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Mein rechter Fuß wippte im Takt der Musik mit. Ich hatte mir Kopfhörer aufgesetzt und auf die höchste Lautstärke gestellt. Der ganze Lärm um mich herum war sofort ausgeblendet, nur noch das Lied dröhnte durch meinen Kopf.

Ich komme aus 'nem anderen Land

Passt das zusammen mit deiner Kultur?

Am Anfang war keiner so wirklich begeistert

Als sie von uns beiden erfuhren

Vergiss mal den Zeiger der Uhren

Bleib lieber in deiner eigenen Spur

Du hast begriffen ich bleibe drum lässt du mich guten Gewissens alleine auf Tour

Ich leiste den Schwur

Seite an Seite mit dir

Ich meinte zu ihr

Lass die andern sich verändern und bleib so wie du bist

Die Tränen sammelten sich schon wieder in meinen Augen, aber ich schluckte den Schmerz runter. Das waren wir. Es war nie leicht gewesen und ich befürchtete schon fast, dass es jetzt endgültig zu spät war. Wieder war ich gegangen, obwohl ich genau wusste, dass ich ihn damit zwang, sich zu entscheiden. Ich war am Flughafen und in einigen Stunden würde ich über dem Atlantik schweben und ihn wieder verlieren. Es riss mir das Herz entzwei, mir vorstellen zu müssen, ohne ihn zu sein. Ohne seine Nähe, seine Wärme, ohne seine tiefe Stimme, die mich zum Lachen brachte. 

Die Seen in meinen Augen drohten überzulaufen, aber ich starrte mit weit geöffneten Lidern an die hohe Decke. Die Architektur war nichts besonderes und trotzdem strahlten diese Wände etwas heimisches aus. Ich stellte mir vor, wie Taylor genau hier saß, kurz nachdem er sich von seiner Familie verabschiedet hatte, um das erste mal nach Irland zu fliegen. Alles hatte er hinter sich gelassen. Schon einmal. Wollte ich ihn wirklich dazu zwingen, es ein zweites Mal zu tun?

Völlig in Gedanken versunken und an die Decke schauend ließ ich das Lied zu Ende laufen. Aus. Vorbei. Und dann fiel irgendetwas neben mir zu Boden. Ich hielt den Atem an. 

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Sie saß völlig allein auf einer Bank in der Wartehalle. Mithilfe der Kapuze auf dem Kopf und den Kopfhörern auf den Ohren hatte sie sich von der Welt abgeschottet. Zusätzlich starrte sie an die Decke. Auch mein Blick wanderte nach oben. Was gab es da? Ich konnte nichts besonderes entdecken. Helles Sonnenlicht schien durch das Glas in die Halle, aber die Metallstangen, die das Konstrukt trugen, machten den Anblick nicht gerade schön. Im Gegensatz dazu war Kate wunderschön. Wie eine einzelne Blume auf einem verdorrten Feld saß sie da und bemerkte ihn nicht.

Er wollte sich nicht anschleichen und sie erschrecken, aber da sie sich völlig von der Außenwelt abgeschottet hatte, blieb ihm nichts anderes übrig. Mit federnden Schritten ging er auf ihre Bank zu und setzte sich unverblühmt neben sie. Die Reisetasche fiel mit einem dumpfen Schlag auf den Boden und ließ sie zusammenzucken. 

Zuerst sah sie seine Tasche, seine abgenutzten Schuhe und seine verwaschene Jeans. Von da hob sie ihren Blick immer höher, bis zu seinem Gesicht. Und konnte es nicht fassen.

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"Nicht dein Ernst." sagte ich trocken.

Man konnte ihm ansehen, dass das nicht die Reaktion war, die er erwartet hatte. Er biss die Zähne zusammen und lächelte unschuldig. "Was denn?"

"Was machst du hier?" fragte ich. Mit einer Reisetasche fügte ich lautlos hinzu. Am Flughafen. Meine Gedanken kreisten, aber die Antwort, die mir einfiel, verwarf ich sofort wieder. Unmöglich. Nie.

"Ich komme mit. Zurück nach Dublin," antwortete er und sein Lächeln wurde breiter. Ich konnte ihn nur anstarren. Die Schallwellen drangen in mein Ohr und wurden von dort an mein Gehirn weitergeleitet. Aber da hörte es auf. Nur Rauschen kam bei mir an. "Weißt du, irgenwie habe ich den Regen vermisst," fügte er hinzu und zwinkerte. Taylor meinte es ernst. 

"Deine Familie..." flüsterte ich ungläubig.

"Ist alles geregelt."

Mit einem lauten Schrei sprang ich auf und warf mich in seine Arme. Er meinte es toternst. Wir würden beide zurück nach Irland fliegen. Mein Herz flatterte und aus mir kam nur Quieken, aber ich war mir sicher, dass Taylor wusste, es war ein glückliches Quieken. Ein überglückliches Quieken, dass uns fast die Durchsage für unseren Flug überhören ließ. 

"Bereit?" fragte er mich und beugte seinen Kopf zu mir herab.

"Bereit, wenn du es bist." antwortete ich ihm und drückte meine Lippen gegen seine.

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Sorry für diese Anspielung auf die Edelsteintrilogie, aber ich konnte es nicht lassen :D

So wie du bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt