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Auf einmal leuchtete mein Handydisplay auf und die eingespeicherte Nummer vom Krankenhaus brannte sich in meine Augen. Zögerlich nahm ich ab. "Guten Abend?" - "Guten Abend, Mr Irwin. Gut, dass wir Sie noch erreichen konnten. Ihr Freund, Luke Hemmings, fragt ständig nach Ihnen. Er lässt uns einfach keine Ruhe, sodass wir Sie anrufen und uns erkundigen mussten, dass es Ihnen gut geht. Luke behauptet, dass Sie kurz gegangen sind, aber nie wiederkamen.", klärte mich eine weibliche Stimme auf. Es war bestimmt die Krankenschwester der Station. "Es gab einen Notfall, es ging nicht anders.", verteidigte ich mich verzweifelt. "Mr Irwin, es ist alles in Ordnung. Wissen Sie, Luke scheint irgendwie geistig ein wenig durcheinander zu sein." - "Das ist mir auch schon aufgefallen.", bestätigte ich. "Wahrscheinlich kommen die verdrängten Gefühle von Luke, die er beim Tod Ihres Sohnes nicht zeigen konnte, nun zum Vorschein. Er scheint einen großen Schock erlitten zu haben. Wir werden ihn auf jeden Fall noch bei uns behalten.", erzählte sie mir weiter. Ich ließ den Kochlöffel aus meiner Hand fallen. "Sagen Sie ihm, dass es mir gut geht, es mir leid tut und ich ihn liebe.", kam es nach Sekundenbruchteilen von meinen trockenen Lippen. "Okay. Schönen Abend noch, Mr. Irwin."

Ich war so ein schlechter Freund.

A S H T O N 

Es war früh am Morgen, ich hatte kaum Schlaf gefunden. Es war so komisch in Lukes Wohnung zu sein, so ganz alleine. Die Angst, dass mein damaliger bester Freund wieder unaufgefordert aus dem Nichts auftauchen könnte, raubte mir ebenso den Verstand. Gerade öffnete ich meine Augen, wälzte mich noch müde im Bett herum, da klingelte mein kleines Handy auf dem Nachttisch. Das Bett war so leer ohne Luke. Ohne auf den Namen des Anrufes zu schauen, nahm ich ab. "Guten Morgen, Mr. Irwin.", begrüßte mich direkt eine mir bekannte weibliche Stimme. "Ist was passiert?", fragte ich sofort nach, setzte mich schnurstracks auf, merkte schon, wie meine Hände schwitzig wurden. "Ihr Freund hatte in der Nacht viele Panikattacken. Er ist völlig ausgerastet, hat sich die Schläuche vom Arm gerissen und wollte raus aus dem Zimmer. Die ganze Nacht klopfte er weinend gegen die Tür und rief nach Ihnen und Collin.", erzählte mir die Stationsärztin die Situation. "Kommen Sie bitte sofort her." - "Ja."

Es dauerte nur einen Moment, bis ich mich in meine Klamotten geworfen, mein Gesicht mit Wasser abgewaschen hatte und mir den kalten Kaffee von letzten Abend den Rachen runterlaufen ließ. Schon sprintete ich zum Auto, warf den Motor an und fuhr sofort los. Ich hatte solche Schuldgefühle, wusste nicht, wie ich handeln sollte. Aber zum Nachdenken hatte ich keine große Zeit, denn ich musste mich auf die Straße konzentrieren, damit ich nicht auch noch einen Unfall baute. Auf einmal kämpften die verschiedensten Gedanken in meinem Kopf um Aufmerksamkeit. Collins Beerdigung. Michaels Wohlergehen. Ben, mein Betreuer. Lukes psychische Störung. Abpumpt blieb ich mitten auf de Straße stehen und schrie mir die Seele aus dem Leib. 

Ich bin noch nie so schnell durch die kahlen Flure gesprintet, oder überhaupt mal so schnell gerannt. "Mr. Irwin!", begrüßte mich eine Krankenschwester, die Collin betreut hatte. Ich ignorierte sie aber und sprintete in den neunten Stock. Keuchend kam ich oben an, sah mich schnell um, bis ich die Stationsärztin entdeckte. "Wo ist Luke?", fragte ich sofort. Sie deutete auf den Raum vor uns. Ohne weiteren Worte öffnete ich die Tür und schloss sie sofort hinter mir. Stille. Schluchzen. Luke saß zusammengekauert auf seinem Bett, wie ein Embryo. Er schaukelte sich etwas, was mir mein Herz brach. "Lukey..", sprach ich behutsam und ging vorsichtig auf ihn zu. "Wo warst du, Ash?", schluchzte er mit erstickter Stimme. Ich setzte mich auf sein Bett und zog den Blondschopf in meine Arme. Ich würde es ihm zu gerne sagen. Langsam schmiegte sich Luke an mich, krallte sich an meinem Shirt fest, damit ich nie wieder von ihm ging. "Es tut mir leid, dass ich nicht wiedergekommen bin. Aber jetzt bin ich hier und ich werde niemals mehr gehen, versprochen.", hauchte ich in sein Ohr, küsste seine Schläfe, während meine Finger mit seinen zotteligen Haaren spielten. "Ich habe Angst, Ash.", kam es leise von meinem Freund. "Wieso?" - "Die Wände, sie kamen in der Nacht immer näher und ich wäre fast erdrückt worden. Und Collin, ich hab ihn gesehen." Tränen stießen mir in die Augen, als ich den Namen unseres Sohnes hörte. Meines Sohnes. Aber ich unterdrückte sie gezielt, holte tief Luft und küsste Lukes Stirn. "Was hat Collin denn hier gemacht?", fragte ich ihn, als ob er ein kleines Kind wäre. Er holte tief Luft, atmete sie wieder aus, beruhigte sich langsam. "Er stand einfach an meinem Bett, er hat mich geweckt und gefragt, ob ich böse auf ihm sei, weil er mir vors Auto gelaufen sei. I-ich.. wusste nicht, was er meinte und dann hat er mir gesagt, dass er uns vermisst und und und d-dann.." - "Lukey, atme nochmal ganz tief durch.", unterbrach ich den stotternden Blondschopf. Sanft drückte ich ihn wieder an mich, damit er meinem Herzschlag zuhören konnte. Langsam atmete er ein und wieder aus, das mindestens fünf mal. "Ich liebe dich, Lukey.", flüsterte ich an seinen Kopf. Er schniefte, fing langsam an zu zittern. "Ich dich auch.", antwortete er ruhig. "Collin war also hier?", fragte ich ihn vorsichtig. Luke nickte jetzt einfach. "Ich habe ihn überfahren?", kam es unsicher von ihm. Ich merkte, wie sich die Tränen in seinen Augen ansammelten. "Lukey, weißt du was? Ich hab Lust auf ein Schokoeis." Ich war kurz davor zusammenzubrechen. Warum machte er es mir nur so schwer? "Sollen wir in die Cafeteria und uns ein Eis holen?", fragte ich sanft, streichelte ihn liebevoll über seinen knochigen Rücken. Er nickte stumm. 

Call me daddy {Lashton ff}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt