Epilog -6-

520 15 0
                                    


  Andere wichtige Dinge im Leben



Noch in der Flitterwoche



Tris



„Ich habe heute eine Überraschung für dich, Tris.", weckt mich mein Ehemann sanft indem er mit seiner Nase von meiner Schulter zu meinem Nacken fährt. Ich komme langsam zu mir und drehe mich in seinen Armen um.
„Und die wäre?", grummle ich leicht verschlafen.
„Ein Tattoo. Ich hab mir damals in der Simulation eins machen lassen, das mich immer an dich erinnert hat. Ich möchte, dass wir eins haben, das unsere Liebe symbolisiert." Er wirkt vorsichtig. „Aber wir können uns auch etwas anderes stechen lassen, oder auch gar nicht, wenn du nicht dafür bist. Nur ich vermisse mein Tattoo ein wenig. Es hat mir sehr viel bedeutet.", erklärt er und senkt den Kopf.
„Tobias."
„Ja?", fragt er und hebt seinen Blick wieder ein wenig an. Ich habe ihn schon lange nicht mehr so schüchtern um mich erlebt.
„Warum fragst du überhaupt? Ich wollte dich auch schon fragen, ob wir uns ein Tattoo machen lassen wollen. Ich glaube, dass so etwas gut zu uns passen würde. Außerdem möchte ich, dass alle anderen da draußen sehen, dass du zu mir gehörst. Und nicht nur durch diesen Ring, sondern auch ein Symbol, dass nie verblass –" Ich bin noch am Reden, da drückt er mir schon einen stürmischen Kuss auf die Lippen, welchen ich leicht grinsend erwidere. Ich frage mich echt, was ihn so nervös und schüchtern gemacht hat. Er hat mir sein Tattoo von damals sehr gut beschrieben und ich finde es wunderschön. Sanft streiche ich mit meinen Händen über seinen muskulösen Rücken und vergrabe eine Hand in seinen lockigen Haaren.
„Hast du irgendwo einen Termin gemacht?", frage ich als er von meinem Mund zu meinem Nacken wandert und dort zart an meiner Haut saugt und knabbert. Gott, wie ich das liebe.
„Heute Nachmittag. Wir haben noch genug Zeit." Sein Atem warm in meinem Nacken und mein Körper bäumt sich auf, reckt sich ihm entgegen.
„Gut.", murmle ich und ziehe ihn wieder zu mir um ihn zu küssen.





Neun Monate später



Tobias


„Bist du dir wirklich sicher, dass du das heute machen willst? Ich würde es wirklich verstehen, wenn du mit Christina hier bleiben würdest.", versuche ich meiner hochschwangeren Tris auszureden, mich heute zu begleiten.
Ich meine klar. Diese Rede heute ist wirklich wichtig. Aber was für ein Bild würde das den auf mich werfen?! Ich lasse zu, dass meine hochschwangere Frau neben mir steht, obwohl sie Zuhause auf der Couch besser aufgehoben wäre, weil es wirklich jeden Moment losgehen könnte. Das Geburtsdatum unseres zweiten Babys wurde auf Vorgestern berechnet. Immer noch kein Problem. William-Andrew lässt sich eben Zeit. Tris geht es auch noch gut, sie hat sich noch nicht beklagt, außer, dass Liam wirklich gut zutreten kann und das gibt mir Grund mir noch keine allzu großen Sorgen zu machen.
Was mir aber Sorgen bereitet ist, dass Tris mich heute trotzdem begleiten möchte. Ihre Begründung: „Was für eine schlechte First Lady wäre ich denn dann? Ich muss an deiner Seite stehen! Das ist meine Aufgabe. Ich soll dich in deiner Arbeit unterstützen und voll hinter dir stehen. Wenn ich hier bleibe, mich auf die Couch lege und die Wand anstarre, weil Jazz bei ihrer Großmutter und niemand sonst hier ist, kann ich gerade das nicht machen!"
So ging das die ganze letzte Woche schon.
Ich hatte teilweise Angst, dass ihr jedes Mal, wenn wir uns über die Rede heute Mittag unterhielten, die Fruchtblase platzen würde. Deswegen habe ich, schon seit gefühlt etwa einem Monat, eine Tasche fürs Krankenhaus gepackt im Auto liegen.


„Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich dich heute begleite. Kannst du jetzt endlich meine Schuhe zu machen, bitte? Ich kann nicht mehr lange so stehen. Liam bringt mich heute echt um den Verstand.", meckert sie und stützt eine Hand in ihren Rücken.
„Dann bleib doch bitte Zuhause. Die Leute werden es verstehen, wenn ich sage, dass ich dich angefleht habe hier zu bleiben, weil ich nicht möchte, dass du dich quälst. Die Leute lieben dich. Wieso sollten sie dich verurteilen, nur weil du einmal aussetzen musst, weil du dich um dein Wohl und das unseres Sohnes kümmerst. Bitte, Tris. Wenn du nicht meinetwegen hierbleiben möchtest, dann Liam zuliebe." Ich glaube das habe ich auch schon um die fünfzig Mal gesagt. Seit gestern Abend.
„Nein! Ich bin schwanger. Nicht tot-sterbens krank! Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass er sich entschließt direkt auf der Bühne, neben dir, auf die Welt zu kommen.", wendet sie ein.
„Dann lass uns das doch bitte nicht provozieren! Ich will doch auch nur, dass es euch beiden gut geht!", meine ich, stehe auf, nehme ihr Gesicht in beide Hände und küsse sie sanft.
„Aber wenn dich wirklich nichts davon abbringen kann, mich heute zu begleiten, dann kann ich es dir auch nicht verbieten. Das übersteigt meine Rechte als dein Ehemann." Ich küsse sie ein zweites Mal.
„Da hast du vollkommen recht.", murmelt sie dicht an meinen Lippen und ich küsse sie noch ein letztes Mal.
„Aber du wirst dich hinsetzen. Ich habe alles schon geregelt. Das Personal wird dir einen Stuhl bereitstellen, auf dem du die ganze Zeit sitzen wirst, sobald ich dir dorthin helfe und dich wieder abhole.", stelle ich klar.
„Okay. Was anderes hätte ich von dir auch gar nicht erwartet.", lenkt sie seufzend ein.
„Können wir dann los?", frage ich während wir uns tief in die Augen schauen.
In den letzten Wochen muss Tris alle halbe Stunde bis Stunde auf die Toilette, weil unser Sohn sich dazu entschließt es sich auf ihrer Blase bequem zu machen, oder auf ihr Stepptanz zu üben.
Aber es ist ein totales Wunder, wenn ich meine Hand auf ihren Bauch lege und er von innen dagegen drückt. Ich habe bei Jazz damals angefangen zu weinen, weil ich es nicht glauben konnte. Dieses Mal ging es mir nicht anders.
„Moment. Ich muss noch mal. Wie ich ja schon gesagt habe. Heute treibt er mich in den Wahnsinn." Schmunzelnd helfe ich ihr auf und sehe ihr nach, wie sie sich auf den Weg ins Bad macht.


Heute stehe ich wieder an dem Punkt, wie vor vielen Jahren in der Simulation.
Nur dass ich diesmal Tris, eine wundervolle Tochter, die viel zu schnell groß wird und ein weiteres kleines Wunder auf dem Weg habe.
Ich bin so glücklich, wie noch nie zuvor.



<4<4<4<4<4<4



Ich bin mit Tris, Christina und Uriah Backstage.
Mein Kontrahent, Joshoua Packlett, ist gerade dabei seine letzten Minuten rum zubekommen.
Es erinnert mich alles so sehr an die Simulation. Ich versuche wirklich keine Vergleiche von damals zu heute zu ziehen, aber ich kann es einfach nicht verhindern. Mein Gehirn macht sie einfach.
Und eigentlich sollte ich auch nicht so aufgeregt sein. Immerhin habe ich das hier schließlich schon mal gemacht und war erfolgreich.
Tris sitzt mit mir auf einer Zwei-Personen-Couch. Sie unterhält sich mit Christina über die Kinder, ich habe ihre Füße in meinen Schoß gehoben und massiere sie sanft, während Uriah auf der Suche nach Kuchen für sich und Christina ist, die genauso wie Tris, seltsame Geschmäcker durch die Schwangerschaft entwickelt hat.
Für manche mag das lästig sein, aber ich liebe es meine Frau zu verwöhnen und ihr etwas Gutes zu tun. Sie passt ja immerhin auch gut auf Liam auf.
Aber gottseidank ist diese Phase mit dem seltsamen Essen vorbei.
Das war wirklich nicht meine Zeit... Und mehr möchte ich darüber auch nicht sagen.


„Bist du bereit?", fragt Tris, nachdem Chris Uriah zum Buffet gefolgt ist, nach etwas Essbarem sucht und ihr Gespräch beendet ist.
„Ich hab alles dabei, was ich brauche. Meine Notizen und dich. Mehr brauche ich nicht. Obwohl es mir besser gehen würde, wenn du heute Zuhause geblieben wärst.", erkläre ich ihr und knete ihre Füße weiter durch.
„Aber ich bin lieber hier bei dir. Wenn etwas passiert, bin ich lieber direkt bei dir, statt einmal quer durch die Stadt und dann alleine.", widerspricht sie mir schon wieder. Ich meine, klar. Ich kann sie in der Hinsicht wirklich gut verstehen.
„Wie geht es dir?", frage ich nach einer kleinen Pause.
„Ich bin müde und ich finde, dass er sich jetzt wirklich mal auf den Weg machen könnte.", schnauft sie und streicht sich sanft über den Bauch.
„Ich bin der gleichen Meinung. Ich möchte ihn endlich kennenlernen.", murmle ich vor mich hin.
Dann schweigen wir wieder. Tris lehnt sich zurück, immer noch eine Hand auf ihrem Bauch, schließt ihre Augen und versucht sich ein wenig auszuruhen. Ich wende meine Aufmerksamkeit wieder ihren leicht geschwollenen Füßen zu, die immer noch in meinem Schoß liegen.
Vorsichtig hebe ich sie aber wieder auf den Boden, Tris öffnet ihre Augen wieder und schaut mich verwundert an. Ich habe immer noch ein paar Minuten bis zu meiner Live-Rede und die möchte ich nutzen.
Ich stehe auf, lege eins ihrer Beine ausgestreckt auf das Sofa, das andere auf den Boden und lege mich längst auf dem Bauch dazwischen, sodass ich auf Augenhöhe mit ihrem Bauch bin.
Sanft lege ich ihr meine Hände seitlich auf den Bauch und küsse sie dort, bevor ich anfange zu reden: „Hey, Kleiner. Hier ist dein Dad. Ich freue mich wirklich, dass es dir da drin so gut gefällt, dass du am liebsten nicht von dort verschwinden würdest. Aber deine Mummy fühlt sich nicht gut und das tut mir im Herzen weh. Außerdem möchte ich dich wirklich kennenlernen. Du wirst hier schon sehnlichst erwartet von deiner Mum, deiner Schwester, Grams und von deinem Onkel und deiner Tante und natürlich von mir. Es wäre also wirklich toll, wenn du dich selbst dazu entschließen würdest zu uns zu kommen. Daddy liebt dich, Liam.", murmle ich zu ihrem Bauch und streiche immer wieder darüber.


Ich hätte noch immer so weiter reden können, aber dann kommt plötzlich Uriah angerannt, ein vollkommen überladener Teller in der Hand und erinnert mich daran, dass ich in den nächsten fünf Minuten an der Reihe bin.
Bevor ich aufstehe greife ich noch ihre Hand, küsse das Tattoo, das wir uns an dem einen Nachmittag in den Flitterwochen stechen haben lassen, danach stehe ich sofort auf und helfe Tris ebenfalls aufzustehen.
Kaum dass sie steht, zieht sie mich schon in ihre Arme, was mit Liam im Weg seit ein paar Monaten wirklich nicht einfach ist. Dann komme ich ihr entgegen und ihre Hand fährt von meinem Nacken zu meiner Wange und wieder zurück, während wir uns küssen.
Sie flüstert „sei tapfer", greift nach meiner Hand und gemeinsam gehen wir die Treppe hinauf, die zum Bühnenrand führt. Dort werden wir beide noch ein wenig abgepudert, wegen den Kameras und ich sortiere meine Notizen. Auch wenn ich ohne sie alles, was auf den Karten steht sagen könnte, darf ich es nicht und so fühle ich mich abgesichert, dass ich nicht doch etwas verspreche, was ich nicht halten kann, oder mich zumindest korrekt ausdrücke und so Missverständnisse verhindere.


Ich bekomme gesagt, dass es jetzt soweit ist und ich die Bühne betreten kann.
Tris drückt meine Hand fester und ich atme tief ein. Zusammen treten wir aus dem Backstage-Bereich und werden von der jubelnden Masse und Blitzlichtgewitter begrüßt.
Besorgt schaue ich zu Tris, die schützend eine Hand auf ihrem Bauch liegen hat.
Ich hatte doch recht. Das hier ist keine gute Idee.
Aber jetzt gibt es kein Zurück.

Antagonism - Mein Widerstand gegen das Ende - Alternatives Ende - Die BestimmungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt