21. Donnerwetter

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Überraschend zieht er mich näher an sich ran. Gleichzeitig beginne ich unter unseren Küssen zu lächeln. Ich kann es nicht zurückhalten. Meine Gefühle tanzen wie verrückt in mir herum. Ich kann mein Glück einfach kaum fassen. Nathaniel, der eigentlich unnahbare Schülersprecher für mich, küsst mich, als hätte er nie etwas anderes gewollt. Er geht ein paar Schritte zurück, ohne sich von mir zu lösen, und zieht mich mit sich. Wieder beim Schreibtisch angekommen, ertönen ein Rumms und ein Donner, von draußen, gleichzeitig. Das Wetter hat sich seit heute Morgen kein bisschen gebessert, nur verschlimmert. Normalerweise würde ich jetzt zusammenzucken, weil mich Gewitter eben leicht in Schrecken versetzt aber ich bin jetzt bei Nathaniel. Ich fühle mich sicher. Wohl und sicher. Er lässt sich, wie vorhin, auf den Rand des Tisches nieder, während ich zwischen seinen Oberschenkeln stehe. Seine eigentlich verschlossene Art spüre ich auch in seinen zärtlichen Küssen, ebenso wie den Zeitabschnitt, der zwischen diesem und seinem letzten Kuss liegt. Seine Vorsicht sagt schon etwas aus, doch ich glaube, in ihm steckt noch so viel mehr. Ein zweiter, diesmal lauterer, Donner dröhnt auf das Schulgebäude ein. Im selben Augenblick löst sich Nathaniel langsam von mir. Als ich meine Augen öffne sehe ich, wie er wieder ganz rot wird und dabei lächelt. Ich greife unser voriges Gespräch wieder auf: "Also ... Dafür hättest du dich wirklich nicht entschuldigen müssen ..."
Ich lächle ihn zurück an, während er beginnt kaum hörbar zu lachen.
"Das wollte ich schon machen, als ich dir bei Mathe geholfen habe ..."
"Du lässt mich also gerne warten?" Mein Lächeln geht über ein breites Grinsen.
"Nein", lacht er vernehmlicher, "aber wie konnte ich mir sicher sein, dass du es auch willst?"
"Wie konntest du dir da denn jetzt sicher sein?"
Verlegen blickt er für einen Moment zur Seite, sodass ich meine Hände wieder von seinem Kopf und Nacken zurück nehme, dann mir wieder in die Augen.
"War ich mir natürlich nicht, sonst hätte ich mich ja nicht vornherein dafür entschuldigt."
"Klugscheißer", bemerke ich und verdrehe lächelnd die Augen.
Ein kleines Lachen entwischt ihm, ehe er weiterspricht: "A-Aber ich konnte nicht länger warten ... Die Vorstellung, jemand anderes würde es vor mir tun, hat mich wahnsinnig werden lassen ... Immerhin hätte ich gestern Castiel beinahe eine reingehauen."
"Im Ernst?"
"J-Ja ..."
Es wundert mich nicht, dass er dazu bereit wäre, Castiel zu schlagen aber es wundert mich, dass er es wegen mir beinahe getan hätte. Im Endeffekt erfreut es mich aber. Er war tatsächlich ganz schön eifersüchtig. Offenbar beschämt schaut er wieder zu Boden. Ein Blitz erhellt das Zimmer für einige Millisekunden. Entschlossen lege ich meine Hände wieder an ihn, diesmal aber an seine Wangen, die sich als ebenso weich wie seine Lippen herausstellen, und ich fange an, ihn zu küssen. Plötzlich vernehme ich das Geräusch einer sich öffnenden Tür. In Windeseile löse ich mich wieder von ihm und schaue hinter mich.
Melody.
Ein überaus durchdringender Donner erklingt.
Als sie uns beide so nahe beieinander sieht, klappt ihre Mundlade runter. Die Überraschung steht ihr eindeutig im Gesicht geschrieben. Ich gehe ein paar Schritte zurück und Nathaniel stellt sich wieder aufrecht hin.
"Wie ... Wie ...", stottert sie.
"Was?", will Nathaniel wissen.
"Wie kannst du ihr jetzt wieder so nahe sein?! Nachdem was ich dir erzählt habe!"
Sie scheint nicht gesehen zu haben, wie wir uns küssen. Ich stand zum Glück mit dem Rücken zur Tür.
Nathaniel lacht kopfschüttelnd und stellt sich neben mich hin.
"Wie konntest du mich anlügen?"
"Anlügen? Ich ha-"
Sie bricht ihren Satz ab und sieht mich an. Wut macht sich in ihrem Gesichtsausdruck breit. Damit bin ich wohl offiziell ihre Erzfeindin. Dabei wollte ich das nie werden.
"Das hat SIE dir bestimmt erzählt, nicht wahr?"
Zornentbrannt geht sie schnell auf mich zu. Ich hebe meine beiden Hände, als würde ich mich selbst vor ihr beschützen wollen.
"Warte mal!", fordere ich.
"ICH bin KEINE Lügnerin!" Sie tippt mir mit ihrem Zeigefinger auf die Brust. Ihr Tippen ist nicht sonderlich sanft, es tut schon eher weh. Das muss ich mir nicht gefallen lassen. Ich schiebe sie mit einer meiner Hände etwas von mir weg.
"Jetzt mach mal halblang!"
"Melody, was ist in dich gefahren?", wendet Nathaniel in bestürztem Ton ein.
"Ich habe Castiel nie geküsst!", stelle ich noch einmal klar, "und Nathaniel glaubt mir das auch!"
Daraufhin schaut sie zu ihm. "WIESO?", schreit sie schon beinahe.
Nathaniel schüttelt wieder mit dem Kopf. Er ist offensichtlich genervt von Melodys Art und Weise zu handeln gerade.
Ich wende ein: "Das ist doch wohl klar?! Nur weil er nicht in dich verliebt ist, musst du ihm nicht gleich irgendeinen dahergezogenen Mist über mich erzählen!"
"Wa-"
"Das ist mein Ernst, Melody! Was kann ich denn auch dafür, dass seine Gefühle eben nunmal sind, wie sie sind? Dazu kommt, dass er sich mit dieser Lüge über mich nicht eher in dich verliebt, sondern sich sogar vielleicht viel mehr von dir entfernt. Wir wissen beide ganz genau, dass du nichts gesehen hast, das auch nur einem Kuss in kleinster Hinsicht geähnelt haben könnte."
Sie sagt nichts darauf. Wieder bringt ein Blitz Licht in den etwas dunklen Raum. Nathaniel legt mir seine Hand auf die linke Schulter und streicht mir dem Daumen leicht darüber. Er will mir wohl damit sagen, dass ich mich wieder beruhigen soll. Ich bin selten so drauf, wie gerade aber wenn, dann bin ich so ziemlich unaufhaltsam.
"Vielleicht wäre eine Entschuldigung angebracht, Melody", schlägt er vor.
Sie schaut ihn an und will gerade antworten, da ergänzt er noch: "Eine ernst gemeinte Entschuldigung. Dann bin ich auch nicht mehr sauer auf dich."
Sie blickt abwechselnd zwischen seinem und meinem Gesicht hin und her. Währenddessen warte ich auf das folgende Donnern, vom letzten Blitz.
"NEIN!", schreit sie, unerwartet für mich und läuft aus dem Raum. Ein wenig schockiert sehe ich zu Nathaniel, der sich ebenfalls verwirrt durchs Haar fährt.
"Damit habe ich jetzt nicht gerechnet", lacht er leicht. "Sie wird sich schon wieder einkriegen."
"Ich hoffe es ... Ich habe keine Lust auf eine Feindschaft oder etwas dergleichen."
Er dreht mich sanft zu sich und lächelt mich an.
"Mach dir keine Sorgen, das renkt sich wieder ein. Da bin ich mir sicher."
Anschließend beugt er sich zu mir runter, um mir einen Kuss zu geben. Ich lächle ihn zufrieden darüber an. Ein Blick auf meine Armbanduhr verrät mir, dass es mittlerweile schon relativ spät ist.
"Soll ich dich begleiten?", bietet er mir bereits ahnend an.
"M-Musst du nicht", winke ich ab.
"Ich mache es aber gerne."
"O-Okay", lächle ich und laufe ein wenig rot an. Wie steht es denn jetzt um ihn und mich? Ich hebe meine Tasche auf und er räumt noch ein wenig auf, ehe er sich dann auch seine Tasche schnappt und zur Tür geht, um sie mir aufzuhalten. Ich nehme das Angebot an und gehe durch, woraufhin er abschließt und wir nach draußen gehen. Er holt seinen Regenschirm aus der Tasche und öffnet ihn. Gemeinsam gehen wir so in die Richtung meines Zuhauses. Nathaniels Heimweg ist in die andere Richtung, weswegen er immer einen Umweg geht, wenn er mich zu mir bringt. Das Gewitter hat mittlerweile nachgelassen, doch der Regen ist noch genauso schlimm wie zuvor. Es ist schwer zu zweit unter dem Regenschirm zu bleiben, ohne das man auch nur im geringsten nass wird. Nathaniel entgeht dieses Problem nicht.
"Vielleicht sollten wir etwas näher aneinander rücken?"
Ohne dass ich überhaupt antworte, legt er, etwas leicht zögernd, seinen Arm um mich und zieht mich ein an sich ran. Er hat recht, dadurch sind wir beide gut geschützt. Meine Wangen sind ganz warm. Auch wenn unser erster Kuss nun schon hinter uns liegt, bringt er mich nicht weniger aus der Fassung. Dafür würde es bestimmt noch einiges Zeit an benötigen.
"G-Geht das für dich in Ordnung?", fragt er fürsorglich nach.
"Klar."

Nur noch ein bis zwei Meter von meinem Haus entfernt, bleibe ich stehen.
"Du kannst auch von hier aus schon gehen, ich bin ja nicht aus Zucker", witzel ich. Er lacht darüber und nickt einwilligend.
"Dann bis morgen?"
"Bis morgen", verabschiede ich mich und lächle ihn an.
Er legt seine große, warme Hand in meinen Nacken, neigt sich zu mir runter und gibt mir damit noch einen lieblichen Abschiedskuss. Ich würde mich am liebsten gar nicht lösen wollen aber ich sehe ihn, zum Glück, morgen wieder. Seine Lippen verlassen meine wieder. Ehe er sich komplett aufrecht hinstellt, gibt er mir noch einen sanften Kuss auf die Stirn.
"Pass auf dich auf", bitte ich ihn noch.
"Mache ich", lächelt er. Ich gebe ihm ein letztes Lächeln zurück und renne zu meiner Haustür.

Ich freue mich schon Rosalia und Alexy von dem Ganzen zu erzählen! Sie werden bestimmt ausflippen, vor allem Alexy über dieses ganze Drama mit der Lüge Melodys und Castiels. Ob Melody sich wirklich noch bei mir entschuldigen wird?
Mein Handy klingelt. Ich habe eine Nachricht bekommen, von Nathaniel!
Nathaniel: Was hältst du von Eislaufen und danach führe ich dich zum Essen aus? Ich freue mich auf den morgigen Tag mit dir. ❤️
AHHHH, ich glaube ich sterbe! Dabei kann ich nicht wirklich Eislaufen ... Ich kann nicht mal wirklich Inlinerfahren, ohne unendlich oft hinzufallen. Ich bin auf diesem Gebiet eine ganz schöne Null.
Ich: Einverstanden! Ich sage dir aber jetzt schonmal, dass ich nicht Eislaufen kann 😂
Ich: Ich freue mich auch! ❤️
Nathaniel: Kein Problem, ich bin auch kein Eiskunstläufer. Ich helfe dir! :)
Ich: Da bin ich beruhigt :)
Nathaniel: Soll ich dich von Zuhause abholen? Oder möchtest du dich lieber irgendwo mit mir treffen? :)
Ich: Hol mich von Zuhause ab. Ich würde lieber mit dir zusammen dorthin gehen 😳
Nathaniel: Mache ich. Bis morgen um halb Vier. ❤️
Ich lege mein Handy weg. Mein erstes Treffen mit Nathaniel! Hoffentlich auch nicht mein Einziges. Bitte blamiere ich mich morgen nicht zu viel ... Alles muss perfekt laufen!

Der unnahbare Schülersprecher? | Sweet Amoris - Nathaniel FF [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt