Am nächsten Morgen wachte ich entspannt auf und hatte sogar glücklicherweise daran gedacht, mir einen Wecker zu stellen, obwohl ich schon davor aufwachte.
Das Geschehen von gestern spuckte immer noch in meinem Kopf und hatte auch nicht vor, diesen zu verlassen. Lange hatte ich ihn schon nicht mehr gesehen, obwohl wir im gleichen Bereich arbeiteten.
Wieso reagierte ich immer noch auf ihn?
Er war es noch nie wert und wird es auch nie sein. Durch ihm kam der Ärger und die größeren Probleme auf mich zu, jedoch war er gleichzeitig mein Ausgleich.
Ich konnte ohne ihn nicht und genau dafür verfluche ich ihn am meisten. Er hatte mich im Stich gelassen, als ich ihn am Meisten brauchte. Dann tauchte er wieder auf und benahm sich so, als wäre alles in Ordnung.
Ich versuchte den Gedanken an ihn zu verdrängen, doch ich wusste, dass er mir für Wochen noch in meine Kopf bleiben würde. Der Schmerz und die Enttäuschung saßen noch zu tief.
Jedes kleine Detail erinnerte mich an ihn und ich wunderte mich, ob es ihm nicht gleich ging. Äußerlich tat er auf unantastbar, doch ich hoffte, dass er durch den gleichen Schmerz wie ich gehen muss.
Er hat es nicht anderes verdient. Aus Liebe wurde Hass.
Ich zückte mein Handy und schaltete den Wecker aus, obwohl ich noch Zeit hatte. Entspannt sprang ich unter die Dusche und bemerkte, dass ich momentan ein normales Leben führte. Zumindest fast.
Ich arbeitete als Kellnerin, wie es viele machten und ich schlief in meinem Bett in meiner Wohnung. Ich merkte, dass ich mich in den letzten Tagen verändert hatte und ich war mir nicht sicher, ob es mir gefiel. Das Problem dabei war, dass ich zu verletzlich geworden bin.
In meiner Branche ist dies der häufigste Fehler. Du musst eiskalt sein und nicht auf Andere achten. Denn sonst bist du dran.
Ich drehte den Hahn der Dusche zu und wickelte mich in ein Handtuch. Der Spiegel zeigte mir eine blasse Person, die viele blaue Flecke mit sich trug. Jeder von ihnen hatte eine Geschichte, die jedoch bald wieder verschwinden würde.
Jeder Auftrag war nur eine Geschichte. Hatte ich ihn erfüllt, verschwand alles.
Ich sah in mein Gesicht. Braune Haare umrandeten dieses. Die Nase war zu groß, die Lippen zu rissig und zu klein. Die Augen sahen normal aus, bis auf das sich dort etwas regte.
Ich fing wieder an Gefühle zu zeigen, was ich schnellsten stoppen musste. Es geht einfach nicht. Die Tränen bahnten sich schon rechtzeitig an, doch ich unterdrückte diese und gab ihnen nicht die Genugtuung. Ich straffte meine Schulter, stellte mich aufrecht hin und sah entschlossen in den Spiegel.
So musste ich bleiben. Keine Gefühle. Keine Fehler.
Rein gar nichts.Bevor ich losging, schnappte ich mir meine Tasche und packte das Wichtige hinein. Ich hatte tatsächlich die weiße Hose angezogen. Hoffentlich machte ich sie nicht sofort dreckig. Als ich an meinem Zielort angekommen war, öffnete ich die Tür und lief zu unserem Treffpunkt. Dort stand noch keiner, was auch nicht verwunderlich war, da ich viel zu früh bin.
Ich konnte es nur nicht länger aushalten. Nach und nach trudelten ein paar ein, doch ich trennte mich räumlich und gedanklich von ihnen. Mein äußeres Erscheinungsbild sollte arrogant rüber kommen, sodass sich keiner traute, mich anzusprechen. Ich wollte alleine sein.
Denn so hatte ich die Chance wieder in mein altes Ich zu finden. Nachdem die Frau wieder eingetreten ist, herrschte absolute Ruhe. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es. Sie fing an zu reden und prinzipiell war es das Gleiche wie auch schon bei Eds Party. Nur das Alter war ein wenig verschieden und das Essen. Sonst war alles gleich.
Irgendwann schaltete ich auch ab und hörte nicht mehr zu. Es ging einfach nicht. Sich das Ganze einmal anzuhören, war schon schwer, doch ein zweites Mal, wenn man sogar den Ablauf kannte, war eigentlich unnötig. Da alle aufstanden, nahm ich an, dass wir fertig waren, weshalb ich ebenfalls aufstand und ihnen nach draußen folgte.
Zusammen fuhren wir zur Eds Oma, die mich zur Begrüßung herzlich umarmte, was mir das Ganze wieder schwer machte.
Der Empfang war relativ entspannend, da nicht sehr viele Gäste eingeladen waren, was für uns Kellner natürlich nur ein Vorteil ist. Während sie sich alle an dem großen Tisch setzten, liefen wir herum und verteilten kleinen Häppchen. Eds Oma hielt noch eine Ansprach und wir waren dafür zu ständig, dass jeder das bekam, was er wollte.
„Liebes. Vielen Dank noch einmal für die Tasche.", Eds Oma kam in die Küche, wo ich gerade dabei war, mein Tablett neu zu füllen. „Wie ich schon gesagt habe, kein Problem.", erwiderte ich neutral. Ich schaffte es nicht negativ vor ihr zu wirken, da sie einfach viel zu nett war.
„Weißt du...", fing sie an und ich nahm mir gerade ein neues Häppchen, jedoch wurde ich auf einmal zu Boden gerissen. Im Flug flog mir das Häppchen in mein Gesicht.
Ich spürte wieder einmal den harten Boden unter mir und machte mich innerlich darauf bereit zu kämpfen. Schnell wischte ich mir den Kuchensnack aus dem Gesicht und ballte meine Fäuste. Als ich mich jedoch umsah, war dort kein Angreifer.
Lediglich Eds Oma lag neben mir auf dem Boden. Schnell versuchte ich sie von mir hinunter zu bekommen und aufzustehen. „Hallo? Kannst du mich hören?", ich tätschelte ihr leicht auf die Wange und hoffte, dass sie die Augen aufschlagen würde, was sie nicht tat.
„Verdammt.", fluchte ich und sah mich um. Natürlich war dann keiner da, wenn man Hilfe gebrauchen konnte. Ich entschied mich, sie in eine stabile Seitenlage zu bringen, so wie ich es mal gesehen hatte.
Mist. Ich war für so etwas nicht ausgebildet. Eher für das Gegenteil.
Ich hoffte nur, dass ich es nicht schlimmer getan hatte. Meine Hände und mein ganzer Körper zitterten vor Angst.
„Bitte wach auf.", flehte ich und rüttelte vorsichtig an den Schultern. „Gott sei dank.", rutschte es mir erleichtert raus, als sie ihre Augen öffnete. „Du lebst noch. Bleib am besten liegen.", befahl ich ihr und sie sah mich verwirrt an.
Ich erklärte ihr kurz, was geschehen war. „Versprich mir, dass du Eddie nicht sagst. Er macht sich generell schon zu viele Sorgen.", bat sie mich und sah mich liebevoll an.
Wir hatten es geschafft, dass sie zumindest nicht mehr auf dem Boden lag, sondern auf einem Stuhl saß. Ich konnte nicht anderes als Nicken.
Diese Situation hat mich so überfordert und die Angst, die ich gespürt hatte, obwohl ich sie noch nicht einmal richtig kenne, war genug für heute. Ich war fertig mit meinen Nerven.
Muss Mathe lernen :(
Also ich kann ja die stabile Seitenlage. Erste Hilfe Kurs ahoi. (Okay ich brauchte den für meinen Führerschein, ein Samstag, der langweilig und vergeudet war)
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The Order (Adventskalender 2015)
Ficção Adolescente„Du wirst diesen Auftrag erfüllen, haben wir uns da verstanden?" Stumm nickte ich vorsichtig und atmete erleichtert auf, nachdem er das Messer von meinem Hals genommen hatte. Ich weiß, dass ich keine Angst zeigen sollte, doch das war nicht so einfac...