19. C + L (Nathaniels POV)

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Was am selben Nachmittag noch geschah ...

"So", stoße ich erleichtert aus und lächle Melody an. "Wir können endlich nachhause gehen!"
"Ja", grinst sie zurück. Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche raus, um auf die Uhrzeit zu gucken ... Und ob Lisa mir vielleicht geschrieben hat.
"Wartest du etwa auf eine Nachricht?"
"W-Wie kommst du denn da drauf?", stammle ich nervös. Schnell stecke ich mein Handy wieder ein und nehme den Schlüssel, mit dem ich gleich dieses Zimmer abschließen werde.
"Du schaust nun schon zum sechsten Mal auf dein Handy."
"Oh", bemerke ich, "nun, hier drinnen hängt keine Uhr."
"Ah." Melody gibt mir einen skeptischen Blick zurück, ehe sie ihre Jacke nimmt und den Raum verlässt. Ich folge ihr, schließe den Raum noch schnell ab und wir verlassen zusammen das Schulgelände. An der Kreuzung, wo wir unterschiedliche Wege einschlagen müssen, verabschiede ich mich mit einer winkenden Handbewegung von ihr und wünsche ihr noch einen schönen Abend.
"Warte eine Sekunde!", hält sie mich an, als ich gerade meinen ersten Schritt in meine Richtung getätigt habe. Erstaunt drehe ich mich zu ihr um.  "Ja?"
"Das wird dich bestimmt interessieren, was ich dir jetzt zu sagen habe."
"Ähm, okay?"
"Vor ein paar Stunden standen etwas weiter dort drüben Castiel und Lisa." Sie zeigt auf die Stelle, wo ich allerdings gerade nicht hinsehen will, da das nicht besonders spannend ist.
"Und?", hacke ich weiter nach, "Was soll mich daran interessieren?"
"Sie haben sich geküsst!"
Mein fragender Blick verformt sich in einen aussagelosen Gesichtsausdruck. Nein, das kann nicht sein.
"Du irrst dich", schüttle ich leicht lachend mit dem Kopf.
"Nein." Sie sieht mich mit ernster Miene an.
Das kann aber nicht sein ... Das darf nicht sein! Andererseits ... Andererseits mag Castiel Lisa. Es kann sehr wohl sein! Dazu noch wütend, wie er heute Morgen auf mich war, weil ich ihn provoziert habe ...
Sie unterstreicht ihre Aussage: "Habe ich dich jemals angelogen?"
"N-Nein ..."
Völlig perplex schaue ich zu Boden und dann zur Seite. Das kann er nicht wirklich getan haben. Das kann SIE nicht wirklich getan haben!
"Siehst du!"
Castiel gefällt ihr ganz bestimmt nicht ... Ganz bestimmt nicht ...
"Ich habe es mit eigenen Augen geseh-"
"Ist schon gut, Melody", unterbreche ich sie, "bis Morgen dann."
Damit lasse ich sie dort zurück. Trotzdessen dass Melody eigentlich sehr glaubwürdig ist und auch gerade so rüberkam, kann ich es nicht fassen. Es erscheint mir so irreal. Castiel ... Ausgerechnet Castiel ... Warum dieser Idiot, Lisa? Das passt überhaupt nicht zu dir ... ER passt überhaupt nicht zu dir ...
Gerade würde ich am liebsten auf irgendwas einschlagen. Oder schreien. Oder mich einfach auf den Gehweg hier legen und mich nicht mehr fortbewegen. Die Sonne ist bereits dabei unterzugehen. Der Himmel ist rot, orange und lila gefärbt. Ich würde diesen Anblick genießen, wenn ich nicht gerade das Beschissenste überhaupt ins Gesicht geklatscht bekommen hätte.

Mittlerweile ein kleinwenig beruhigt, bin ich endlich fast Zuhause.
Kurz bevor ich in meine Straße einbiege, vernehme ich ein lautes Bellen hinter mir. Ein wenig erschrocken, blicke ich zurück. Dabei entdecke ich den Rotschopf, dessen Anblick ich gerade am allerwenigsten von allen ertragen kann. Mein Stückchen Ruhe in mir verlässt mich auf der Stelle wieder. Entschlossen drehe ich mich komplett zu ihm um und steuere auf ihn zu. Mit den Händen zu Fäusten geballt.
"Was ist? Geh weiter nachhause", ruft er mir mürrisch entgegen. Ich gebe keine Antwort zurück, gehe weiter auf ihn zu, während sein Hund, Demon, lauthals beginnt zu bellen. Auch dieses laute und beinahe beängstigende Kläffen kann mich jetzt nicht davon abhalten, mir Castiel vorzunehmen. So verdammt wütend bin ich gerade. Ich bin geladen und muss ihn noch auf der Stelle zur Rede stellen, bevor ich ihm einen Schlag verpasse. Vor ihm angekommen, will Castiel gerade seinen Arm ausbreiten, um mich aufzuhalten, da packe ich ihn mit beiden Händen an seiner Lederjacke und ziehe ihn ruckartig, aggressiv an mich ran.
"Du und Lisa", beginne ich noch leise und werde dann lauter, "IHR HABT EUCH GEKÜSST? JA?"
Demon hat aufgehört zu Bellen. Fast ängstlich geht er ein paar Schritte zurück. Wahrscheinlich aufgrund meiner lauten Stimmlage. Castiel sieht mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen, doch dann beginnt er mich spöttisch anzugrinsen.
"ICH HABE DICH ETWAS GEFRAGT", erinnere ich ihn unbeherrscht. Gerade habe ich nicht viel Raum in meinem Kopf, für mögliche Konsequenzen hierdurch. Das einzige woran ich gerade denken kann, ist wie dieser schmierige Penner seine Lippen auf die von Lisa gelegt hat.
"Ja."
Meine Augen weiten sich. Ich spüre, wie ein blitzartiger Schlag durch meinen Körper fährt. Mein Herz pocht um das dreifache schneller als zuvor und meine Griffe an seiner Lederjacke verfestigen sich so sehr, dass es schon weh tut.
"Ja, habe ich."
Da hat er es nochmal gesagt. Dieser verdammte ...
"DU VERDAMMTES ARSCHLOCH!"
Ich hole mit der rechten Hand weit aus, um all meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. In diesem Moment wird mir allerdings etwas klar: Wenn er Lisa geküsst hat, ist das das Eine, doch wenn Lisa dem entgegen gekommen ist, dann habe ich verloren. Dann will sie nichts von mir. Ich mache mich zum Affen, wenn ich jetzt auf ihn einprügle.
"Hat sie dich zurückgeküsst?", frage ich nun ein bisschen besinnlicher. Ich löse meine Hände von ihm und Demon kommt wieder näher auf mich zu. Ich schenke dem Köter keine Beachtung, denn sein Herrchen hat mir noch etwas zu sagen.
Castiel lacht in sich hinein, richtet seine Jacke wieder und fährt sich einmal durch seine unnatürlichen, roten Haare.
"Und wie", grinst er gehässig, "sie hat doch tatsächlich gecheckt, dass ich der Einzige für sie bin. Ein schlaues Mädchen. Was will sie auch schon mit Jemandem wie dir? Sie braucht jemanden, mit dem sie etwas erleben kann und keinen Stubenhocker."
Ich mache ein paar Schritte zurück, löse meinen Blick dennoch nicht von ihm. Ich spüre gerade nichts mehr. Keine Wut, keine Trauer ... Nur Leere. Leere macht sich in mir breit, vom Kopf bis in die Zehenspitzen. Castiels Augenlitz bekräftigt seine Mitleidslosigkeit mir gegenüber.
"Sie gehört jetzt mir, also verzieh dich."
Er zieht an Demons Leine, woraufhin er an mir, mit ihm hinter sich, vorbeizieht.
"Du ... Mieser ...", murmle ich noch vor mich hin. Dabei bringt es mir nichts. Er hat Lisas Herz für sich gewonnen und das kann ich ihm auch nicht mehr wegnehmen. Für einen kurzen Zeitpunkt habe ich gehofft, dass er mich anschnauzt, dass ich ihn loslassen soll und was für eine Scheiße ich da rede. Leider sollte das nicht passieren.
Ich war einfach zu langsam ... Oder ich hatte einfach nie auch nur die geringste Chance ... Letzteres trifft es wohl eher.

Der unnahbare Schülersprecher? | Sweet Amoris - Nathaniel FF [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt