ich mitbekam war ein "Gute Nacht" an meinem Ohr und die wohlige Wärme, die langsam über mich fiel.

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"Miss?"

Jemand rüttelte an meiner Schulter und zog mir die Decke vom Kopf.

"Miss! Es ist 9 Uhr! Warum sind Sie denn nicht in der Schule? Und warum liegen Sie hier in der Kälte?"

Murrend blinzelte ich und ließ das grelle graue Licht in meine Augen fallen. Dann kamen auch die Erinnerung zurück.

Mit einem Ruck saß ich aufrecht auf der Liege, mein Kopf schlug dabei gegen etwas hartes.

"Verzeihung."

Diese etwas stellte sich als Mr.Gaardt heraus, der sich vor mir aufgebaut hatte. Besorgt blickte er mich jetzt aus seiner runden Brille an.

"Schon gut," krächzte ich. Mein Rachen fühlte sich wie eine Wüste an.

Der Butler half mir auf und mithilfe seinem Arm als Stütze wankte ich in das warme Haus. Mr.Gaardt geleitete mich bis nach oben, wo er schon ein heißes Bad für mich eingelassen hatte. Neben der Wanne stand ein Tablett mit einem Glas Wasser und Kopfschmerztabletten. Eines der Mädchen brachte mir frisch aufgebrühten Tee.

Bevor sie mich alleine ließen, bedankte ich mich bei Mr.Gaardt, aber er schien sich größere Sorgen darüber zu machen, ob ich heil von der Tür bis ins Wasser kommen würde.

Ich schluckte schnell die Tabletten und streifte dann meine klamme Kleidung von mir. Das heiße Wasser brannte auf meiner Haut. Langsam tauten wohl auch meine Nervenzellen wieder auf.

Nachdem ich mich eine Stunde mit Baden, Musik hören und vielen, vielen Schaumblasen ablenken konnte, musste ich mich doch der Realität stellen.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich von der Party bei Bella nach hause gekommen war, geschweige denn woher die blauen Flecken kamen, die sich über meine ganze rechte Seite zogen.

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Der monotone Vortrag des Lehrers wirkte wie eine Schlaftablette auf ihn. Jedes mal, wenn er seine Stimme hob, schreckte wie aus einem Tiefschlaf auf, obwohl seine Augen weit geöffnet waren. Sie waren allerdings nicht auf die von oben bis unten vollgeschmierte Tafel gerichtet, sondern auf die Uhr.

Tick Tack

Wenn er sich nicht zusammenriss, würde er bis zum Ende der Stunde im Rhythmus des Sekundenzeigers hin und her schwanken.

Der Gong riss ihn aus seinen Gedanken. Auf einmal war er hell wach.

Er stürmte aus der Tür, hinaus auf den Gang, der sich schnell mit Schülern füllte. Aus jedem Klassenzimmer drangen Menschen auf die Flure. Wie eine Flutwelle schoben sie ihn immer weiter. Normalerweise nervte ihn das Gedränge, aber heute kam es ihm gelegen. Als die Welle auf Höhe ihres Schließfachs war, versuchte er sich von ihr zu befreien und dort stehen zu bleiben.

Leider schien die Welle nicht aus Wasser, sondern aus Kleber zu bestehen, denn er musste sich regelrecht freikämpfen.

Fluchend stolperte er aus der Menge und knallte dabei beinahe gegen die Metalltüren des Spinds.

Das Mädchen, das neben diesem stand begann zu kichern. Ein kurzer Seitenblick sagte ihm, dass das die große Schwester von Kate war. Würde er nicht wissen, dass sie Geschwister aus einer Seele waren, hätte er es nie erraten.

Während Kate immer irgendwie elegant und gepflegt aussah, so wie sich es für ein Mädchen aus so einer Familie gehörte, war Linn eine Art Punk. Ihr hübsches Gesicht war von tiefschwarzen Haaren eingerahmt, dass ihr bis zur Hüfte reichte. An jedem Ohrläppchen blinkten verschiedene Ringe und die weißen Zähne bildeten einen harten Kontrast zu der dunkeln Kleidung, die sie trug.

Würde sie ihn nicht gerade angrinsen, hätte er sie gruselig gefunden.

"Auf wen wartest du?" fragte sie ihn, mit einer erhobenen Augenbraue.

"Ich -ähm- warte eigentlich auf -crm-ähm- Kate. Auf Kate" stotterte ich. Wieso war ich auf einmal so nervös? Weil sie statt einem großen Bruder, der aufpasste, eine große Schwester hatte?

Sie lachte kurz auf und drehte sich dann um, um zu gehen,

Wieso mussten Mädchen immer eine Show abziehen?

Schnell lief er ihr nach, fasste sie an der Schulter und sah sie flehend an.

"Ähm... Weißt du wo sie ist?"

Nachdem er diese Frage ausgesprochen hatte, erschlafften die Muskeln in ihrem Gesicht, ihre Mundwinkel waren nach unten gefallen. Ihre Augen hörten auf zu leuchten. Irgendetwas war passiert. Etwas schlimmes.

"Nein." flüsterte sie nur. "Und du?"

Er sah einen Funken Hoffnung aufleuchten, den er nicht löschen wollte.

"Ich habe sie nach der Party auf eurer Gartenliege zugedeckt. War sie dort denn nicht? Habt ihr sie überhaupt gesucht?"

Linns Hoffnungsfunken wurde größer. Sie lächelte ihn wieder an, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie mit wehenden Haaren nach draußen lief.

Erleichtert atmete er auf. Ihm war nicht aufgefallen, dass er sich angespannt hatte, als ihm der Gedanke kam, dass Kate verschwunden war.

Noch einmal blickte er auf ihren Namen auf dem Schließfach, dann schritt auch er nach draußen und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf seiner Haut.


DANKE FÜR 500 !!!

Ihr seid unglaublich :O

Ich würde gerne eine Art "Special" machen sobald ich Zeit habe, also könnt ihr schon mal eure Wünsche in die Kommentare schreiben :)

Was haltet ihr von einer Verkupplung durch Linn? :D





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