Kapitel 32

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  Tobias


„Hallo Shilo.", sagt Evelyn leise. „Wie geht es dir?"
„H-Hallo... Den Umständen entsprechend gut.", stottert meine kleine Schwester und räuspert sich.
„Das freut mich. Sollen wir uns setzen?", fragt wieder unsere Mutter und deutet auf eine Sofaecke.
Ich schalte mich ein. „Das klingt gut", meine ich und nicke kurz.
Wir setzen uns und für einen kurzen Moment entsteht eine unangenehme Stille.
„Und habt ihr die Motte befreit?", fragt Evelyn unschlüssig.
„Jap.", seufzt Shilo mit mir gleichzeitig.
„Ja. Warum willst du mit Shilo sprechen, Mum?", frage ich.
Evelyn zögert.
„Ich möchte mich entschuldigen und dir alles erklären, Shilo. Und auch dir Tobias.", sagt sie dann vorsichtig und wendet sich von Shilo zu mir.
Was erklären, Mum?"
„Warum ich dich – euch beide – angelogen habe.", sagt Evelyn ernst und schaut uns beiden fest in die Augen. Ich wusste ja, dass das kommen wird.
„Dann schieß los." Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. „Es ist schon spät."
Shilo schaut unsere Mutter abwartend an und hebt eine Augenbraue.
„Es war damals keine einfache Zeit.", meint Evelyn und schaut vor sich auf den Boden.
„Was du nicht sagst.", grummle ich.
Shilo senkt ihre Augenbraue wieder und hört zu.
„Du warst gerade drei und ich war schwanger. Zwillinge.", flüstert Evelyn fast nur noch.
WAS?!?", ruft Shilo aus, springt auf und ballt ihre Hände zu Fäusten und reißt die Augen auf.
Evelyn wird nervös. Sie rutscht unruhig auf ihren Sitz hin und her und versucht Shilo wieder zu beruhigen.


„Lass es mich bitte erklären, Shilo.", meint sie und bittet Shilo sich wieder hinzusetzen.
Shilo blickt Evelyn skeptisch an und setzt sich wieder langsam.
„Dann leg los.", presst meine kleine Schwester zwischen ihren Zähnen hervor.
„Ich war schwanger mit Zwillingen, die nicht von Marcus waren, sondern von einem Jugendfreund von den Ken, der die Initiation dort nicht geschafft hat und fraktionslos wurde.", klärt Evelyn uns auf.
Und ich war drei? Dafür gibt es keine Worte.
Ich schlucke, wende meinen Blick von Evelyn ab und schaue meine Schwester an.
Shilo starrt Evelyn fassungslos an.
„Ich wusste, dass Marcus mir nicht abkaufen würde, dass die Kinder von ihm sind, also bin ich zu einem Gen-und Entwicklungsforscher der Ken gegangen und habe um Möglichkeiten für die Embryonen gefragt.", fährt Evelyn fort.
Sie hätte versuchen können, dass er es ihr abkauft.
„Er meinte es gäbe da eine Möglichkeit, die aber noch sehr unentwickelt ist, aber einige Erfolge aufweise. Nur wurde es noch nie an Zwillingen in einem derart frühen Stadium der Schwangerschaft getestet, wie es bei mir der Fall war.", führt sie weiter aus.
„Aber du hast es trotzdem getan.", murmle ich bedrückt.
Ich weiß nicht warum, aber ich habe gerade eine Wut auf meine Mutter. Klar war Marcus nie der Traummann. Aber vielleicht hätten ihn zwei kleine Mädchen in unserem Leben verändert.


„Du hast was getan?", fragt Shilo eindringlich und geladen.
„Ja! Was blieb mir denn andres übrig? Ich konnte nicht abtreiben!", fleht Evelyn mich entschuldigend an.
„Was hast du getan?", fragt Shilo wieder.
Da Evelyn zögert erkläre ich es so, dass es keine Missverständnisse gibt: „Sie hat dich und deine Schwester in einen Brutkasten gesteckt." Ich höre mich überraschend wütend an.
„Tobias, sag das nicht so. Bitte.", haucht Evelyn traurig.
Shilo schüttelt ungläubig mit dem Kopf und mustert für einen Moment unsere Mum.
„Sag das nicht wie? So geradeheraus? Soll er's einpacken? In Lügen?", fragt sie und wird immer lauter.
„Nein. Er soll es nicht so sagen, als wäre ich eine schlechte Mutter deswegen. Ich habe euch beschützt. Ich habe euch ein Leben ermöglicht.", sagt Evelyn drängend. Sie will uns unbedingt verstehen machen. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob das bei Shilo funktioniert.
„Wo ist sie?", fragt Shilo leise.
„Deine Schwester? Sie war zu schwach. Ich wünschte sie wäre eine Kämpferin wie du gewesen." Evelyn ist den Tränen gefährlich nahe.
Ich darf das hier nicht aus dem Ruder laufen lassen. Das wird sonst ungemütlich.
Shilo ist fassungslos. Sie sitzt auf dem Sofa, in sich zusammengesunken und starrt kopfschüttelnd auf den Boden.
„Was heißt das?", fragt Shilo leise.
„Du musst wissen, Shilo, diese synthetische Schwangerschaft ist mit der natürlichen nicht zu vergleichen. Sie geht sehr viel langsamer voran. die Ärzte und Wissenschaftler haben alles für Larea gemacht und versucht, aber sie ist ...", Evelyns Stimme stockt und bricht ab.
„Larea ist tot, Shilo. Sie hat es nicht geschafft.", sage ich das, wofür meine Mutter anscheinend zu schwach ist.
„Sie hieß Larea? Und ist tot?", fragt Shilo überfordert von der Situation.
„Ja. Larea bedeutet Kriegerin. Ich habe ihr den Namen nach ihrem Tod gegeben.", erklärt Evelyn sanft.

Antagonism - Mein Widerstand gegen das Ende - Alternatives Ende - Die BestimmungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt