11. Dezember

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Zum ersten Mal seit ich eigenständig lebte, war ich nicht nur einmal zum Schlafen in meiner Wohnung. 

Direkt nach meinem Parkbesuch suchte ich meine Wohnung auf, was sehr ungewöhnlich war, da ich zu dieser immer erst nach meinem abendlichen Rundgang ging. Ich machte noch nicht einmal etwas Besonderes. Da ich nicht sehr oft in meiner Wohnung war, war diese ebenso spärlich eingerichtet. 

Als ich entrat, zog ich meine Schuhe und Jacke aus. Danach zog ich mich und legte mich in mein Bett, wo ich mich aufwärmte. Lange lag ich noch wach und starrte einfach irgendwo hin, jedoch musste ich irgendwann eingeschlafen sein. 

Der nächste Morgen sah ähnlich aus. Als ich erwachte, blieb ich reglos liegen und starrte die Wand an. Trotz allem zwang ich mich irgendwann wenigstens auf mein Handy zu gucken, um Nachrichten zu checken. Ich seufzte, drehte mich ein Stück und griff nach meinem Handy, wo keine Nachrichten zu sehen waren. 

Keiner brauchte mich. 

Ich legte das Handy wieder weg und bewegte mich zu meiner alten Position wieder zurück. Dort blieb ich wieder länger liegen und starrte einfach nur. Ich kann nicht genau einschätzen, wie lange ich dort lag, doch vermutlich waren es mehrere Stunden. 

Mehrere Stunden, wo ich schon Vieles hätte machen können. 

Vor ein paar Tagen stand Faulenzen nicht auf meiner Liste, obwohl es natürlich kein richtiges Faulenzen ist. Ich war mir meiner Aufgabe bewusst und hatte lediglich momentan eine etwas größere Denkphase über mein Leben. 

Da ich nun auch nicht für immer hier liegen bleiben konnte, was sich eigentlich ziemlich gut für mich anhörte, richtete ich mich auf und schnappte mir mein Handy. Vielleicht hatte mir jemand in der Zwischenzeit geschrieben und brauchte meine Hilfe. Entgegen meiner Erwartung hatte mir keiner geschrieben und tief im Inneren hatte ich es gewusst. 

Meine Bettdecke wurde von mir zurück geschlagen und ich spürte, wie die Wärme mich verließ beziehungsweise die Kälte auf mich eindrang. Eine Heizung konnte ich mir nicht leisten, da sich die Heizkosten nicht lohnen würden. Ich öffnete meine Tür und schlüpfte in das Bad, wo ich mich unter die Dusche stellte. 

Normalerweise stehe ich höchstens fünf Minuten unter der Dusche, doch auch wie zuvor im Bett philosophierte ich über mein Leben oder eher gesagt starrte auf eine Stelle. Ich dachte über die letzten Tage nach, die mich ziemlich mitgenommen haben. 

Lag meine plötzliche Verletzlichkeit an dem Typen, der mir die Schuhe bezahlt hatte? 

Apropos Typ, wann musste ich zu der Party? Eher gesagt wann musste ich kellnern? 

Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich beeilte mich, das restliche Shampoo auszuspülen. Ich drehte den Hahn von dem Wasser zu und wickelte mir schnell ein Handtuch um. 

„Verdammt.", fluchte ich, als ich sah, dass ich nur noch eine 20 Minuten Zeit hatte, um dort pünktlich anzukommen. Wieso musste ich ausgerechnet vergessen, dass das heute war? Ich brauchte diesen Job. Ansonsten müsste ich mir etwas anderes ausdenken und das würde nicht mehr in den Zeitplan passen. 

Man entwickelte mit der Zeit so langsam ein gewisses Gefühl, wie lange so ein Auftrag dauern dürfte. Ich trocknete mich schnell ab und zog mir meine Unterwäsche an. Danach suchte ich noch gefühlte Stunden meinen Föhn, bis ich bemerkte, dass er direkt vor meiner Nase lag. 

Stöhnend schnappte ich mir diesen und stöpselte ihn in der Steckdose ein, um meine Haare trocken zu pusten. Währenddessen angelte ich nach meinen Klamotten und versuchte sie gleichzeitig anzuziehen. Jede Minute war kostbar.

Als ich es geschafft hatte, meine Hose und meine Socken irgendwie anzubekommen, schaltete ich den Föhn aus und zog mir schnell die Bluse über. Ich kämmte meine Haare durch und machte sie schnell in einem Zopf. Besser als gar nichts. Dann schminkte ich mich schnell. 

Eigentlich tat ich dies so gut wie nie, weshalb ich auch nur eine getönte Tagescreme und Mascara besaß. Ich war froh, dass ich zumindest über diese zwei Dinge Bescheid wusste. Schnell huschte ich aus dem Bad, stieß mir dabei noch den Zeh ein und hob beim Laufen meine Tasche auf, wo ich später alles einfach hinein stopfte, was ich benötigte. 

Vermutlich war auch vieles unwichtig, doch jetzt war es erst einmal meine Invention nicht zu spät zu kommen. 

Ich schlüpfte in meine Sneacker und legte die hohen Schuhe behutsam in meine Tasche. Meine Jacke riss ich vom Bügel und schmiss sie mir über, damit ich sofort abschließen konnte. Während ich mein Schlüssel in die Tasche schmiss, holte ich mein Handy heraus und sah auf die Uhr. 

Noch sieben Minuten. 

Eigentlich könnte ich das gerade noch so schaffen. Mein Handy flog erneut in meine Tasche und dann joggte ich los. 

Ich joggte ohne auf Menschen zu achten; jeder Baum, jedes Haus und jeder Mensch flog nur so an mir vorbei.

Der Weg kam mir so lang vor, obwohl dies wahrscheinlich nicht der Fall war. Als ich die kleine Menschenmasse vor dem Hotel sah, atmete ich erleichtert auf und legte noch einmal zu einem Sprint an. 

„Nie wieder.", keuchte ich, als ich bei ihnen ankam. Nie wieder würde ich für so etwas laufen. 

Ich war es zwar gewohnt, wegzurennen, doch dabei half mir das Adrenalin besonders. Ich hörte die Kirchturmglocke 4 mal schlagen. Voll. Gerade noch pünktlich. 

Schon trat die Frau von letztem Mal aus der Tür und bat uns hinein in das Hotel. Drinnen rief sie uns einmal alle auf, damit sie sicher sein konnte, dass alle da sind. Ich währenddessen versuchte meine Atmung zu kontrollieren, die wahrscheinlich schlimmer war, als ein Walross beim Paarungsruf. Nichts gegen Walrösser. 

„Du sag mal, was müssen wir machen?", erkundigte ich mich bei einer, die neben mir stand. Denn ich war so sehr damit beschäftigt, vernünftig zu atmen, dass ich vergessen habe, zuzuhören. „Hör doch einfach besser zu.", entgegnete sie zickig und stellte sich von mir weg. 

„Wir sollen uns in kleine Gruppen aufteilen und zur Kosmetik gehen.", antwortete ein Mädchen für mich, da sie anscheinend meine Frage mitbekommen hatte. „Nach dem Schminken sagt sie noch einmal etwas, was wir uns anhören sollen, da es ja so wichtig ist.", die Nächste meldete sich zu Wort und verdrehte bei dem letzten Teil die Augen. 

„Danach geht es endlich ab zur Party, wo wir so viele Stars treffen werden.", schwärmte die Dritte und benahm sich jedoch schnell wieder normal, nachdem sie unsere Blicke gesehen hatte, „Natürlich sind wir zum Kellnern da. Das Andere ist Nebensache." 

„Let's go. Schließlich müssen wir noch hübscher werden als wir eh schon sind.", grinste die Zweite, nahm meinem Arm und zog mich einfach mit. 

Die Drei stellten sich netterweise, während des Schminkens, auch noch als Telja, Marie und Melanie vor. Ich musste gestehen, dass ich sie letztes Mal schon bemerkt hatte, jedoch war ich ja nicht da, um Freundschaften zu schließen. 

Sie waren mir sympathisch und eigentlich war nichts gegen ein wenig Spaß beziehungsweise Unbeschwertheit einzuwenden, oder? 

Doch trotz allem musste ich an den Gedanken festhalten, einen Auftrag zu erfüllen, der nicht ein Zuckerschlecken war.

Meine Nudelbæs ❤︎



The Order (Adventskalender 2015)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt