Chapter 9: Ameisenhaut

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Montag, 28.05.2012

Eleanor


„Du hast es gelesen?"

Ich antwortete nicht, sondern nickte einfach nur an Louis' Schulter und zog noch einmal seinen Geruch ein. Nachdem Perrie die Haustür geöffnet hatte, hatte ich nicht lange überlegt und mich sofort in seine Arme geschmissen, als ich gesehen hatte, wie er im Flur gewartet hatte. Sanft drückte ich mich von ihm weg und sah dann in seine blauen Augen. Besorgnis war in ihnen zu lesen sein, die jedoch nachließ als ich zaghaft zu lächeln begann. Er erwiderte es aber nicht.

„Kommst du mal kurz mit? Ich möchte was mit dir besprechen", sagte er und griff, ohne meine Antwort abzuwarten, nach meiner Hand und zog mich hinter sich her, die Treppe hoch nach oben und dann in ein Zimmer. Sein Zimmer.

Louis schloss die Tür hinter uns und lief dann wie ein wildgelaufener Tiger durch den Raum. Es sah hier typisch nah Louis aus. Seine Wände waren alle weiß, jedoch verliefen am oberen Rand zwei rote Streifen. Der Rest war mit Fotos zu tapeziert. Ansonsten war auch alles rot und weiß gehalten. Es wirkte chaotisch - ziemlich chaotisch sogar. Seinen Tisch konnte man nur schwer als einen identifizieren, sein Bett war nicht gemacht und auf dem Boden lagen einige T-Shirts herum. Eine Schublade seiner Kommode war geöffnet, aus der ein paar Hosenträger baumelten.

Ich fand es toll hier. Es zeigte mir, dass Louis Louis war. Ein Zimmer sagte immer viel über einen Charakter aus.

„Ich fahre nachher zu einem Radiointerview, um mich zu dem Artikel zu äußern", erklärte er, nachdem er stehen geblieben war und sah mich leicht zerknirscht an. Ich hatte Louis noch nie so aufgewühlt gesehen, also nickte ich einfach nur. Er setzte sich auf sein Bett und deutete mir dann es ihm gleich zu tun. Zögernd ließ ich mich neben ihn sinken und sah ihn abwartend an. Irgendwas bedrückte ihn, das spürte ich.

„Ich wollte mit dir besprechen, was ich dort sage, wenn es okay ist. Irgendwie betrifft es dich ja auch", sagte er und sah mich etwas verunsichert an. Ich zog überrascht eine Augenbraue hoch, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Ich fand das...ziemlich aufmerksam.

„Okay...hast du schon irgendwie eine Idee? Bin ich überhaupt das Geheimnis von dem alle sprechen?", fragte ich und versuchte die Situation mit meinem Späßchen ein wenig aufzulockern, aber Louis lachte wieder nicht. Verständlich, irgendwie.

Louis zögerte, fuhr sich einmal durch die Haare und vergrub dann sein Gesicht ins seinen Händen. Ich sah ihn nur unbeholfen an.

„Du magst mich?", fragte Louis nach einiger Zeit und sah mich fragend von der Seite an. Ohne groß nachzudenken begann ich mit meinem Kopf zu nicken. So heftig, dass sogar meine Haare hin und her flogen. Übertreibe es nicht, Eleanor!

Louis schenkte mir ein erleichtertes Lächeln. Ich erwiderte es und er raffte sich etwas auf, so als hätte er neuen Mut gewonnen. Er seufzte kurz und sah mich dann entschlossen an.

„Hör zu und lass mich bitte ausreden" Ich nickte und ließ es zu, dass er meine Hand in seine nahm und dann mit meinen Fingern spielte. Er sah mich nicht an, aber trotzdem durchfuhr mich ein Schauer. Ich wusste nicht, wieso mein Körper auf solch eine harmlose Berührung so reagierte.

„Die Jungs und ich haben uns geschworen immer ehrlich zu unseren Fans zu sein. Deswegen bin ich nicht in der Lage in dem Interview abzustreiten, dass du mein Geheimnis bist. Ich weiß nicht wie du das geschafft hast, aber seit diesem Tag im Café gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. Du bist irgendwie etwas Besonderes für mich."

Louis machte eine Pause, um mein Gesicht zu mustern. Ich glaubte sogar, dass er erwartete, dass ich irgendwas sagte, doch ich hielt mich dran und unterbrach ihn nicht. Er schien beeindruckt und fuhr dann fort.

„Das Problem ist: Wenn ich im Interview sage, dass du nicht nur irgendein Mädchen bist, wirst du in das Visier der Presse kommen, was ich schrecklich finden würde."

Louis wandte seinen Blick ab, biss sich auf die Unterlippe und hörte auf mit meinen Fingern zu spielen, also griff ich nach seiner Hand und umschloss sie mit meiner. Er zitterte leicht. Ich schluckte meinen Stolz hinunter und entschied mich jetzt genauso ehrlich, wie er zu sein. Wenn nicht, würde ich Louis nicht mehr wieder sehen können und das wäre...nicht ertragbar. So kitschig das auch klang.

„Ich...ich würde das in Kauf nehmen", murmelte ich. Louis erwiderte den Druck auf meine Hand, was mich zum Schmunzeln brachte. „Du bist mir nicht egal, Louis."


***


„Mach mal lauter!"

„Hör einfach auf die Chips zu futtern, Niall. Ich meine den echten Niall.", sagte Liam auf meinen bösen Blick hin, denn ich raschelte nicht rum, sondern der Ire. Zayn, Perrie, Liam, Harry, Niall und ich hatten es uns im Wohnzimmer gemütlich gemacht und warteten, auf das Exklusiv-Interview mit Louis, das gleich starten würde.

Paul hatte ihn vor ein wenig mehr als einer Stunde abgeholt und die Jungs hatten mir angeboten, hier auf ihn zu warten und mit ihnen gemeinsam das Interview zu hören. Ich fühlte mich ein wenig mulmig, denn irgendwie war ich daran schuld, dass das Leben der Jungs gerade ein wenig komplizierter als sonst ablief, aber als ich sie darauf angesprochen hatte, waren sie beinahe ausgetickt und hatten gemeint, dass ich ja aufhören sollte so etwas zu denken. Leichter gesagt als getan.

»Das war Kelly Clarkson mit Because of You. Und nun, meine lieben Zuhörer, haben wir einen Überraschungsgast, hier bei –«

„Niall, pack die Chips weg!", fauchte Harry leise und der Blonde streckte ihm die Zunge raus, ehe er tatsächlich der Aufforderung nachkam. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe und unterdrückte mühsam einen Aufschrei, als ich Louis' Stimme erkannte.

»...ich freue mich auch hier zu sein«, sagte er und ich hörte, dass er ein Lächeln aufgesetzt hatte. Zayn stellte tatsächlich die Lautstärke ein wenig höher, sodass wir nun die helle Frauenstimme der Moderatorin klar und deutlich verstehen konnten.

»In der letzten Woche ist bei One Direction ziemlich viel drunter und drüber gelaufen, oder?«, kam sie auf das direkt Thema und ich zog anerkennend eine Augenbraue hoch. Ich fand es gut, dass sie nicht lange um den heißen Brei herum redete.

»Bei One Direction geht immer alles drunter und drüber. Es wäre beängstigend, wenn es nicht so wäre«, erklärte Louis gerade und die Jungs um mich herum grinsten breit.

„Wie Recht dieser Kerl nur hat", murmelte Liam und schüttelte dann belustigt den Kopf. Ich zog meine Beine an meine Brust und legte mein Kinn darauf ab, ehe ich gespannt weiterlauschte. Mir war momentan überhaupt nicht nach Lachen zumute, dafür war ich zu nervös.

»Gut zu wissen. Doch um auf den Punkt zu kommen und somit auch den eigentlichen Grund für dein Interview zu nennen, Louis...die Zeitschrift RISE hat heute einen Artikel von dir und einem Mädchen veröffentlicht. Nicht weiter verwunderlich, es soll ja nicht heißen, dass du dich nicht mehr in Begleitung von Frauen sehen lassen darfst...«

»Das wäre ja auch noch schöner«, schnaubte Louis und ich verdrehte die Augen. Typisch Kerl. Auch die Moderatorin lachte und Harry neben mir grinste anzüglich.

»Aber sie versetzt gerade alle Directioner in Aufruhr, denn die Bilder wirken nicht ganz harmlos und wenn nichts wäre, würdest du jetzt wahrscheinlich auch nicht hier sitzen, oder Louis?«

Hatte ich vorhin noch gesagt, dass ich es gut fand, dass sie direkt auf den Punkt kam? Streicht das! Es kam mir plötzlich ziemlich plump vor und frustriert brummte ich ein wenig. Perrie, die neben mir auf dem Sofa saß, streichelte mir kurz über den Arm. Es war erstaunlich, wie gut wir uns nach dieser kurzen Zeit verstanden.

Louis antwortete nicht sofort und räusperte sich zunächst auch erst nach einigen Sekunden. Jetzt war es also soweit.

»Ja, also...sie ist mir wichtig. Sehr wichtig. Aber es ist noch nichts Ernstes. Wir verstehen uns gut und ich genieße es meine Zeit mit ihr zu verbringen. Sie bringt mich zum Lachen und bei ihr kann ich einfach mal die Welt um mich herum vergessen. Ja, sie ist mein Geheimnis...oder war. Ich glaube Präteritum ist hier angebrachter, denn jetzt weiß ja die Welt Bescheid.«

„Du weinst doch nicht etwa?" Niall sah mich leicht panisch an und reflexartig wischte ich mir mit meiner Hand über die rechte Wange. Scheiße, scheiße, scheiße.

Ich wollte nicht weinen, aber Louis' Worte trugen nicht wirklich zu meiner ohnehin schon vorhandenen Nervosität bei. Es ging nicht anders.

Grummelnd versteckte ich mein Gesicht vor den anderen, was sie kichernd kommentierten. Zu allem entsetzten gab Perrie ein langgezogenes „Aw" von sich, was alle noch mehr zum Lachen brachten. Solche Idioten.

Ich konnte dennoch nicht leugnen, dass mein Herz heftig schlug und es sich anfühlte, als würden tausende kleine Ameisen über meinen Körper laufen, was mich leicht schmunzeln ließ. Dabei hasste ich diese Viecher.

Dieses Kribbeln hielt auch an, als das Interview beendet wurde und war immer noch vorhanden, als Louis eine Stunde später die Haustür öffnete. Zayn hörte auf Perrie zu necken, Harry und Niall stoppten den Kampf um eine Gummibärchentüte und ich unterbrach meine Unterhaltung mit Liam.

Ich schluckte leicht als ich sah, wie angespannt Louis war und wie er verunsichert erst die anderen und letztendlich mich ansah. Es musste schlimm für ihn sein und in diesem Moment wünschte ich mir nichts mehr für Louis, als das er ein ganz normaler Junge sein könnte, der nicht der Presse ausgesetzt war und der nicht seine Gefühle, die er für ein Mädchen hegte, Menschen schildern musste, die er gar nicht kannte.

Ich versuchte es mit einem kleinen Lächeln. Louis sah mich misstrauisch an, was noch verstärkt wurde, als ich mich von der Couch erhob. Die anderen waren unheimlich still.

Als ich vor Louis stand, biss ich mir einmal kurz auf die Zunge und schlang dann meine Arme um seinen Bauch. Er verharrte in seiner angespannten Pose und ich konnte sein Herz hastig pochen hören. Ich spürte die Blicke der anderen auf mir, doch das war mir egal. Es zählten nur Louis und Eleanor.

„Danke", wisperte Louis leise in meine Haare. Seine Arme schlangen sich um meinen Körper und ich gab ein kaum hörbares Seufzen von mir. Ich liebte seine Umarmungen. Louis gab mir ein Gefühl von Sicherheit und Nähe.

„Das hast du echt gut gemacht, Lou. El hat sogar geweint.", unterbracht Liam unsere Umarmung und ich fuhr zu ihm herum. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss und anklagend funkelte ich ihn an. Das konnte er doch nicht ernsthaft einfach so herausposaunen.

Ich hörte Louis' Kichern direkt hinter mir und wieder jagte es mir eine Gänse...Ameisenhaut über den ganzen Körper. Verlegen senkte ich meinen Kopf uns grummelte etwas Unverständliches vor mich hin. Als Louis jedoch seinen Arm um meine Schultern legte, schaute ich überrascht auf und sah in sein neugierig schauendes Gesicht.

„Soll ich dich nach Hause fahren, damit du nicht mehr diesen Volltrotteln ausgesetzt bist?" Louis sah mich fragend an und erschöpft und gleichzeitig erleichtert seufzte ich einfach. Da er es eh schon wusste, wo ich wohnte, war mir nun auch egal, wann er das erste Mal dort aufkreuzte. Und zu meiner Genugtuung beschwerten sich die Jungs mit einem empörten „Hey!".

Louis sah mich überrascht an und begann breit zu grinsen. Die Jungs begannen zu lachen, aber ich warf nur Zayn einen bösen Blick zu.

Louis' anfängliche Angespanntheit, die er seit dem Interview nicht abgelegt hatte, war verschwunden und überschwänglich griff er nach meiner Hand und zog mich dann hinter sich her. Im Flur öffnete er die Haustür und zu meiner Überraschung parkte genau davor mein geliebter schwarzer Van. Da kam doch Freude auf. Juhu!

Aber der Vorteil war natürlich, dass keiner von den Fans, die sich die Seele aus dem Leib kreischten, als die Tür aufgegangen war, mich sehen konnte und so kletterte ich unauffällig auf den Beifahrersitz, während Louis auf der Fahrerseite Platz nahm.

Wieder duckte ich mich, was Louis lachend kommentierte und ich selbst fragte mich, ob ich mal in der Lage sein würde, das sein zu lassen.

Relativ schnell hatten wir die laute Fanmasse hinter uns gelassen und Louis reihte sich nun in den Londoner Abendverkehr ein. Es dämmerte bereits und einige Laternen brannten schon. Es war erstaunlich, wie schnell die Zeit verging, wenn ich bei den Jungs war.

„Ähm? Ich bräuchte deine Adresse", murmelte Louis und sah mich von der Seite an. Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch.

„Ich dachte Zayn hat es dir gesagt." Verständnislos sah ich ihn an, doch Louis gab nur einen brummenden Laut von sich und starrte auf die Fahrbahn. Sehr löblich, Mr. Tomlinson.

„Zayn kann schweigen, wie ein Grab. Aus ihm hätte ich in tausend Jahren nichts rausbekommen." Ich riss meinen Mund auf und verengte gleichzeitig meine Augen. Dieser...dieser...

Zayn hatte mich eiskalt verarscht. Und wahrscheinlich war das dann auch der Grund, wieso er vorhin so lachen musste. Louis wusste überhaupt nicht, wo ich wohnte und Zayn wollte, dass er es von mir selbst erfuhr. Das Spiel gefiel mir nicht. Nope, ganz und gar nicht.

Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die Lehne und stöhnte dann genervt, was mir einen fragenden Blick von Louis einbrachte. Fast schon flüsternd nannte ich ihm meinen Straßennamen und augenblicklich begann er zu strahlen und drückte auf das Gaspedal, sodass ich mich erschrocken an dem Armaturenbrett festhielt.

Überrascht zog ich meine Augenbrauen hoch, als wir wenige Minuten später tatsächlich vor meinem Wohnblock standen. Louis hatte ihn ohne Navi-Gerät oder Karte gefunden und während der ganzen Fahrt hatte er vor sich hingeplappert, sodass es mir ein wenig Angst machte, dass er sofort den Weg wusste.

„Das muss es sein. Ich liebe diese Gegend hier. Wieso hab ich dich noch nie eher gesehen? Ganz in der Nähe befindet sich ein Tonstudio, wo wir öfters was aufnehmen." Louis sah sich staunend um und ich nickte verstehend. Achso. Natürlich war hier in der Nähe ein Tonstudio. Was auch sonst.

„Danke fürs Heim fahren", sagte ich und machte mich an dem Türöffner zu schaffen, doch Louis hielt mich davon ab, indem er seine Hand um meine schloss. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von mir entfernt und sein Geruch schlug mir entgegen, sodass ich erschrocken die Luft anhielt.

Louis wich ein wenig zurück, als er ebenfalls merkte, wie nahe er mir war, aber dennoch lächelte er mich breit an.

„Ich wollte dir nur sagen, dass wir die nächsten drei Wochen nicht in England sind, weil wir unsere Termine in Amerika nachholen. Wir können ja telefonieren oder skypen oder..."

„...ist ja okay, Lou", kicherte ich und Louis senkte schmunzelnd seinen Blick. Er wirkte wie ein kleiner Schuljunge, der bei etwas Verbotenem erwischt wurde.

„Ich werde dich vermissen",  flüsterte er in die Stille und mein Herz machte einen Satz. Oh Gott, es hatte heute schon viel zu viel ertragen müssen.

„Ich dich auch. Pass auf dich auf", verabschiedete ich mich und drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange, was ihm zum Lächeln brachte. Ich verdrehte die Augen und öffnete die Autotür.

„Immer", antwortete er und dann fiel die Tür zu und Louis brauste mit einem letzten Winken davon.


The Peppermint Tea AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt