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"Show me love as we get older.", dröhnte es aus meinem kleinen Smartphone, während meine Gedanken bei der Beerdigung meiner Eltern waren. Das schlimme war, dass es meine Schuld war, dass sie so früh beerdigt wurden. Ich wollte das niemanden mehr antun. Trotzdem versprach ich Ben und mir selbst, dass ich mich zusammen reißen würde. Für mich. Damit ich einmal etwas richtig gemacht habe im Leben. 

A S H T O N 

Quietschende Räder kamen zum Stehen. Meine Augen untersuchten nur kurz die Gegend, bevor ich mich wieder meinem Handy widmete, doch Ben zog es mir gekonnt aus den Fingern. "Hey.", knurrte ich genervt. "Wir sind da.", sagte Ben mit seiner ruhigen Stimme. Wieder sah ich auf und erkannte eine noble Wohngegend mit modernen Häusern. Zu meiner Rechten befand sich ein typisches, weißes amerikanisches Haus. Blumen blühten im kleinen Vorgarten, Rosen. Am Fenster bewegte sich ein Vorhang. Ben öffnete meine Tür, damit ich aussteigen konnte. Wenige Sekunden später hatte ich meine schwarze Sporttasche in der Hand. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Auf einmal nahm Ben mich in den Arm, drückte mich so nah an sich, dass ich spürte, wie er innerlich zerbrach. "Pass auf dich auf, Kleiner.", sprach er gebrochen, als er sich von mir löste. Seine sonst so hellen braunen Augen verloren an Glanz. "Und keine Scheiße bauen.", warnte er mich nochmals. Ich nickte stumm und blieb wie angewurzelt vor dem grauen VW stehen, als Ben sich auf den Weg zum Auto machte. Während meine Augen sich nochmals das Haus genauer einprägten, erkannte ich strahlende, blaue Augen am Fenster. Plötzlich riss mich das Geräusch der öffnenden Autotür aus meinen Gedankenfluss. "Warte.", kam es unerwartet traurig von mir. Mein blonder Betreuer sah sofort auf, hielt inne. Ich setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, bis ich vor dem Blondschopf stand und ihn nochmal umarmte. "Danke.", flüsterte ich kaum hörbar gegen seine Halsbeuge. Ich spürte sein Lächeln auf seinen Lippen. Hoffentlich sah mich der Blauäugige am Fenster nicht so, denn er würde mich ganz anders kennen lernen. 

Langsam stieg ich die Stufen hinauf, zur weißen Haustür, welche von Glasfenster beschmückt war. Rechts ragte ein goldenes Namensschild hervor, mit dem Namen "Hemmings". Im Ohr dröhnte noch das Geräusch des wegfahrenden Autos, als ich auf die Klingel neben dem Namensschild drückte. Es reagierte keiner. Kurz dachte ich darüber nach einfach zu gehen und alles hinzuschmeißen, aber dann kam mir Ben wieder in den Sinn und ich klingelte erneut. Diesmal hörte ich Schritte und helles Gekicher. Schnell fuhr ich mir noch durchs Haar, richtete meine Lederjacke, als ein noch ziemlich jung und gut aussehender Blondschopf mit einem kleinen Kind auf seinen zierlichen Armen, mir die Tür öffnete. Seine meeresblauen Augen leuchteten auf, als seine vollen Lippen ein sanftes Lächeln zum Vorschein brachten. "Bist du Ashton Irwin?", fragte der blonde Vater vor mir. "Du bist.." Schnell schielte ich auf das Namensschild. "Hemmings?" - "Luke reicht.", lächelte er und drückte seinen Sohn fester an sich. Ich machte mir keine Mühe sein kleines Etwas weiterhin zu mustern, sondern griff nach meiner schwarzen Sporttasche und ging einfach an Luke vorbei ins Haus. Ich spürte seine Blicke, welche sich in meinen Rücken bohrten. Grinsend drehte ich mich um. "Ist was?", fragte ich provozierend, während ich meine Lederjacke auszog und diese auf die Treppe warf. Man sah ihm an, dass er etwas überfordert mit der Situation war. "Hältst du ihn eben?", bat Luke mich einfach und reichte mir das kleine Kind. Er war bestimmt nicht mal ein Jahr alt. Wortlos nahm ich den Kleinen, wobei mir bewusst wurde, dass ich nie einen Säugling auf den Arm hatte. Als ich mich umsah, war der Blonde verschwunden. Seufzend musterte ich das Kind, hoffte, dass ich es richtig hielt. "Paaapaaa..", kicherte der Kleine, was mich kurz schmunzeln ließ. Er war wohl älter, als ich gedacht hatte. Aber ich fand es komisch so genannt zu werden. "Nenn' mich Ash.", hauchte ich dem namenlosen Kind ans Ohr. Er hatte jetzt schon Ähnlichkeiten mit seinem Vater. Seine Augen waren auch blau, nur mit einem sanften Stich von orange verfeinert. Auch die Gesichtskonturen ähnelten sich die seines Vaters.

Der Flur war total schlicht gestaltet. Dunkel- bis hellbraune Farbtöne brachten den großen Flur in die Atmosphäre eines Cafés, was mir irgendwie gefiel. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und entdeckte Familienfotos bei der Garderobe, swioe an den Wänden hinter mir. Auf einem fiel der Blondschopf besonders auf. Dort hielt er einen vergoldeten Pokal nach oben, siegessicher und glücklich. Er trug Sportklamotten, nur konnte ich nicht zuordnen, welche es waren. Mit Sport kannte ich mich nie aus. Aber als ich den Pokal näher betrachtete, erkannte ich die Innenschrift: "1. Platz des australischen Jugend-Fuußball-Cups! Luke Robert Hemmings." Er hieß Robert? Ich verkniff mir das Lachen, wobei der Kleine auf meinen Armen ebenfalls anfing zu Kichern. Ein schwaches Lächeln machte sich auf meinen Lippen breit, doch dieses ließ ich schnell wieder verschwinden. Auf dem nächsten Foto fiel mir Luke wieder sofort auf. Es war eines dieser typischen Familienfotos, mit Mutter und Vater, die ich nie besaß. Beim nächsten eingerahmten Bild war eine schlanke, schwarzhaarige Frau zu sehen. Ihre Augen waren mit Eyeliner und Mascara verziert, ihre Frisur war hochgesteckt. Sie saß in einem Garten, lehnte sich auf dem roten Strandstuhl nach hinten zur Kamera und lächelte liebevoll. Sie kam mir irgendwie bekannt vor, doch den Gedanken verdrängte ich wieder, denn nun wurde mir klar, dass sie seine damalige Freundin gewesen sein musste.

"Hier.", sprach Luke auf einmal, wobei ich mich so erschreckte, dass ich den Kleinen beschützend an meine Brust drückte. Als ich den Blauäugigen erkannte, lockerte ich meinen Griff und atmete erleichtert aus. Er kicherte mit roten Wangen, als er mir erneut eine kleine Box entgegen streckte, die ich eben vor lauter Schreck nach richtig wahrnahm. "Ein Willkommensgeschenk.", lächelte er schüchtern. Hatte er keine Angst vor mir? Ich nämlich schon. "Danke.", kam es von meinen Lippen. "Wie heißt er?", fragte ich sofort nach, als er mit das Kind abnahm. "Wenn du mir sagst, wie du heißt.", konterte er frech grinsend. Ich erwiderte sein Grinsen und nickte. "Collin.", sagte er dann mit etwas stolz und dezenter Trauer in seiner Stimme. Dann sah er mich erwartungsvoll an. "Nenn' mich Daddy."

Call me daddy {Lashton ff}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt