17. Die Veränderung

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"Jetzt hör mir mal ganz genau zu", höre ich eine weibliche Stimme mich schief von der Seite anmachen, worauf mein Spind vor meiner Nase zugeknallt wird. Es ist ein und die selbe Person: Amber. So früh am Morgen muss sie mich schon nahezu anbrüllen. Ich verstehe gerade nichts, weswegen ich sie nur verschlafen und irritiert anstarre.
"Mein Bruder ist ganz anders drauf seit vorgestern. Er wirkt wie ausgetauscht, als hätte er ein lebensveränderndes Erlebnis gehabt! Ich weiß, dass er dir Nachhilfe gegeben hat, also versuch gar nicht erst mich anzulü-"
"Und was soll ich jetzt damit zutun haben?", seufze ich genervt.
"Eben DAS ist mir noch nicht ganz klar aber es MUSS etwas mit dir zutun haben, also raus mit der Sprache! Was ist vorgestern passiert?"
Ich verdrehe die Augen. Keine Ahnung, was dieser Hobby-Sherlock nun von mir hören will. Es gibt nichts besonderes zu erzählen, oder besser gesagt: Nichts, was sie auch nur im geringsten angeht. Ich öffne meinen Spind wieder, hole meine Bücher für heute raus und antworte schließlich: "Einen schönen Tag noch, Amber."
Ihre Augen weiten sich auf meine Worte hin und ich gehe in die Klasse, nachdem ich die Spindtür zugemacht habe.
"DAS IST NICHT DEIN ERNST?!", höre ich sie mir noch wütend hinterher schreien. Ich kann darauf nur leicht mit dem Kopf schütteln. Was erwartet sie? Aber ... Was viel wichtiger ist: Was meint sie damit, dass Nathaniel wie ausgetauscht sei? In Gedanken versunken, auf dem Weg zu meinem Platz, stoße ich mit jemandem zusammen. Meine Bücher knallen zu Boden. Ohne lange zu zögern, knie ich mich hinunter, um sie wieder aufzuheben. Unerwartet treffen sich dabei meine Hand und die des Anderen. Ich will sie gerade wieder zurückziehen, da schaue ich zu der Person auf. Ich blicke in Nathaniels Augen. Zunächst muss ich lächeln, doch dann fällt mir sein neues Erscheinungsbild auf: Seine blonden Haare sind kürzer. Es fallen im noch immer einige Strähnen ins Gesicht, doch sie sehen nicht mehr so lang und wuschelig aus, wie zuvor. Auch sein weißes Hemd und seine blaue Krawatte trägt er nicht. Stattdessen einen dunkelblauen Pullover mit V-Ausschnitt. Von seiner braunen Hose hat er sich ebenfalls verabschiedet, nun ist sie strahlendweiß. Ich fasse es nicht. Ich dachte Amber hat sich mal wieder irgendwelche Hirngespinnste zusammengestellt aber jetzt verstehe ich ihren Ausraster von vorhin. Allerdings immer noch nicht ganz, welche Rolle ich dabei spiele.
"Erde an Lisa?"
Ich zucke leicht zusammen. Er lacht in sich hinein, während er meine Bücher aufhebt, sich aufrichtet und mir schließlich seine Hand hinhält. Noch immer irritiert, greife ich nach dieser. Sie ist so groß und warm. Er hilft mir auf.
"E-Entschuldigung."
Er gibt mir meine Bücher zurück und lächelt. "Kein Problem. Tut nichts weh?"
Ich schüttle mit dem Kopf. Langsam lasse ich meinen Blick an ihm vorbeischweifen, da mir die Stille des Raumes auf einmal auffällt. Ich stelle fest, dass außer ihm und mir niemand hier ist.
"Wo ... Wo sind die anderen?"
"Mr. Faraize ist krank und die Direktorin hat es nicht geschafft, so schnell eine Vertretung zu organisieren, deswegen haben wir eine Freistunde. Die anderen müssten überall verstreut sein, bestimmt hauptsächlich in der Mensa."
"Okay ..."
Er legt seinen Kopf schief in die Seite. Sein Lächeln verwandelt sich in einen insgesamt fragenden Blick.
"Sieht es so schlimm aus?"
"W-W-Was?!"
"Meine Kleidung? Mein Haarschnitt?"
"Ähh ..."
Ganz und gar nicht. Er sieht gut aus. Verdammt gut! Ich bin überwältigt aber auch überrumpelt. Er wirkt wie ein völlig anderer Mensch auf mich.
"Also ja?"
"Nein , nein, nein, nein, nein!", platzt es plötzlich mit nervösen Handbewegungen aus mir heraus.
"Puh", seufzt er erleichtert, "ich habe mir schon Sorgen gemacht." Er lächelt mich wieder an.
Ich spüre wie ich erröte. Ich bin ein einziges Wrack, wenn ich mit ihm spreche.
"Möchtest du zu den anderen gehen?"
"Ähm", gebe ich zurück, "was machst du denn jetzt?"
"Ich wollte mir etwas in der Mensa holen gehen und mich dann in die Schülervertretung damit zurückziehen. Bestimmt sitzt Melody da auch schon."
Hmpf. Melody.
"Du kannst auch mit mir kommen, wenn du willst, und wir setzen uns woanders hin?"
JA! JA, JA, JA, JA, JA! Das wollte ich hören. Ob er das wusste?
"Wenn du willst, halt ...", fügt er scheinbar erunsichert hinzu, da ich ihm nicht direkt geantwortet habe.
"Gerne!" Ich muss breit grinsen.

Der unnahbare Schülersprecher? | Sweet Amoris - Nathaniel FF [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt