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Langsam schloss ich meine Augen und atmete tief ein und aus. Das war mir alles zu viel. Mir wurde schwindlig und es fühlte sich so an, als würde ich gleich das Bewusstsein verlieren. Mein Gehirn rief die Bilder von Collin wieder zurück, sie erschienen vor meinem inneren Auge. Seine Geburt. Seine ersten Tage. Und seine letzten Sekunden. Sein lebloser, kalter Körper. "Es tut mir wirklich leid, Mr. Irwin und Mr. Hemmings." Mir wurde schwarz vor Augen.

A S H T O N

Es dauerte eine ganze Nacht, bis Luke wieder zu sich kam. Ich wachte jede einzelne Sekunde an seinem Krankenbett, bis er die Augen öffnete, damit ich das Erste war, was er sah. Ich wollte ihn nicht auch noch verlieren. In den langen Momenten, wo ich stillschweigend neben meinem Freund saß, dachte ich darüber nach, wieso mir nie jemand Bescheid sagte, dass ich einen Sohn hatte. Viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Sanft strich ich Luke durch sein weiches, blondes Haar. Seine Hand war zart, als meine Finger über sie drüber huschten und meine Lippen seinen Handrücken küssten. Behutsam flatterte Luke mit seinen Augenlidern, bis er mich erkannte und schwach lächelte. "Ash.", kam es von ihm, wie von Collin, wenn er mich jedesmal ansah. Kurz erstarrte ich, merkte, wie meine Augen glasig wurden, doch ich schenkte Luke ein herzhaftes Lächeln und küsste seine Stirn. "Was mache ich hier?", fragte er schwach, rieb sich den Kopf. "Du bist umgekippt, aber du hast eine Nacht durchgeschlafen.", erklärte ich ihm die Situationen, ohne ihn an unseren Sohn zu erinnern. "Ich sage gleich der Ärztin Bescheid, dass du aufgewacht bist. Dann kriegst du deine Entlassungspapiere und wir können gehen.", hauchte ich gegen seinen Handrücken, welche ich erneut vorsichtig küsste. Luke gab sich mit meinen Erklärungen zufrieden und lehnte sich entspannt zurück. Ich war einerseits froh, dass er nicht nach Collin fragte. Aber irgendwas stimmte nicht. 

Zum Mittagessen bekam er dieses gewöhnungsbedürftige Krankenhausessen. Schweigend aß er sein Jägerschnitzel, als er zu mir hochblickte. "Was hast du heute für Collin gekocht?", fragte mich der geschwächte Blondschopf. Mein Atem stockte, während ich spürte, wie mein Herz still stand. "Lukey, weißt du nicht mehr, was letztens passiert ist?", versuchte ich es schonend, während ich das Tischlein wegschob, wo sein Mittagessen drauf stand. "Was? Als du ihn im Kindergarten vergessen hast?", grinste Luke belustigt und lehnte sich zurück in sein gemütliches Kissen. Fuck. "Eh, ja. Ich hab ihn wieder da vergessen, er hat dort gegessen.", log ich schnell. "Ich hol dir eben neues Wasser.", sprach ich verloren, stand auf, küsste ihn noch schnell auf die Stirn und verließ so schnell wie möglich den Raum. Schnellen Schrittes lief ich den Gang entlang, die Treppen hinunter, zog meine Zigarettenschachtel aus meiner Hosentasche und gesellte mich, innerlich total aufgewühlt, zu den rauchenden Eltern der Kinder, die hier im Krankenhaus lagen. Schweigend steckte ich mir die Zigarette in den Mund, zündete sie an und fuhr mich verzweifelt durchs Haar. Für Luke hatte ich aufgehört zu rauchen. Tränen stießen in meine Augen, während ich versuchte mich abzulenken, indem ich mir die Beine auf dem Vorhof vertrat, schaute ich hoch zu Lukes Zimmer. Das Licht brannte. Es fing an zu dämmern. Die Mütter der kranken Kinder sahen mich etwas besorgt an. Ihre Blicke brannten sich in meine Brust hinein. Langsam flossen die Tränen, als die Zigarette ausgebrannt war. Nochmals fuhr ich mir durch die Haare und verließ letzten Endes das Krankenhaus. Ich musste nachhause. Ich musste weg. 

Als ich gerade die Paprikacremesuppe zuhause köcheln ließ, dachte ich erneut an Luke, der wirklich dachte, dass Collin noch leben würde. Im nachhinein wuchsen die Schuldgefühle, und mein Gewissen erniedrigte mich innerlich aufs Äußerste. Ich wusste, dass es falsch war, dass ich Luke einfach alleine im Zimmer gelassen hatte, aber ich wusste keinen anderen Ausweg. Vor Luke anfangen zu weinen oder ihn weiter so glücklich und entspannt zu sehen, im Glauben, dass unser Sohn noch lebte, konnte ich nicht. Auf einmal leuchtete mein Handydisplay auf und die eingespeicherte Nummer vom Krankenhaus brannte sich in meine Augen. Zögerlich nahm ich ab. "Guten Abend?" - "Guten Abend, Mr Irwin. Gut, dass wir Sie noch erreichen konnten. Ihr Freund, Luke Hemmings, fragt ständig nach Ihnen. Er lässt uns einfach keine Ruhe, sodass wir Sie anrufen und uns erkundigen mussten, dass es Ihnen gut geht. Luke behauptet, dass Sie kurz gegangen sind, aber nie wiederkamen.", klärte mich eine weibliche Stimme auf. Es war bestimmt die Krankenschwester der Station. "Es gab einen Notfall, es ging nicht anders.", verteidigte ich mich verzweifelt. "Mr Irwin, es ist alles in Ordnung. Wissen Sie, Luke scheint irgendwie geistig ein wenig durcheinander zu sein." - "Das ist mir auch schon aufgefallen.", bestätigte ich. "Wahrscheinlich kommen die verdrängten Gefühle von Luke, die er beim Tod Ihres Sohnes nicht zeigen konnte, nun zum Vorschein. Er scheint einen großen Schock erlitten zu haben. Wir werden ihn auf jeden Fall noch bei uns behalten.", erzählte sie mir weiter. Ich ließ den Kochlöffel aus meiner Hand fallen. "Sagen Sie ihm, dass es mir gut geht, es mir leid tut und ich ihn liebe.", kam es nach Sekundenbruchteilen von meinen trockenen Lippen. "Okay. Schönen Abend noch, Mr. Irwin." 

Ich war so ein schlechter Freund. 

Call me daddy {Lashton ff}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt