13. Die erste Klausur

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Die letzte Woche verging wie im Fluge. Diese Woche schreibe ich bereits meine erste Klausur in diesem Schuljahr! Ich komme gar nicht mehr mit. Mir geht das alles viel zu schnell ...
Ich renne den Schulflur entlang, die Treppen rauf, in Richtung Chemieraum. Ich bin zu spät. Mein eigentlicher Bus ist ausgefallen und der danach war so voll, dass es zur Verspätung kam. Ätzend! Ich kann nur hoffen, dass Mrs. Delaney noch einmal Gnade mit mir hat.
Endlich angekommen, japse ich nach Luft. Ich muss wirklich etwas an meiner Ausdauer tun ... Mit Mühe und Kraft klopfe ich an die Tür. Als mir keiner aufmacht, klopfe ich noch einmal. Ich will ein drittes Mal klopfen, da öffnet sich endlich die Tür.
"Tut mir le-"
Es ist gar nicht Mrs. Delaney, die mir die Tür geöffnet hat, sondern Castiel. Er grinst mich belustigt an.
"Oh ja, es sollte dir auch besser leid tun, dass ich extra dafür aufstehen musste, um dir die Tür zu öffnen."
"Ha ha."
Ich stoße ihn ein wenig zur Seite, um an ihm vorbei zu kommen. Ich bemerke, wie alle in ihren Gruppen sitzen und unsere Lehrerin gar nicht erst im Raum ist. Ein wildes Durcheinander von Stimmen klingt auf mich ein, während ich mich nach meinen Partnern umschaue. Schließlich winkt mich Kentin zu ihnen rüber.
"Guten Morgen", begrüßt mich Nathaniel freundlich. Ich setze mich neben ihn und wünsche ihm ebenfalls einen guten Morgen, wobei ich lächle. Jetzt bin ich munter, wo ich endlich hier bin und neben diesem charmanten Blondschopf sitzen kann.
"Hey", macht mich Kentin auf sich aufmerksam und ich winke ihm nur verpeilt zu. Ich sollte nicht alles andere ausblenden, nur weil Nathaniel in meiner Nähe ist.
"Wo ist Mrs. Delaney?", erkundige ich mich bei den beiden Jungs.
"Sie musste eben zu einem Gespräch mit der Direktorin. Solange sollen wir uns in unsere Gruppen setzen und unsere, mittlerweile etwas späte, Präsentation vorbereiten", teilt mir Nathaniel mit.
"Gut, dann lass uns das machen!"
Höchstmotiviert gehen Nathaniel und ich unsere Unterlagen durch und sortieren sie in eine möglichst sinnvolle Reihenfolge. Kentin knabbert währenddessen auf einem Bleistiftende rum und schaut uns gelangweilt zu.
"Ein wenig Hilfe kann nicht schaden", stichelt Nathaniel.
"Du kannst doch eh alles am besten, oder nicht Herr Oberschlau?" Kentin knallt seinen Bleistift auf den Tisch, wodurch ich leicht aufschrecke. Dennoch muss ich über seine Bezeichnung lachen: "'Herr Oberschlau'?"
Nathaniel schüttelt leicht mit dem Kopf und lacht ebenfalls. Währenddessen errötet sich Kentins Kopf leicht. Er nimmt das Bleistiftende wieder zurück in den Mund und dreht sich leicht von uns weg. Irgendwo tut es mir leid, gerade über ihn gelacht zu haben aber wenn er sauer wird, benutzt er manchmal lustige Namen für Andere. Er denkt einfach nicht großartig nach, sondern redet drauf los.
Ich will gerade Nathaniel vorschlagen, dass ich die Einleitung unserer Präsentation übernehme, da kommt Mrs. Delaney in den Raum gestürmt.
"Ich hoffe ihr seid bereit, denn jetzt will ich die ersten Präsentationen sehen!"
Nathaniel schaut mich fragend an, welchen Teil nun wer übernimmt.
"Ich mache die Einleitung, du führst den Versuch durch und Kentin sagt noch ein paar letzte Worte dazu?", schlage ich noch schnell vor, während unsere Lehrerin bereits durch die Klasse schaut, um sich eine Gruppe auszusuchen. Kentin schaut mich an, als würde ich ihn für dumm halten.
"Oder ... Möchtest du die Einleitung machen?"
Er zuckt mit den Schultern und dreht sich halb weg von mir.
"Ich finde es schon gut so", merkt Nathaniel an und legt lächelnd, lobend für einen kurzen Moment seine Hand auf meiner Schulter ab. Ich muss mich zusammenreißen, nicht rot zu werden und grinse ihn noch schnell an, ehe ich meinen Blick auf Mrs. Delaney richte. Möglichst unauffällig verdecke ich meine Wangen, die bereits, trotz aller Kraft, begonnen haben, sich zu erwärmen.
"Wie sieht es mit euch aus, Kentin? Du siehst ja sehr desinteressiert an meinem Unterricht aus", spricht Mrs. Delaney in unsere Richtung und verschränkt die Arme unter der Brust. Prüfend mustert sie Kentin. Dieser hat erst gar nicht bemerkt, dass sie mit ihm gesprochen hat.
"Ähm", stockt er, "n-nein, nein, ich bin interessiert! Wir können vorstellen."
Nach Bestätigung suchend, schaut er mich und Nathaniel an. Ich nicke ihm zu und wir stehen alle auf, um nach vorne zu gehen. Nathaniel holt sich die zurückgelegten Utensilien für das Experiment, während ich mit Kentin noch die letzten Vorbereitungen treffe.
"Also, dann mache ich die Einleitung und du sagst ein paar Schlussworte. Alles klar?", flüstere ich ihm zu. Er nickt lächelnd zu mir rüber. Bereit, nehme ich eine gerade Haltung an, als ich Nathaniel mit den Chemikalien und Geräten zurückkommen sehe. Ich eile zu ihm, um ihm die Geräte abzunehmen und aufzustellen. Aus dem Blickwinkel bemerke ich dabei, wie Melody mich mustert, woraufhin sie ihre Augen nur mehr auf mich ausrichtet. Ich fühle mich beobachtet, das beunruhigt mich. Allerdings ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von so etwas verunsichern zu lassen.
Alles fertig hingestellt, gehen Nathaniel und ich zu Kentin. Ich stelle mich zwischen die Beiden, wo mir noch einmal auffällt, wie klein ich im Gegensatz zu ihnen bin. Ich schaue beide fragend an, ob ich nun beginnen soll, worauf mir beide ein ermunterndes Lächeln entgegen.
"Also", beginne ich zunächst leise und fahre mit lauterer Stimmlage fort, "wir haben für euch ein Experiment vorbereitet, um euch die Wirksamkeit von konzentrierter Schwefelsäure in Verbindung mit anderen Stoffen näher zu bringen und vor allem zu veranschaulichen. Das Ziel des Experiments ist es, Blitze unter Wasser entstehen zu lassen. Dafür werden neben konzentrierter Schwefelsäure noch Ethanol und Kaliumpermanganat benötigt. Nathaniel wird gleich das Experiment durchführen und dabei genauer auf die einzelnen Schritte eingehen. Er wird zudem erklären, wie genau es zu dieser Reaktion kom-"
"Einen Augenblick mal, Lisa."
Mrs. Delaney hat mich unterbrochen. Ihr Blick verheißt nichts Gutes. Sofort schaue ich fragend zu Nathaniel, der aber auch nur mit den Schultern zuckt.
"H-Hab ich was falsches gesagt?"
Die Lehrerin lacht kurz: "Aber nein, du hast schön in euren Versuch eingeleitet und die Struktur eurer Präsentation dargelegt bis zu dem Punkt, an dem ich dich gestoppt habe." Ihr Gesichtsausdruck wird wieder ernster. Sie legt die Hände in die Hüften und geht ein paar Schritte auf uns zu.
"Nur, möchte ich, dass nicht Nathaniel, sondern Kentin das Experiment durchführt."
"W-Was?!", schreckt dieser auf. Ich bin ebenfalls erschrocken über diese Forderung.
"Ich weiß, dass Nathaniel das kann, er ist schließlich nicht ohne Grund mein bester Schüler. Bei dir, Kentin, wäre ich mir da nicht so sicher. Deswegen möchte ich es sehen, schließlich bist du genauso ein Teil der Gruppe wie deine beiden anderen Teammitglieder auch und du musst genauso Bescheid wissen, wie Nathaniel."
"A-Abe-"
"Kein Aber! Los, jetzt!"
Kentin steht seine Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Ich schaue zu Nathaniel, der mich etwas besorgt anschaut. Er macht eine kleine Kopfbewegung in die Richtung unseres Tisches, damit wir Kentin auch in keinerlei Hinsicht im Weg stehen.
"Zuerst ... Die Schwefelsäure kommt ... Nein, erstmal eine der Pipetten nehmen ..."
Bemitleidend schauen ich und der Rest der Klasse ihm zu, wie er sich wund redet. Sein Kopf hat mittlerweile die Farbe einer Tomate angenommen. Am liebsten würde ich einfach Nathaniel an der Hand nehmen, ihn nach vorne ziehen und gegen Kentin eintauschen.
"Ich gebe es auf, Mrs. Delaney", gibt Kentin schließlich kund.
"So, so. Ich habe auch nichts anderes erwartet. Setz dich! Wir sprechen uns nach dem Unterricht. Nathaniel, bitte zeig es ihm."
Nathaniel nickt und macht sich auf den Weg nach vorne. Als er an Kentin vorbei geht, schenkt dieser ihm einen verachtenden Blick. Nathaniel schaut ihm irritiert hinterher.
"Warum schaust du ihn so böse an?", frage ich Kentin flüsternd.
"Er hat doch nur darauf gewartet, besser als ich dazustehen."
"So ein Quatsch!" Ich schüttle mit dem Kopf. "So ist er nicht."
"Was ist das eigentlich zwischen euch, hm?" Jetzt schaut Kentin auch mich nicht gerade liebevoll an. Nervosität macht sich in mir breit. Ich finde gerade gar keine andere Antwort, als dass ich mich in ihn verknallt habe. Aber das muss Kentin nicht wissen. Er schnauft und dreht sich weg von mir. Würden wir gerade nicht in Chemie sitzen, würde ich versuchen weiter mit ihm zu reden, doch stattdessen bleibt mir nicht viel mehr übrig, als meine Aufmerksamkeit nach vorne zu richten.
Nathaniel hat es auch schon geschafft: Kleine blitzartige Entladungen, infolge von kurzen Knallgeräuschen machen sich in den Reagenzgläsern breit.

Der unnahbare Schülersprecher? | Sweet Amoris - Nathaniel FF [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt