46 Süßer Morgen

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Warum wird immer wieder behauptet, dass man mit Vogelgezwitscher und den ersten Sonnenstrahlen des Tages am schönsten aufwacht? Sind es nicht die Atemzüge der Person, die wir lieben, und deren verschlafenes Lächeln, die den Morgen erst richtig schön machen?

Philosophisch angehaucht war ich ja schon immer. Und dazu geneigt, zu viel nachzudenken. Genau dabei erwischte mich auch Taylor, während ich ihn verträumt anstarrte und nicht einmal bemerkte, dass er aufgewacht war. Sein Anblick in meinem Bett war einfach zu hinreißend, um auf etwas anderes zu achten. Er nahm ein weißes Zierkissen und warf es mir ins Gesicht. Das brachte mich zum zusammenzucken. 

"Guten Morgen" wünschte er mir lachend.

Ich wischte das Kissen von meinem Kopf und kletterte auf seinen Körper. Erst stürmisch und dann immer sanfter werdend küsste ich ihn. Als er begann, mich näher zu ihm zu ziehen, rückte ich ab und hauchte mein "Morgen". Dann schälte ich mich aus den zehn Lagen aus Decken und Kissen, die verstreut auf dem ganzen Bett lagen und stand auf. 

Vor dem Spiegel gähnte ich. Meine Haare sahen aus, als ob sie noch nie einen Kamm gesehen hätten. Auf meinem linken Arm waren die Muster der gefalteten Decke zu sehen, auf der ich zeitweise gelegen hatte. Das weiße Nachthemd fiel an mir hinunter, wie an einem Stück Holz. Von meinen Kurven war nichts übrig geblieben. Mir war vorher nicht aufgefallen, wir viel an Gewicht ich abgenommen hatte. Der Stress und die Unsicherheit um Taylor, um meine Zukunft hatten mir stärker zugesetzt, als ich gemerkt hatte. Aber als Taylor hinter mir im Spiegel erschien, lächelte ich und meine Haut schien wieder zu strahlen.

"Du bist wunderschön" flüsterte Taylor in mein Ohr. Seine Lippen wanderten von meinem Ohrläppchen zu meinem Nacken. In mir spannte sich alles an.

"Nicht so wie du." meinte ich, als ich mich schnell umdrehte und ihm einen Kuss auf die Nase gab.

Hastig zog ich ein paar Klamotten aus der Komode neben dem Spiegel und verschwand damit im Bad. Noch ein Kuss mehr, und ich würde mich verlieren. Bevor ich begann, mich anzuziehen lehnte ich an der Badtür. In meinem Kopf konnte ich genau sehen, wie Taylor sich gerade hilflos fragte, was mit mir los war. Und ich wünschte, dass ich ihm eine Antwort darauf geben könnte. Aber das einzige, was ich gerade sicher wusste, war, dass wir uns so schnell wie möglich fertigmachen mussten. Meine Eltern waren Frühaufsteher. Und immerhin einen guten ersten Eindruck sollte Taylor bei meinem Vater machen. So viel Angst hatte ich vor seiner Meinung.

So stiegen wir 20 Minuten später in hellen Jeans und frisch gestriegelten Haaren die Treppe hinab und setzten uns an den Tisch. Mein Vater hob eine Augenbraue, während er seinen Kaffee noch brühend heiß trank und mit der anderen Hand die Zeitung glatt strich. Wirtschaftsteil. Als ob etwas anderes nicht zählte.

"Vater? Das ist Taylor," begann ich zögerlich.

"Ist mir bekannt," gab er zurück. Er schien nicht auf ein Gespräch aus zu sein. Was mich nicht besonders störte.

Schweigend schlang ich etwas Toast hinunter und versuchte, mich nicht an meinem Tee zu verbrennen, ihn aber trotzdem schnell zu trinken. Denn meine Mutter hatte uns Bescheid gegeben, dass sie uns noch heute wieder in der Schule wissen wollte. Also packten wir ein bisschen Papier und ein paar Stifte und ließen uns hinfahren. 

Meine Haare und die weiße Bluse wehten im letzten Sommerwind, als uns der Fahrer aus dem Auto ließ. Auch Taylor stieg aus dem Auto und atmete tief ein. Mir war klar, dass meine Eltern ihn nicht zwingen konnten, zur Schule zu gehen. Trotzdem war er mitgefahren und jetzt standen wir hier. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte man das Reden und Lachen von etwa hundert Menschen hören, die sich auf der großen Treppe vor dem Eingang aufhielten oder gerade von der Seite ankamen. Das Leben schien so leicht. Ich zog die Sonnenbrille von meinem Gesicht und blinzelte Taylor an.

"Wirst du reingehen?" fragte ich zögernd. Es war sein gutes Recht mich jetzt hier stehenzulassen und sich etwas eigenes zu überlegen. Vielleicht wieder in der Bar arbeiten, in der wir uns kennengelernt hatten. 

"Natürlich." sagte er aber und verblüffte mich damit vollkommen, "wenn du mitkommst." 

Er hielt mir seine große, warme Hand hin und mit einem Seufzer nahm ich sie. Zusammen würden wir das schaffen. Irgendwie.

 Irgendwie

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