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Meine Lippen, einschließlich meiner Zunge, machten sich auf den Weg Lukes Oberkörper zu erkunden, bis sie an seiner schwarzen Calvin Klein Boxer ankamen. Ich hielt kurz inne und sah zu meinem Kleinen hoch. Dieser sah zu mir runter und biss sich nickend auf die Unterlippe. Grinsend gab ihm einen Kuss auf der Mitte seiner Boxer, wollte sie gerade runterziehen, bis mein Handy lauthals die Stimmung vermieste. Da es auf den Wohnzimmertisch lag, konnte ich genau erkennen, wer anrief. Der Anruf kam aus dem Krankenhaus.

L U K E

Es ging alles so schnell. So schnell, dass wir die Zeit vergaßen.  

Konnte man Zeit überhaupt definieren? Blieb uns überhaupt noch genug Zeit ins Krankenhaus zu fahren? Es waren nur wenige Sekunden, schon waren wir angezogen und saßen mitten in der Nacht, in meinem kleinen schwarzen Auto, auf dem Weg zu Collin. Irgendwie bekam ich kein Wort aus mir heraus. Ich verlor gerade meinen Sohn, der eigentlich Ashtons Sohn war, also unseren Sohn. Während der Lockenkopf neben mir auf dem Beifahrersitz versuchte ruhig zu atmen und jeden Menschen auf der Straße lautstark im Auto beleidigte, der uns im Weg herumstand und uns die Zeit stahl. Zeit

Kaum hatte ich geparkt, öffnete Ashton schon die Tür und sprintete den Parkplatz entlang zum Krankenhaus. Ich schaltete den Motor schnell ab und rannte hinterher, holte ihm im Gang ein, als der Lockenkopf in eine Krankenschwester rannte. "Entschuldigung.", murmelte Ashton nur abwesend. Schnell zog ich ihn in meine Arme, küsste seine Stirn. "Wir gehen da zusammen hoch, das ist auch mein Sohn, okay?" Als er mir kurz innig in die Augen blickte, nickte er und wir rannten zusammen Hand in Hand auf die Intensivstation. 

Kaum waren wir auf der Station angekommen, empfing uns eine Ärztin, die durch ihren Gesichtsausdruck schon verriet, was gleich auf uns zukommen würde. Schon plagten mich die Schuldgefühle. Ich hätte Ashton nicht von hier wegnehmen dürfen. Kurz sahen Ashton und ich uns an. "Willst du alleine mit der Ärztin sprechen oder soll ich mit dir kommen?", fragte ich ihn leise. Sobald ich an Collin dachte, fing ich an am ganzen Körper zu zittern. "Das ist unser Sohn. Du kommst mit.", sagte Ashton ernst und zog mich an der Hand mit. "Ich will zu meinem.. unserem Sohn. Jetzt.", drängelte Ash an der Grenze zwischen Ärger und Trauer. Die braunhaarige Ärztin, die auffälligen roten Lippenstift trug, schüttelte nur den Kopf. "Das geht jetzt nicht, wir-" - "Ah, halten Sie ihren Mund.", knurrte ich wütend, woraufhin Ash mich etwas verblüfft ansah. Ich zog Ashton zur Zimmertür unseres Sohnes, riss die große Tür praktisch auf, nur um einen Reanimationsversuch bei Collin zu sehen. Meine Augen vergrößerten sich sofort, als würden sie mir gleich rausfallen. Man hörte die Maschine, die mit Collins kleinem Herzen verbunden war. Sie spuckte nicht mehr verschiedene Töne aus, sondern einen monotonen, ohrenbetäubenden Ton. Eine Frequenz, die Ashton und ich sofort verstanden. Langsam löste sich meine Hand von Ashtons Hand und ich glitt auf meine Knie, starrte die drei Ärzte und fünf Krankenschwestern an, die mich genauso musterten. Nur wenige Momente später wurde ich mit Ashton aus dem Raum gebracht. Ich wusste nicht mehr viel, alles war wie in kleine Szenen aufgeteilt. In meinem Kopf blieb nur noch das Bild unseres dürren, blassen und leblosen Jungen. Ich war mir nicht sicher, ob der durchziehende Ton von Collins Herzen es übertönt hätte, aber ich meine gehört zu haben, wie Ashton geschrien und geweint hat, fast zusammengebrochen ist. Und ich hab ihn nicht in den Arm genommen. Ich lag zusammengekauert auf dem Boden, weinte genauso viel wie der Lockenkopf, der nun neben mir, stillschweigend, im Büro der Ärztin saß. Unsere Hände berührten sich und ich merkte schon ohne hinzusehen, wie sehr er zitterte. Er tat es nicht mehr aus Angst oder weil ihm irgendwie kalt war. Ich hatte ihn kaputt gemacht. Wenn ich ihn die ganze Zeit musterte, wusste ich gar nicht mehr, wie ich sein Verhalten deuten sollte. Würde er mich jetzt töten wollen? Würde er mich jetzt verlassen? Würde er sogar soweit gehen, dass er Selbstmord begehen würde? Hasst er mich jetzt? Ich konnte ihn wirklich nicht einschätzen. Auf einmal nahm er meine Hand und küsste meinen Handrücken. Seine glasigen Augen sahen mich instinktiv an. "Vielleicht habe ich jetzt meinen Sohn verloren. Aber dich werde ich mit meinem Leben beschützen. Dich wird mir keiner nehmen.", kam es nur leise von seinen müden Lippen, die gerade noch meinen Oberkörper geliebkostet haben. Da kam die Ärztin mit den roten Lippen herein. Sie schloss schweigend die Tür hinter sich und setzte sich gegenüber von uns auf ihren orangenen Drehstuhl hin. Die Lampe von der Decke war das Einzige, was Licht ins Dunkeln brachte. Der Mond war am Himmel von Wolken bedeckt worden. Ich hörte heftige Regentropfen gegen das Fenster klopfen, als würde Collin sich noch schnell verabschieden wollen, weil ihm keine Zeit mehr blieb. Zeit.

Ich habe fünf Jahre mit ihm verbracht. Und irgendwie fühlt es sich jetzt so an, als hätte ich Collin gestern das erste Mal gesehen und jetzt wird er mir einfach genommen. Die Lippen der Oberärztin bewegten sich umsynchron zu meinen Gedankengängen. Ihre Stimme nahm ich gar nicht wahr. Kurz blickte ich zu Ashton neben mir, der nach wie vor meine Hand drückte. Er sah gebannt zu der Dame vor uns, nickte und ließ die Tränen auf seiner Wange trocknen. Langsam schloss ich meine Augen und atmete tief ein und aus. Das war mir alles zu viel. Mir wurde schwindlig und es fühlte sich so an, als würde ich gleich das Bewusstsein verlieren. Mein Gehirn rief die Bilder von Collin wieder zurück, sie erschienen vor meinem inneren Auge. Seine Geburt. Seine ersten Tage. Und seine letzten Sekunden. Sein lebloser, kalter Körper. "Es tut mir wirklich leid, Mr. Irwin und Mr. Hemmings." Mir wurde schwarz vor Augen. 

Call me daddy {Lashton ff}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt