(4) Kapitel
Sunshine
Erneut begann mein Tag, um 6:30 Uhr. Diese Uhrzeit war für mich der größte Albtraum meines Lebens. Und das nicht, weil ich mich für die Schule fertig machen musste, nein. Es war weil ich überhaupt wach wurde. Denn es gab nichts, dass mir mehr Seelenfrieden geben konnte als der Schlaf selbst. Der Schlaf war ein dimensionsloses Kosmos der Freiheit und der Unendlichkeit. Denn auch bei schlechten Träumen kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass nichts die bittere Realität übertreffen konnte.
Albträume sollten eigentlich die tiefste verborgene Angst in einem widerspiegeln. Nie konnte ich die weit verbreitete Erfahrung nachempfinden mitten in der Nacht, Schweiß gebadet und mit rasendem Herzen aufzuwachen, weil ich entweder von irgendjemand fremdes verfolgt wurde oder von hoch hinaus herabgestürzt bin.
Es lag wahrscheinlich daran, dass meine tiefsten Ängste sich jeden Tag in meinem Leben wiederfanden. Oder vielleicht lag es daran, das meine Ängste einfach für die meisten surreal erschien. Ich fürchtete mich jeden Tag zur Schule zu gehen und wieder eines von Matts Opfer spielen zu müssen. Ich fürchtete mich davor, dass meine Eltern sich doch irgendwann dazu entscheiden würden mich aus dem Haus zuschmeißen. Und noch mehr fürchtete ich mich davor, dass ich nie in meinem Leben für irgendjemanden gut genug sein könnte.
So zu leben ist einsam. Einsam und kalt.
Mein Blick folgte unbewusst den rot gelben Blätter aus dem Garten, die vom Sonnenlicht golden durch mein Fenster strahlten.
Als größte Frostbeule auf Erden sollte ich mich so langsam etwas wärmer anziehen. Es war bereits Herbst. Demnach beschloss ich mir einen Strickpulli mit gefütterter Leggins anzuziehen. Dazu noch eine weiße Mütze, Stulpen und Schal.
Anschließend machte ich mich im Bad fertig und verzichtete dieses Mal auf die übliche Schminke. Mir war dieses Mal einfach nicht danach und es ist ja nicht so als müsste ich hier irgendjemanden beeindrucken. Auch wenn ich wusste, wie blass ich im Vergleich zu sonst aussah. Und das war sehr untertrieben. Mich hätte man glatt mit 'nem Geist verwechseln können, so schlimm war es. Dennoch beließ ich es bei meiner täglichen Feuchtigkeitscreme damit ich wenigstens neben dem Zombie-look nicht noch verschrumpelt aussah und flechtete meine Haare aus meinem Gesicht.
Zuletzt zog ich mir die Jacke und Schuhe an, griff nach meinem Rucksack und verließ leise das Haus. Ich wusste nicht genau, woher diese Angewohnheit kam so still und unauffällig durch die Tür zugehen wie nur möglich. Aber ich bekam dabei jedes Mal so ein seltsames Gefühl. So als würde ich etwas illegales machen. So als würde ich den Laden verlassen ohne etwas gekauft zu haben. Auch wenn jeder, spätestens dann sobald ich mein Auto startete, wissen sollte, dass ich die jenige war, die gerade das Haus verließ.
Das Gute allerdings war, dass diesmal der Verkehr mich nicht in den Wahnsinn trieb. Ehrlich gesagt wahr es sehr leer. Sogar die Ampeln waren auch dauerhaft grün. Ein Idikator, dass heute ein guter Tag werden könnte.
In der Schule angekommen merkte ich, wie ich fast 10 Minuten zu früh war. Sowas passierte echt selten, weshalb ich mich auf die Hintertreppe des Schulhofs niederließ und mir die Zeit dadurch vertrieb, die anderen hinterrer zu schauen.
Schon amüsant als unbeteiligte der Schul-Society objektiv die anderen zu beobachten. Es waren immer solche Grüppchen. Man konnte direkt erkennen, wer zu den eher 'Beliebten' gehörte und wer nicht. Das Prinzip von Beliebtheit, war mir eh von Anfang an suspekt. Denn wer entscheidet eigentlich, wer zum oberen Teil des Systems angehören durfte und wer nicht? Und wieso wird so etwas einem unmittelbar nach der Schuleinführung direkt in die Wiege gelegt? Es wird nach Aussehen, Persönlichkeit und nach Wiedererkennungswert unterschieden. Doch nicht die, die unbedingt am besten aussehen oder die, die am schlausten oder am sympathischsten auftreten, gehörten zwangsläufig zur Elite der Schule.
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...because I'm different
RomanceWie es ist, niemanden hinter sich stehen zu haben und damit einsam ist, wissen nicht viele. Manche wollen einfach nicht realisieren, dass sie Leute haben mit denen sie reden können und manche würden das gerne realisieren, was aber nicht der Fall ist...