Kapitel 23

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  Tobias


Tess hält uns das Tablet hin. Ich nehme es, da ich in der Mitte von Tris und Shilo sitze.
Die beiden rutschen näher heran und starren gebannt auf den Bildschirm.


Evelyn sitzt, wie immer auf der Kante ihres Schreibtisches und beobachtet, wie Wachmänner einen Wagen herein schieben, wie wir sie damals im Chemieunterricht hatten.
Dann sieht man, wie die Männer David mit selbstklebenden Elektroden bestücken, die zu einem seltsamen Gerät gehören.


„Wollt ihr mich foltern?", fragt David leise.
„Nicht unbedingt. Ich möchte lediglich schneller an Antworten kommen.", meint Evelyn mit kraftvoller, lauter Stimme, die ihre Überlegenheit untermalt und zum Vorschein bringt.
David schließt seine Augen und atmet tief ein und aus. Ich sehe das an seinem Brustkorb, der anschwellt und dann wieder zusammenfällt.


„ Ma'am, das Elekroimpulsgerät ist einsatzbereit. Wollen Sie testen, oder gleich beginnen?", fragt einer der Wachmänner und reicht Evelyn eine Fernbedienung.
„Ich würde liebend gerne vorher einmal testen, ob alles funktioniert, bevor ich sie wegschicke.", lächelt Evelyn überlegen und greift bedächtig nach der Fernbedienung.
„Ich möchte Ihnen gleich demonstrieren, dass ich zu allem bereit bin, also machen Sie sich bereit. Und bitte, schreien Sie nicht so laut. Das Gebäude ist sehr hellhörig." Dann drückt Evelyn einen Knopf auf der Fernbedienung und David schreit.
Sein ganzer Körper zittert und er schreit.
Ich habe noch nie jemanden so vor Schmerz schreien gehört.
Evelyn beobachtet die sich ihr gebotene Szenerie mit einem zufriedenen Lächeln und meint dann zu den Wachmännern: „Gute Arbeit. Ihr könnt wegtreten."
Ein kurzer Moment vergeht, ehe die Männer, die David, der immer noch schmerzerfüllt schreit, mitleidig ansehen, den Raum verlassen.
Ich höre ein leises Schniefen neben mir.
Ich wende kurz den Blick von dem Video ab und schaue zu meiner kleinen Halbschwester.
Sie hat ebenfalls den Blick abgewendet, doch im Gegensatz zu mir, laufen ihr Tränen über die Wangen. Sie ist dazu ganz blass im Gesicht, als ob ihr übel wäre.
Ich nehme das Tablet in eine Hand und lege den Arm um Shilo.
Sie lehnt sich an mich und verbirgt ihr Gesicht an meiner Schulter.
Ich muss mittlerweile nicht wirklich angenehm riechen, da ich schon seit zwei Tagen keine Dusche mehr von innen gesehen habe – aber falls es ihr unangenehm sein sollte, dann ist die Erkenntnis, dass unsere Mutter ein kaltherziges Miststück ist, um einiges schlimmer.


„Also. Ich habe keine Ahnung wer Sie sind und was Sie machen, also wie wäre es, wenn Sie damit anfangen?", fragt Evelyn David gelangweilt.
„Ich bin David.", sagt er leise und hält inne.
Er schreit. Evelyn setzt ihn schon wieder unter Strom.
„Und weiter? Die Frage war länger.", meint sie teilnahmslos.
Dann verstummt er und atmet heftig.
„Ich habe das Amt für genetisches Sozialwesen geleitet, das schon seit mehreren hundert Jahren das Experiment dieser Stadt überwacht.", meint er atemlos.
„Was für ein Experiment?", fragt Evelyn wieder so teilnahmslos, als würden sie die Antworten gar nicht interessieren.
„Das darf ich nicht sagen.", presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Als ob er sich auf einen neuen Stromschlag vorbereitet.
Der tatsächlich kommt.
Er schreit wieder, was seine Lunge hergibt.
Mittlerweile laufen ihm Tränen aus den Augen und er schwitzt am ganzen Körper.
Er hängt schlaff in seinen Fesseln und atmet schwer.


Shilo, die wieder kurz einen Blick auf das Tablet gewagt hat bricht jetzt völlig zusammen.
„Wie. Kann. Sie. Das. MACHEN?!", weint sie bitterlich.
„Sie ist unmenschlich!", meint sie fassungslos.
Tris steht auf und geht um Shilo und mich herum, um sich neben meine Schwester zu setzen.
Und was dann geschieht, überrascht nicht nur mich.
Tris legt ihre Arme um Shilo und zieht sie in eine enge Umarmung.
„Es tut mir so leid, dass ich dir misstrauisch gegenüber war, Shilo. Es tut mir so leid!", höre ich sie flüstern. Ich glaube sogar aus ihrer Stimme herauszuhören, dass sie ebenfalls weint.
„Das muss dir nicht leidtun. Es ist doch verständlich, dass du mir misstrauisch gegenüber warst. Ich meine ich bin das Kind von diesem kaltblütigen, skrupellosen abartigen Monster!" Shilo wird wieder von einer Wein-Welle erfasst und klammert sich an Tris.
Ich schaue währenddessen wieder auf das Video.

Antagonism - Mein Widerstand gegen das Ende - Alternatives Ende - Die BestimmungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt