iv

848 47 0
                                    

Die Uhr zeigte schon zwei Uhr morgens an. Die erste Packung Zigaretten war schon leer. Noch schnell zückte ich mein nutzloses Handy und schrieb meinem Betreuer, der sich Sorgen um mich machte. Fünf ungelesene Nachrichten hatte ich von ihm. Nein, Moment. Nur drei. Die andere war von meinem Anbieter, die andere von meinem damaligen Freund. Was wollte er auf einmal?

ich weiß, wir haben uns lang nicht mehr gesehen. trotzdem lust, morgen abend 22 uhr an der gasse? mir fehlt was. - m. xx

A S H T O N 

Kaum war ich wach, hörte ich Collin unten laut lachen. Genervt drückte ich das Kissen an mein Ohr, doch ich hörte ihn trotzdem. Ich bereute es, hier hin gekommen zu sein. Lieber wäre ich im Gefängnis, hatte ich das schon gesagt?

Nur wenige Minuten brauchte ich, um mich fertig zu machen. Meine Haare ließ ich heute so, bis heute Abend, wenn ich mich mit Michael treffe. Mir war immer noch unklar, was er auf einmal von mir wollte. Zuletzt hatten wir vor neun Jahren Kontakt, bevor ich in das Heim gekommen und kriminell geworden bin. Der damals Schwarzhaarige war aber auch nicht besser. Müde schleppte ich mich, mit Zigaretten und meinen Kopfhörern bewaffnet, in den langen Flur hinaus, wo die Stimme des Kleinen immer lauter wurde. Auf einmal ertönte Lukes Stimme, dann eine Fremde. Aufmerksam schlich ich mich nach unten, bis ich an der Küchentür stand und lauschte. "Und du hast keine Bedenken dabei?", fragte die dunkle Stimme, bevor er am Kaffee schlürfte. "Wieso sollte ich?", konterte der Blondschopf, während Collin wieder anfing zu lachen. Wieso zur Hölle konnten sie so früh am Morgen nicht leiser sein? Als es in meiner Hosentasche vibrierte, stöhnte ich fast genervt auf, unterdrückte es aber.

 'und vergiss das zeug nicht, so wie damals :-) - m. xx'

"Ashton.", lächelte Luke, als er mich an der Tür stehen sah. Scheiße, kam es innerlich von mir. Der Blondschopf stand auf und zog mich am Handgelenk zu sich in die Küche. Ich hätte ihn am liebsten dafür schlagen können. "Calum, das ist also Ashton. Ashton, das ist Calum, mein bester Freund.", lächelte er mit so einer stolzen Stimme, dass ich mir unsicher war, ob er wegen seinem komischen Freund oder mir stolz war. "Ashi!", rief der kleine Hosenscheißer hinter mir, als er an meiner Lederjacke zog. Ruckartig drehte ich mich weg und verzog mein Gesicht. Hatte er kein Benehmen? "Schön, dich kennen zu lernen.", brachte der Schwarzhaarige schließlich raus, als ich ihn wieder meines Blickes würdigte. "Dito.", kam es von mir, als ich meine Schachtel Zigaretten herauszog und mir eine davon anzündete. Den Rauch pustete ich dem Hausherren ins Gesicht. "Ich geh mal-" - "Nicht nötig, wollte gerade raus.", sagte ich locker zum Kiwijungen, der sich langsam wieder hinsetzte. "Das hier ist kein Urlaub.", protestierte Luke, als ich im Flur nach meinen Schuhen suchte. "Ignorier mich nicht, Ashton!", knurrte er schon, als er zu mir gestampft kam. Schnell drehte ich mich zu ihn um, drängte ihn erneut an die Wand. "Mh?", kam es provozierend von mir. Wieder pustete ich den Qualm in sein Gesicht, bevor ich den Zigarettenstümmel an der Wand ausdrückte und fallen ließ. Überraschend richtete sich der Blondschopf auf und sah mir geradewegs in die Augen. "Das ist mein Haus, das sind meine Regeln.", sprach er ernst. "Du solltest heute auf Collin aufpassen, wenn du mir gestern zugehört hättest." Irgendwie mochte ich es, wenn er wütend und dabei selbstbewusst war. Es war süß. "Hab dir doch schon gesagt, dass ich kein Babysitter bin.", seufzte ich, während ich kurz in die Küche schielte und Calum erkannte, der schnell den Blick abwendete und den Kleinen anfing zu füttern. "Wenn du nicht in den Knast willst, dann benimm dich gefälligst. Dein Betreuer hat heute Morgen angerufen.", berichtete er nebenbei, wobei meine Augen größer wurden. Dies merkte er wohl, weswegen sich seine Haltung lockerte. "Er macht sich Sorgen, hat nach dir gefragt, aber du zäunst dich ja selbst ein." Mein Blick sank langsam, doch dann fiel mir ein, dass es mein Leben war. Mit dezenter Wut sah ich in blauen Augen, die sich wieder mit Angst füllten. Schnell fuhr ich mir durch meine Haare, bevor ich Luke erneut gegen die Wand drückte. "Ich gehe jetzt raus.", knurrte ich an sein Ohr. "Ob du willst oder nicht. Das ist mein Leben. Und wenn du kein Bock auf mich hast, so wenig wie ich auf dich, dann schmeiß mich doch raus." - "Ich würde es gern, glaub mir.", hörte ich Luke zischen. "Aber ich mach es nicht. Weißt du auch, warum? Weil du in einer Stunde zurück sein wirst, denn Ben wird vorbeikommen.", sprach er locker, als ich mich von ihm abgewendet hatte. Wie sehr ich die zwei hasste. "Ist mir egal.", murmelte ich gleichgültig und öffnete die Tür. "Werden wir ja sehen.", hörte ich den Blondschopf sagen, bevor ich die Tür hinter mir zuknallte. 

In dieser Gegend war es schwer, Stoff aufzutreiben. Ich trieb mich durch die verschiedensten Straßen, durch die ekligsten Gassen, sogar in Kneipen und Bordelles hielt ich nach Zielpersonen Ausschau, doch die hatte ich alle verloren, als ich in das Heim kam. Irgendwoher musste ich doch was herbekommen. Im Bordell fühlte ich mich damals immer wie Zuhause. Die Musik, die nackten Frauen und die Freunde, die ich mir hier gemacht habe. Und natürlich, nicht zu vergessen, den Alkohol und die Drogen, die man hier beschaffen konnte. "Entschuldigung?", fragte mich eine helle Stimme, die mich von hinten antippte. Kaum drehte ich mich um, erkannte ich dieses blonde Mädchen mit ihren engen Klamotten, ihren perfekten Haaren, die sie sich eben gerichtet hatte. Jeder wusste doch, wie man nach Sex aussah. "Verdammt, Ash? Bist du es?", fragte sie mit großen Augen, als sie ihr knappes Oberteil etwas nach oben zog. "Sienna?" Kaum zu fassen. Ihre Augen waren stark geschminkt, sowie ihre Lippen, die roter nicht hätten sein können. Mit einem breiten Lächeln begrüßten wir uns. "Hab auf dich gewartet, ne Ewigkeit.", sprach sie, als wir einige Schritte durch ihr Bordell gingen und uns an die Bar setzten. "Ist auch was dazwischen gekommen.", murmelte ich nebenbei. Ich bestellte zwei Drinks, die auf mich gingen. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt Geld dabei hatte, aber das spielte bei Sienna keine Rolle. "Was kann ich für dich tun?", fragte sie mit einem frechen Grinsen, während sie am Drink nippte. "Blowjob? Ich glaube, nach der ganzen Zeit hast du lange keinen Guten mehr bekommen.", merkte sie an. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. "Später vielleicht.", grinste ich. "Ich treff' mich heute Abend mit Michael, dazu brauch ich-" - "Michael?", fragte sie mit weit aufgerissenen Augen nach. "Der ist doch gestorben." Was? Mit hochgezogener Augenbraue sah ich die Prostituierte vor mir an. "Kann nicht sein, er hat mir heute noch ne Nachricht geschickt. Verarsch mich nicht." Vielleicht ist sie ja total verrückt geworden. "Nein, Ash, echt nicht." Seufzend nippte ich vom Drink, stellte ihn hin, nahm dann aber doch wieder einen großen Schluck. "Was soll denn passiert sein?", fragte ich vorsichtig nach. Sienna tippte am Glas herum, bis sie zu mir aufsah. "Gibt verschiedene Varianten. Manche sagen, dass Polizisten ihn erschossen hätten, als sie ihn bei einem Treffen mit der Mafia und anderen Leuten erwischt hätten. Andere sagen, dass er sich einen Drogencocktail gemacht hat und Selbstmord begangen hat. Ich glaube aber, dass er von seinen damaligen Freund dazu getrieben wurde, verstehst du?" Erst ließ ich alles sacken, glaubte ihr kein Wort und schmunzelte in Gedanken über die Gerüchte, bis die Blondine seinen damaligen Freund erwähnte. Ich mochte diesen Schnösel noch nie. Wie hieß er noch gleich? "Zu was getrieben?", fragte ich nach, als ich das Glas weg kippte. "Drogen dealen. Und als er alle Jobs erledigt hat, die für ihn zu gefährlich waren, hat er ihn höchstpersönlich erstochen.", erzählte Sienna. Zuerst kam ein Grinsen über meine Lippen, danach konnte ich mich nicht mehr beherrschen und lachte einfach nur noch. "Glaub den Scheiß nicht, Kleine.", grinste ich breit, bis ich zufrieden seufzte und mich vom Stuhl schwang. "Das ist Bullshit.", fügte ich hinzu. "Übrigens, hast du Stoff?"

Als meine Augen über das Displays meines Handys streiften, war es schon fast acht Uhr. In zwei Stunden müsste ich mich auf den Weg zur Gasse machen, falls er nicht wirklich -  Quatsch. Leicht angetrunken und mit einer kleinen Baggie voll Drogen, lenkten mich meine Füße zum weißen Haus von Luke. Doch mein Handy vibrierte, weswegen ich stehenbleiben musste.

'Ich bin enttäuscht, Ashton. -Ben'

Call me daddy {Lashton ff}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt